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Deutsche Grenzkontrollen: Zwischen Verständnis und scharfer Kritik

Deutsche Grenzkontrollen: Zwischen Verständnis und scharfer Kritik

Deutsche Grenzkontrollen: Zwischen Verständnis und Kritik

Apenrade/Aabenraa
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Ab Montag wird die Bundespolizei an der Grenze zu Dänemark wieder Kontrollen einführen (Archivfoto). Foto: Claus Fisker/Ritzau Scanpix

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Deutschland führt ab dem 16. September an allen Grenzen Kontrollen ein – darunter auch an der Grenze zu Dänemark. Während Bundesinnenministerin Nancy Faeser von einer Stärkung der inneren Sicherheit spricht, stößt die Einführung der Grenzkontrollen bei Vertretern der deutsch-dänischen Region auf geteilte Meinungen.

Inmitten der anhaltenden Migrationsdebatte führt Deutschland Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern ein, darunter auch Dänemark. Die Maßnahme tritt am 16. September in Kraft und soll zunächst für sechs Monate gelten, wie das Bundesinnenministerium am Montag bekannt gab.

Die Entscheidung folgt wenige Wochen nach einem Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen am 24. August, bei dem ein Mann drei Menschen erstach und mehrere weitere schwer verletzte. Der Islamische Staat reklamierte die Tat für sich. 

Die verschärften Kontrollen würden nun vor allem dazu dienen, das Land vor Terror und schwerer grenzüberschreitender Kriminalität zu schützen, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie erklärte am Montag, dass die verschärften deutschen Kontrollen auch darauf abzielen, die Zurückweisung von illegalen Einreisenden zu erleichtern: „Wir stärken unsere innere Sicherheit durch gezielte Maßnahmen“, so Faeser.

Die Bundesinnenministerin betonte, dass die nationalen Grenzkontrollen eine Übergangslösung seien, bis auf europäischer Ebene ein effektives gemeinsames Asylsystem sowie ein stärkerer Schutz der EU-Außengrenzen geschaffen werde. 

Reaktionen aus dem deutsch-dänischen Grenzland

Wie reagieren prominente Vertreter der deutsch-dänischen Grenzregion auf die Einführung der deutschen Grenzkontrollen? „Der Nordschleswiger“ hat sich umgehört und Einschätzungen zu den neuen Maßnahmen eingeholt.

Rainer Naujeck, Vorsitzender der Schleswigschen Partei (SP):

Man muss sich natürlich vor Augen führen, dass dieser Beschluss der Bundesinnenministerin in einer Zeit getroffen wurde, in der Landtagswahlen zu einem Ergebnis führten, das die Wiedereinführung der Grenzkontrollen begünstigt. Die Schleswigsche Partei war stets gegen Grenzkontrollen. Natürlich gibt es Situationen, in denen sie notwendig sind, wie etwa während der Corona-Pandemie, als nicht nur Grenzkontrollen, sondern auch Grenzschließungen durchgeführt wurden. Das ließ sich nicht vermeiden. Grundsätzlich stehen wir als SP jedoch für ein freies Europa, was Reisefreiheit, Wirtschaftsfreiheit und ähnliche Freiheiten beinhaltet.

Ob diese Maßnahme jetzt erforderlich ist, fällt mir schwer zu beurteilen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es sich um Symbolpolitik handelt, unter anderem um die CDU an den Verhandlungstisch zu bringen. Ich verstehe auch die Ängste der Menschen, was das Wahlergebnis in Thüringen und Sachsen deutlich zeigt, wo viele leider die AfD gewählt haben. Dass die Regierung darauf reagieren muss, kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen – aber nicht in Bezug auf Dänemark. Wir haben doch keinen Flüchtlingsstrom von Dänemark nach Deutschland.

Rainer Naujeck (SP) versteht die Wiedereinführung der Grenzkontrollen nicht, da es keinen signifikanten Flüchtlingsstrom aus Dänemark nach Deutschland gibt (Archivbild). Foto: Karin Riggelsen

Leider mussten nun alle Nachbarländer in diese Maßnahme einbezogen werden, was für uns im Grenzland schwer zu akzeptieren ist, da es unser tägliches Leben beeinträchtigen wird. Wir wissen zwar noch nicht, ob es dauerhafte oder stichprobenartige Kontrollen sein werden, aber das Leben – insbesondere für Pendlerinnen und Pendler – wird in jedem Fall wieder eingeschränkt. Das passt nicht in die heutige Zeit.

Jørgen Popp Petersen, Bürgermeister von Tondern:

Wir haben die Kontrollen an unseren Grenzübergängen in der Kommune Tondern (Tønder) zuletzt nicht als Herausforderung erlebt. Und so wie die dänischen Grenzkontrollen jetzt gehandhabt wurden – unabhängig davon, wie man dazu steht – hat dies kein Problem für den Verkehr und das Miteinander in der Grenzregion dargestellt. Das sollte auch von deutscher Seite das Ziel sein, damit es für uns in der Grenzregion keine Belastung wird. Sobald es Staus an der Grenze gibt, wird es natürlich ein Problem. 

