Dansk-tysk med Matlok

Dänischer Botschafter: Scholz ist nicht Bismarck

Dänischer Botschafter: Scholz ist nicht Bismarck

Dänischer Botschafter: Scholz ist nicht Bismarck

DN
Kopenhagen
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Botschafter Carsten Staur und Siegfried Matlok beim Interview zu Gast bei „Tænketank Europa“ in der Kopenhagener Innenstadt. Foto: DK4

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Im „DK4“-Interview äußert sich der dänische Botschafter bei der OECD in Paris, Carsten Staur, zur Bereitschaft der dänischen Bevölkerung, die EU-Vorbehalte abzuschaffen. Seiner Auffassung nach kann nur eine außergewöhnliche Situation Dänemarks EU-Dilemma lösen.

„Die EU-Vorbehalte sind Teil der dänischen Europa-Politik, und wenn man diese Vorbehalte abschaffen will, dann erfordert dies sozusagen eine brennende Plattform. Das ist die Lehre aus den bisherigen EU-Volksabstimmungen. Wenn es keine brennende Plattform gibt, dann wählen die Dänen Status quo, aber es ist ja nicht undenkbar, dass der Krieg in der Ukraine diese brennende Plattform sein kann“, meint der dänische Botschafter bei der OECD in Paris, Carsten Staur, in einem „DK4“-Interview.

Dänemark zwar Kernland, Dilemma bleibt jedoch

Dänemark bezeichnet sich zwar nun als Kernland in der EU, aber das Dilemma mit den Vorbehalten bleibt ja vorläufig noch bestehen. Nach seinen Worten haben die Dänen oft Probleme mit der europäischen Rhetorik. „Wir mögen keine lyrischen Formulierungen, und deshalb haben wir manchmal auch unsere Schwierigkeiten beim Einstieg in die europäischen Prozesse.“ Für die Dänen sei die Substanz eben wichtiger als große Worte, so der Botschafter in der Sendung „Dansk-tysk med Matlok“.

Zeitenwende nur in einem europäischen Kontext

Der dänische Diplomat, der als Historiker ein bemerkenswertes Buch über 250 Jahre dänische Außenpolitik geschrieben hat unter dem Titel „Skillelinier-Dansk Udenrigspolitik i 250 år“, hat mit großer Aufmerksamkeit die „Zeitenwende“-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Kenntnis genommen. Er befürchtet keine Parallelen zwischen dem früheren Reichskanzler Otto von Bismarck und Olaf Scholz, keine Wiederholung der Großmacht-Politik wie nach dem Wiener Kongress 1815, wo die Nationalstaaten als Großmächte auch durch unterschiedliche Allianzen die Entwicklung bestimmten haben.

Ob Deutschland seine bisherige Zurückhaltung mit dem Hauptaugenmerk auf die eigene Wirtschaftskraft ändern wird, um auch eine militärische Macht zu werden, muss sich erst noch zeigen, aber der Unterschied zu Bismarck besteht eben darin, dass Olaf Scholz diese Zeitenwende nur in einem europäischen Kontext realisieren will und dies werde vom Rest Europas begrüßt, betonte Staur.

Europa als dritte Kraft

Der dänische OECD-Botschafter sieht Europa – wie es sein dänischer EU-Kollege Jeppe Tranholm-Mikkelsen formuliert hat – künftig als „dritte Kraft“ in der Weltpolitik – neben USA und China. Europa hat seine Kraft bisher allein auf die Wirtschaft basiert, nun bleibt abzuwarten, ob Europa auch militärisch eine führende Rolle spielen will. Dabei sei jedoch zu beachten, dass USA und Europa global gemeinsame Interessen vertreten – als Anhänger von Demokratie und liberaler Wirtschaftsordnung. 

Das Erfolgsgeheimnis der dänischen Diplomatie

Carsten Staur, der früher unter anderem dänischer UNO-Botschafter in New York und Botschafter in Israel gewesen ist, wird im Interview auch nach dem Erfolgsgeheimnis der dänischen Diplomatie gefragt. Angesichts der Tatsache, dass die Diplomaten eines kleinen Landes dennoch so oft höchste internationale Posten bekleiden. Ein Beispiel sei Jeppe Tranholm-Mikkelsen, der seit Juli 2015 Generalsekretär des Rates der Europäischen Union ist – wie es einst sein Landsmann Niels Ersbøll von 1980 bis 1994 war.

„Erstens gehört dazu natürlich ein großes Fachwissen, aber wir sind ein pragmatisch-protestantisches Volk, das gerne Lösungen sucht. Wir sind auch in der Lage, national selbst in den Hintergrund zu treten, um einen Erfolg herbeizuführen. Dänemark hat zwar eine wertebasierte Außenpolitik, aber wir haben andererseits nicht die klasssischen nationalen Interessen, die unseren Einfluss überschatten und so einem Verhandlungserfolg im Wege stehen. Wir sind keine Dogmatiker und werden deshalb als ordentliche Leute angesehen, als glaubwürdig eingestuft. Das führt dazu, dass wir als Land, aber auch als Diplomaten unseres Landes oft die Möglichkeit erhalten, eine wichtige Rolle als Zusammenarbeitspartner wahrzunehmen.“

Für die Diplomatie gilt das Primat der Politik

Darauf angesprochen, ob die Diplomatie gerade beim Ukraine-Konflikt nicht zu lange naiv gegenüber Putin gewesen sei, antwortete Staur: Für die Diplomatie gilt das Primat der Politik. Wenn man nicht verhandeln will und Militär einsetzt, dann hat die Diplomatie natürlich keine Chancen, aber eines Tages muss ja auch nach einem Krieg eine dauerhafte Lösung am Verhandlungstisch gefunden werden. Die Politik sagt uns, was sie will, aber dann ist es unsere Aufgabe, diese Ziele umzusetzen. Und da kann die Diplomatie natürlich einige neue Instrumente in die Sinfonie einbauen.“

Das Interview mit Carsten Staur in voller Länge:

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