Sexuelle Belästigung

Kommentator: Tiefe Krise bei Radikale Venstre

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Kommentator: Tiefe Krise bei Radikale Venstre

Kopenhagen
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Sofie Carsten Nielsen trat am Freitag vor die Presse. Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

Die neue Radikalen-Chefin Sofie Carsten Nielsen wusste seit Mitte September, dass es einen weiteren Fall von sexueller Belästigung seitens Morten Østergaards gab. Sie bestreitet jedoch, gelogen zu haben.

Vergangenen Freitag trat die neue politische Chefin der Radikalen, Sofie Carsten Nielsen, den Tränen nahe vor die Presse. Sie sei „traurig und wütend“, sagte sie, nachdem ihr Vorgänger Morten Østergaard kurz vorher über Facebook mitgeteilt hatte, es gebe drei weitere Anklagen wegen sexueller Belästigung gegen ihn.

Was Carsten Nielsen bei der in aller Hast einberufenen Pressekonferenz nicht erwähnte, war, dass sie bereits seit Mitte September wusste, dass es einen weiteren Fall gegeben hat.

Am Mittwoch davor war Østergaard zurückgetreten, nachdem zunächst parteiintern bekannt geworden war, dass er derjenige gewesen sei, der die Abgeordnete Lotte Rod sexuell belästigt hatte.

Kommentator sieht Handhabung als Problem

Schon am 17. September zog die Abgeordnete Katrine Robsøe die damalige Vizevorsitzende Carsten Nielsen ins Vertrauen. Während ihrer Zeit als Studentenkraft im Parteisekretariat sei sie 2015 von Østergaard belästigt worden.
Am Freitag bestritt Carsten Nielsen, dass sie bislang von den drei weiteren Fällen gewusst habe.

Der politische Kommentator Hans Engell meint, dies sei eine Belastung sowohl für sie als auch für die Partei.

„Der Blick richtet sich nun auf den Umgang mit dem Fall und die Tatsache, dass Sofie Carsten Nielsen erst vor zwei Tagen bestritten hat, dass sie von anderen Fällen als dem Fall Lotte Rod gewusst hatte“, meint er.

„Nun stellt sich heraus, dass sie bereits im September von Katrine Robsøe informiert wurde“, so der Kommentator, der eine tiefe Krise in der Partei ausmacht.

Robsøe hat Montagabend auf Facebook geschrieben, dass sie eine der von Østergaard erwähnten drei Frauen gewesen sei. Carsten Nielsen hat dies anschließend ebenfalls auf Facebook bestätigt.

Carsten Nielsen bestreitet Lüge

Gegenüber „Berlingske“ bestreitet die Parteichefin, gelogen zu haben. Sie hätte im Einverständnis mit Robsøe Østergaard mit den Anklagen konfrontiert.

„Katrine Robsøe war sehr darauf bedacht, dass die Sache vertraulich gehandhabt werden sollte. Auch sollte nichts Weiteres geschehen, da schon gehandelt worden sei. Und dann gab es zwei Auslegungen der Situation“, verteidigt sie ihre Äußerungen vom Freitag.

Bei den drei am Freitag veröffentlichten Fällen ist von Personalsachen die Rede.

„Zu dem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass dies (Robsøes Schilderung, Red.) einer der drei Personalsachen war. Das hat sie mir erst am Sonnabend erzählt“, so Carsten Nielsen.

Und zwei Punkte entlasten dann auch die Parteichefin, meint Engell.

„Sie hat im Vertrauen mit Lotte Rod und Katrine Robsøe gesprochen und meint, dies muss sie respektieren.“

„Es ist deutlich, dass die Radikalen keine formulierte Politik für die Handhabung solcher Fälle haben. Das ist eine große Schwäche“, so der politische Beobachter.

Østergaard krankgeschrieben

Letzteres geht auch aus einer Darstellung der drei Personalfälle hervor, die die Partei am Montag veröffentlicht hat.

Demnach wurden dem Leiter des Parteisekretariats, Lars Beer Nielsen, 2016 zwei Klagen über sexuelle Belästigung durch Morten Østergaard vorgelegt. Beer Nielsen erteilte dem damaligen Parteichef eine Rüge, und verdeutlichte, dass keiner seiner Mitarbeiter künftig einer solchen Belästigung ausgesetzt werden sollte. Østergaard habe die Rüge zur Kenntnis genommen.

Im Sommer 2017 gab es erneut eine Klage. Wiederum wurde Østergaard ermahnt.

Laut Beer Nielsen ist es die Einschätzung eines externen Experten, dass Regeln für die Handhabung einer Situation fehlen, in der die Klage einen der Politiker der Partei betrifft. Gegenüber einem Politiker hat er nämlich keine Führungsbefugnis.

Østergaard selbst hat sich am Montag krankschreiben lassen. Damit hat er sowohl Carsten Nielsen als auch sich selbst erst einmal eine Denkpause bezüglich seiner politischen Zukunft ermöglicht. Carsten Nielsen hat sich zu der Frage bislang nicht äußern wollen.

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