KAUM CHANCE AUF VERJÜNGUNG

Warum Nieby den höchsten Altersdurchschnitt hat

Warum Nieby den höchsten Altersdurchschnitt hat

Warum Nieby den höchsten Altersdurchschnitt hat

Gero Trittmaack/shz.de
Nieby
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Nieby gilt laut Angaben des Statistischen Bundesamtes als älteste Gemeinde bundesweit. Der Bürgermeister weiß woran es liegt und ist gleichzeitig ratlos. Foto: Axel Heimken

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Zu der Gemeinde gehören die Geltinger Birk und Falshöft – für Touristen sehr attraktiv. Aber die Einwohner werden immer älter und die Gemeinde stirbt im wahrsten Sinne des Wortes aus.

Niebys Bürgermeister Dirk Hansen war nur mäßig überrascht: „Dass wir alt sind, wusste ich, aber so alt? Nicht schlecht.“ Nieby ist durch eine Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes in die Schlagzeilen geraten: Das 130-Einwohner-Dorf hat den höchsten Altersdurchschnitt in ganz Deutschland. Hansen selbst gehört mit seinen 57 Jahren fast noch zu den Jungspunden, der Schnitt liegt bei 64,2 Jahren, mehr als die Hälfte der gemeldeten Einwohner sind 65. Junge Familien zieht es nicht in die Gemeinde zwischen der Geltinger Birk und dem Ostseestrand im Ortsteil Falshöft. „Was sollen die auch hier“, fragt der Bürgermeister, „hier gibt es ja nichts.“ 

Keine Schule, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Kirche 

 

Das sehen die vielen Touristen, die Gegend in jedem Sommer besuchen wahrscheinlich anders, aber die so genannte Infrastruktur für die Einheimischen ist mager. Keine Schule, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Kirche – und selbst die eigene Feuerwehr musste 2007 aufgeben, weil nicht mehr genügend fitte Einheimische vorhanden waren. Jetzt sorgt die Feuerwehr der Nachbargemeinde Pommerby über die Sicherheit. Und die trägt den Namen Nieby immerhin noch hinter dem Bindestrich in ihrem Namen. Geblieben ist ein Altersheim. Das hat zwar nur relativ wenige Plätze, trägt aber nicht dazu bei, den Altersdurchschnitt zu senken. 

 

 

Aber es gibt doch einen Wald- und Naturkindergarten. Dann muss es doch auch junge Familien geben. Dirk Hansen winkt ab: „Ich glaube nicht, dass eines der Kinder noch bei uns gemeldet ist. Die kommen alle von außerhalb.“ Überflüssig zu fragen, wie es um Neubaugebiete steht. Die gibt es nicht. Und es wird sich voraussichtlich auch in Zukunft nicht geben. 

 

Da werden von Investoren unglaubliche Summen geboten.

Dirk Hansen, Bürgermeister in Nieby

 

Unglaubliche Summen für Unterkünfte 

Es ist der Fluch der schönen Natur ringsum, der Nieby zu schaffen macht. Das große Naturschutzgebiet Geltinger Birk, die nahe Ostsee und der Strand sind außergewöhnlich und ziehen die Touristen in Scharen an. Aber das hat auch Nebenwirkungen. Wenn in Nieby jemand stirbt und ein Haus leer wird, können sich die Erben vor Angeboten aus ganz Deutschland kaum retten. „Da werden von Investoren unglaubliche Summen geboten, die den eigentlichen Wert der Häuser teilweise um das Fünffache übersteigen. Und dann werden da Ferienwohnungen gebaut.“

Luxus-Tourismus: Auf dem alten Kasernengelände in Nieby ist das Reetdorf entstanden. Foto: bb

Für die Einheimischen gibt es keine Chance. Selbst wenn eine junge Familie gern bleiben würde – sie kann es sich nicht leisten. Die Folge ist: Der Tourismus nimmt zu, die einheimische Bevölkerung wird nicht nur älter, sondern auch kleiner. Und wenn sich einmal jemand ansiedelt, sind es meist wohlhabende Pensionäre aus Nordrhein-Westfalen, die ihren Lebensabend in schöner Natur und bei frischer Luft verbringen wollen. Aber auch die lösen die Probleme der Gemeinde Nieby nicht. 

 

Bürgermeister Dirk Hansen sieht den Tourismus nicht negativ. Aber es gibt kein Konzept, wie das Dorf darauf reagieren könnte. Zwar wird zurzeit zusammen mit einigen Nachbardörfern an einem „Ortskernentwicklungskonzept“, aber es gibt nicht viel zu entwickeln. Ideen, wie von Falshöft im Sommer von dem ausufernden Autoverkehr entlastet werden kann, werden beraten – aber auch das bringt Nieby nicht weiter. 

Lernen, mit dem Tourismus umzugehen 

„Wir müssen lernen, wie wir mit dem Tourismus umgehen und das Dorf trotzdem erhalten können“, sagt der Bürgermeister. „Wir würden auch gern eigenständig bleiben – aber ob das auf Dauer klappt?“ Auch die Frage, wie Nieby in 20 Jahren aussehen wird, kann Dirk Hansen nicht beantworten. „Das wüsste ich auch gern“, sagt er. Eines jedenfalls steht fest:: Wenn die Entwicklung so weitergeht, sieht das Dorf Nieby irgendwann wirklich alt aus.

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