Krieg in Nahost

USA erhöhen Druck auf Hamas und Israel

USA erhöhen Druck auf Hamas und Israel

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dpa
Washington/Gaza
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In einer ersten Reaktion erklärte die Hamas, man sehe die von US-Präsident Joe Biden vorgebrachten Absichten positiv, besonders das Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands. Foto: Enas Rami/AP/dpa

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Die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza stocken. Jetzt macht US-Präsident Biden ein neues Angebot Israels publik - und übt so Druck auf beide Kriegsparteien aus. Die News im Überblick.

US-Präsident Joe Biden hat mit der überraschenden Bekanntmachung eines von Israel akzeptierten Vorschlags für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg den Verbündeten in die Pflicht genommen und zugleich den Druck auf die islamistische Hamas deutlich erhöht. «Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden», sagte Biden im Weißen Haus in Washington.

«Israel hat seinen Vorschlag gemacht. Die Hamas sagt, sie wolle einen Waffenstillstand. Dieser Deal ist eine Gelegenheit zu beweisen, ob sie es wirklich ernst meinen», sagte Biden. «Die Hamas muss das Angebot annehmen.»

In einer ersten Reaktion erklärten die Islamisten, man sehe die von Biden vorgebrachten Absichten positiv, besonders das Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands. «Wenn die Hamas den Vorschlag ablehnt, wird die Regierung Biden dies nutzen, um zu argumentieren, dass sie alles getan hat, um einen Waffenstillstand zu erreichen, und dass die Hamas für die Fortsetzung der Gewalt verantwortlich ist», kommentierte Jonathan Panikoff von der US-Denkfabrik Atlantic Council Bidens Rede gegenüber der US-Zeitung «Wall Street Journal».

Israels Regierungschef bekräftigt Kriegsziele

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte unterdessen nach Angaben seines Büros, der vorgeschlagene Plan ermögliche seinem Land, den Grundsatz einzuhalten, dass der Krieg erst beendet wird, wenn alle Ziele erreicht seien. Dazu gehöre die Zerstörung der Hamas. Die USA und Bidens Rede fanden in der knappen Mitteilung keine Erwähnung.

«Ich weiß, dass es in Israel einige gibt, die mit diesem Plan nicht einverstanden sind und eine Fortsetzung des Krieges auf unbestimmte Zeit fordern werden», hatte Biden zuvor gesagt. «Ich habe die israelische Führung aufgerufen, hinter diesem Deal zu stehen.» Israel brauche keine Angst mehr um seine Sicherheit zu haben.

Nach mehreren Monaten Krieg sei die Hamas nicht mehr in der Lage, ein weiteres Massaker wie am 7. Oktober anzurichten. Ein unbegrenzter Krieg mit dem Ziel eines nicht näher definierten «totalen Sieges» über die Hamas - eine Phrase, die von Netanjahu oft wiederholt wird - werde Israel in Gaza nur festsetzen und die internationale Isolation des Landes verstärken, so Biden. Auch werde dies die Geiseln nicht nach Hause und Israel keine dauerhafte Sicherheit bringen.

Wiederöffnung des Rafah-Übergangs?

Vertreter aus Ägypten, den USA und Israel wollen nach ägyptischen Informationen morgen über die Wiederöffnung des Grenzübergangs in Rafah zum Gazastreifen beraten. Der staatsnahe ägyptische TV-Sender Al-Kahira News berichtete unter Berufung auf eine hochrangige, nicht näher genannte Quelle, dass ein entsprechendes Treffen in Kairo stattfinden werde.

Der Sender berichtete, Ägypten vertrete weiterhin die Position, den Grenzübergang erst dann wiederzueröffnen, wenn sich das israelische Militär vollständig von dort zurückziehe. Zudem gebe es angesichts der jüngsten US-Initiative «intensive ägyptische Bemühungen», um ein Abkommen für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg voranzutreiben.

Zuvor hatte es in israelischen Medien Berichte über eine Wiederöffnung des Grenzübergangs gegeben. Ägypten hatte diese jedoch als falsch zurückgewiesen. Der Grenzübergang nach Ägypten in der Stadt im Süden des Küstengebiets war vor gut drei Wochen nach der Übernahme der palästinensischen Seite durch Israels Armee geschlossen worden.