Bürgermeister Jørgen Popp Petersen (SP) ist der Meinung, dass die bisherigen Grenzkontrollen in der Kommune Tondern keine großen Herausforderungen dargestellt haben (Archivbild). Foto: Karin Riggelsen

Wenn man die Diskussion in Deutschland verfolgt, wird aber klar, dass dort irgendwann auch Maßnahmen ergriffen werden mussten. Die große Migration nach Europa hat politische Konsequenzen. Wenn es allerdings zu Grenzkontrollen wie vor Schengen kommt, wäre das für unsere Grenzregion kaum tragbar. Wenn es hingegen so gehandhabt wird, wie es derzeit scheint, dann ist es wahrscheinlich eine Situation, mit der wir uns arrangieren müssen.

Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger:

Der Druck auf die deutsche Regierung, irgendetwas zu unternehmen, war natürlich immens. Meine Haltung hat sich jedoch nicht geändert. Was die Gründe für die Einführung betrifft, glaube ich, dass sie nicht unbedingt auf die deutsch-dänische Grenze zutreffen. Ich habe gehört, dass Grenzkontrollen relativ wenig Effekt haben. Natürlich werden ab und zu kleinere Vergehen aufgedeckt, aber die Ressourcen, die an den Grenzen eingesetzt werden, könnte man meiner Meinung nach in anderen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung effektiver nutzen. 

Hinrich Jürgensen bedauert, dass die erneuten Kontrollen die Fortschritte in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und im gegenseitigen Verständnis gefährden (Archivbild). Foto: Friedrich Hartung

Für mich ist es frustrierend, dass wir erneut verstärkte Grenzkontrollen erleben. Dadurch verfestigen sich die Grenzen wieder in den Köpfen der Menschen. Dabei hatten wir in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und im gegenseitigen Verständnis schon so viel erreicht. Ich finde es bedauerlich, dass wir aufgrund dieser lästigen Kontrollen nicht in der Lage sind, aus zwei Halbmonden einen Vollmond zu machen.

Jens Wistoft, Regionsratspolitiker (Venstre) aus Krusau:

Man kann sicherlich einiges Kritisches über die Grenzkontrollen sagen, aber ich glaube nicht, dass jemand so etwas aus Spaß einführt. Deutschland hatte seit vielen Jahren keine systematischen Einreisekontrollen, es gab nur Stichproben. Die Entscheidung wird daher wahrscheinlich gut begründet und gerechtfertigt sein. Für uns, die im Grenzgebiet leben, ist es natürlich sehr bedauerlich, dass es nun noch mehr Kontrollen geben soll. Aber leider leben wir in einem Europa, das von Unruhen, Kriegen und Menschen, die uns nicht wohlgesonnen sind, geprägt ist. 

Jens Wistoft (Venstre) zeigt Verständnis für die wieder eingeführten Grenzkontrollen, auch wenn sie für die Menschen im Grenzgebiet bedauerlich seien (Archivbild). Foto: Karin Riggelsen

Ich habe deshalb Verständnis für diese Maßnahme und sehe sie nicht als Versuch, jemanden zu belästigen, aber es ist genauso klar, dass wir hier vor Ort stark davon betroffen sein werden, dass es sowohl in Dänemark als auch in Deutschland Einreisekontrollen gibt. Das bedeutet längere Reisezeiten für diejenigen von uns, die die Grenze täglich oder sehr häufig überqueren müssen. Ich hoffe deshalb, dass man an die Menschen im Grenzland denkt und sicherstellt, dass genug Personal zur Verfügung steht, um die Grenzpassagen so reibungslos wie möglich zu gestalten, damit die Unannehmlichkeiten so gering wie möglich bleiben.

Stefan Seidler, der Flensburger Bundestagsabgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW):

Noch vor zwei Monaten sagte Bundesinnenministerin Faeser selbst, dass die gravierenden Folgen für Pendelnde, Reisende, Handel und Wirtschaft nicht zu rechtfertigen seien. Das scheint nun vom Tisch zu sein. Inhaltlich hat sich die Ministerin ordentlich die Butter vom Brot nehmen lassen. Dabei sagen selbst unsere Beamtinnen und Beamten und die GdP, dass Grenzkontrollen auf Dauer nicht tragbar sind. 

Stefan Seidler (SSW) kritisiert, dass statt moderner grenzüberschreitender Zusammenarbeit nun veraltete, stationäre Kontrollen finanziert werden, und bezeichnet den Beschluss als Symbolpolitik (Archivbild). Foto: Kay Nietfeld/AP/Ritzau Scanpix

Moderne Kontrollen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind möglich, doch dafür gibt es kein Geld. Davon konnte ich mich erneut vergangene Woche beim Besuch des gemeinsamen deutsch-dänischen Polizei-Zentrums überzeugen. Stattdessen gehen unsere knappen Mittel nun für die altertümlichen stationären Kontrollen drauf. Zielgerichtet und zukunftsorientiert sieht anders aus. Diese Symbolpolitik bringt den Leuten bei uns in Grenzland nichts. Sie werden lediglich das Alltagsleben der Menschen erschweren. Wir sollten uns wieder auf das europäische Zusammenleben besinnen und zurück zu Schengen kehren.

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Leitartikel

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Die Zeit der offenen Grenzen ist endgültig vorbei“