Nach Reichsgerichtsurteil

Mehrheit entzieht Inger Støjberg das Folketingsmandat

Mehrheit entzieht Inger Støjberg das Folketingsmandat

Mehrheit entzieht Inger Støjberg das Folketingsmandat

Ritzau/nb
Kopenhagen
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Inger Støjberg verlässt unmittelbar nach der Abstimmung, bei der sie ihr Mandat verloren hat, den Sitzungssaal des Folketings. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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Eine Mehrheit von 98 Abgeordneten hat die ehemalige Venstre-Politikerin Inger Støjberg, die in der vergangenen Woche durch das Reichsgericht zu 60 Tagen Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde, aus dem Folketing ausgeschlossen.

Inger Støjberg darf nicht mehr Abgeordnete im Folketing sein. Nach mehr als 20 Jahren verliert sie ihr Mandat. Mit 98 zu 18 Stimmen stuften die Folketingsabgeordneten Støjberg als nicht mehr würdig ein, um im Parlament verbleiben zu dürfen.

Sie geht erhobenen Hauptes

„Ihr solltet nicht damit rechnen, dass das letzte Wort von meiner Seite aus bereits gesprochen ist”, sagte Støjberg nach der Abstimmung über ihre persönliche Zukunft. Allerdings lehnt sie es ab, auf Fragen zu antworten.

Sie nehme die Abstimmung „zur Kenntnis”, ohne „sich gedemütigt zu fühlen”.

„Ich möchte lieber von meinen Kollegen hier im Folketing das Mandat entzogen bekommen, weil ich versucht habe, einige Mädchen zu schützen, als von der dänischen Bevölkerung, weil ich auf einem Auge blind war”, sagt Støjberg.

Vom Reichsgericht verurteilt

Støjberg war in der vergangenen Woche durch das Reichsgericht zu 60 Tagen Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden. Sie ist die erste Abgeordnete seit mehr als 30 Jahren, die aus dem Folketing ausgeschlossen wird. Vor ihr sind nur vier weitere Mitglieder vom Parlament ausgeschlossen worden, seitdem das Grundgesetz im Jahr 1953 geändert worden war.

Neue Bürgerliche und Dänische Volkspartei gegen Mandatsentzug

Bereits im Vorfeld hatten die verschiedenen politischen Parteien ihre Linie bekannt gegeben. Als einzige stimmten die Abgeordneten der Neuen Bürgerlichen und der Dänischen Volkspartei gegen eine Entziehung des Abgeordnetenmandats von Inger Støjberg.

Bei der Neuen Bürgerlichen ist man der Auffassung, dass eine Entscheidung über die Frage, ob ein Mitglied des Parlaments ihres bzw. seines Mandates würdig ist, allein den Wählern überlassen werden sollte.

Die Dänische Volkspartei vertritt die Sichtweise, dass die ehemalige Ausländer- und Integrationsministerin nach einem klaren und eindeutigen politischen Wunsch einer großen Mehrheit im Folketing handelte, als sie den Beschluss zur Trennung von Asylpaaren, von denen mindestens eine Person minderjährig war, traf.

Alle übrigen Parteien für Entzug des Abgeordnetenmandats

Alle anderen Parteien stimmten dafür, Støjberg das Abgeordnetenmandat zu entziehen.

Bei den Sozialdemokraten verweist man darauf, dass das Reichsgericht mit 25 von 26 Richtern ein übereinstimmendes Urteil gefällt hat. Zudem meint die Regierungspartei, dass Støjberg die Bedingungen, die man an ein Mitglied des Folketings stellen kann, nicht hinreichend erfüllt hat. Zudem macht die Partei darauf aufmerksam, dass auch Kommunal- und Regionsratspolitikerinnen und -politiker ihre Wählbarkeit verlieren, wenn sie zu Gefängnis ohne Bewährung verurteilt werden.

Gesetzestreue unabhängig von Parteizugehörigkeit

Letzterem schließen sich auch Venstre und die Konservativen an. Beide Parteien meinen, dass man sich unabhängig von einer bestimmten Parteizugehörigkeit und politischen Sichtweise an die geltenden Gesetze halten müsse. Allerdings vertreten sie auch die Auffassung, dass Inger Støjberg nach Absitzen ihrer Strafe erneut zur Wahl antreten und Abgeordnete werden können solle.

Auch Kommunal- und Regionsratspolitiker verlieren Wählbarkeit

Die Volkssozialisten halten Støjberg für unwürdig, um Mitglied des Folketings zu sein, da sie ein „relativ hartes Urteil“ bekommen habe. Die Partei verweist wie die Sozialdemokraten darauf, dass auch Kommunal- und Regionsratspolitiker ihre Wählbarkeit verlieren, wenn sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Die Angelegenheit hätte anders ausgehen können, wenn Støjberg nicht die Warnungen überhört hätte oder wenn der Fall bereits zu einem früheren Zeitpunkt untersucht worden wäre.

Gesetzwidriges Handeln

Bei den Radikalen ist man der Auffassung, dass Abgeordnete, die in einem Reichsgerichtsverfahren verurteilt werden, prinzipiell nicht Mitglied des Folketings sein dürfen. Zudem müsse eine Gefängnisstrafe stets dazu führen, dass die betroffene Person ihr Mandat verliert.

Auch die Einheitsliste hält Støjberg für nicht mehr würdig, um Mitglied des Folketings sein zu können, da sie als Ministerin gesetzwidrig gehandelt habe und sich zudem nach dem Urteil unwürdig verhalten habe. Die Partei verweist auch darauf, dass die Trennung von Asylpaaren zu psychischen Konsequenzen bei den Betroffenen geführt habe.

Die Freien Grünen vertreten ebenfalls die Ansicht, dass Støjberg ihr Mandat nicht behalten könne, unter anderem weil ihr Gesetzesbruch erhebliche Konsequenzen für einige der getrennten Paare bekommen habe und sich diese zudem in einer schwierigen Situation befunden hätten.

Der Artikel wurde um 18.10 aktualisiert und ergänzt.

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