Libanon: Ein Toter und mehrere Verletzte bei israelischen Angriffen

Bei israelischen Luftangriffen im Libanon wurde nach libanesischen Angaben eine Person getötet. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtet, dass es bei den Angriffen auf verschiedene Orte im Südlibanon in der Nacht auch Verletzte gegeben habe. Ein Gebäude in Adlun sei zerstört worden. Dutzende weitere seien beschädigt worden, heißt es. Darüber hinaus habe es auch einen Angriff auf ein Motorrad nahe Madschdal Selm gegeben, wie NNA berichtet. Dabei soll es zwei Verletzte gegeben haben. Laut Israels Armee soll es sich bei den beiden um Mitglieder der proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah handeln.

Das israelische Militär teilte mit, als Reaktion auf vorige Abschüsse in Richtung Nordisrael in der Nacht Hisbollah-Ziele unter anderem in den Gegenden um Adlun, Kana und Hmaileh angegriffen zu haben. Außerdem seien mehrere Stellungen der mit der Hamas im Gazastreifen und dem Iran verbündeten Schiitenorganisation attackiert worden, die zuvor Raketen auf Israel abgeschossen habe.

Die Hisbollah reklamierte zudem Angriffe auf Nordisrael für sich. Als Antwort auf den Angriff auf das Motorrad erklärte die Miliz, Angriffsdrohnen auf Ziele des israelischen Militärs bei Yiftach im Norden Israels abgefeuert zu haben.

Baerbock spricht von Hoffnungsschimmer

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schrieb auf der Plattform X: «Das israelische Angebot, das US-Präsident Biden heute erläutert und bekräftigt hat, ist ein Hoffnungsschimmer und kann einen Weg aus der Sackgasse des Krieges weisen». Die Hamas müsse jetzt beweisen, dass sie den Konflikt beenden wolle.

Ähnlich äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres. «Der Generalsekretär hofft sehr darauf, dass das zu einer Übereinstimmung der Beteiligten für einen anhaltenden Frieden führen wird», erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric.

Der von Biden überraschend präsentierte Plan enthält drei Phasen: Die erste sieht eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten in Gaza vor. Es würde zunächst eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen - darunter Frauen, Ältere und Verletzte.

Im Gegenzug würden Hunderte Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenden Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase würde ein Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

US-Regierung macht Druck auf beide Konfliktparteien

Israel habe unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens dem neuen Entwurf zugestimmt, der vergangenen Donnerstag an die Hamas übermittelt worden sei, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. Man habe es für wichtig gehalten, die Details publik zu machen, da die Vorschläge sonst öffentlich anders dargestellt würden von Gegnern eines Deals.

Er sei in mühevoller Kleinarbeit ausgearbeitet worden, «und er ist fast identisch mit dem, was die Hamas selbst vor ein paar Wochen vorgeschlagen hat», erklärte der Regierungsvertreter. Seit Wochen vermitteln die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas, um eine Freilassung der restlichen Geiseln und eine Feuerpause in dem Konflikt zu erreichen.

Bislang führten die Gespräche nicht zum Erfolg. Die Hamas hatte zunächst gesagt, Voraussetzung für die Geiselfreilassung sei ein Ende des Krieges. Israel lehnt das bisher ab. Bidens Strategie bestehe darin, Israel und die Hamas dazu zu bringen, sich auf ein Waffenstillstandsabkommen zu einigen, das die Dynamik auf dem Schlachtfeld brechen und den Krieg beenden könnte, sagte Aaron David Miller, Senior Fellow bei der Carnegie-Stiftung, dem «Wall Street Journal».

«Ob die Israelis das glauben werden, ist eine andere Frage.» Netanjahu meine wahrscheinlich, dass er den Krieg nach der ersten Phase fortsetzen könne - oder rechne damit, dass die Hamas das Abkommen von vornherein ablehne, sagte Miller.

Der britische Außenminister David Cameron schrieb kurz nach Bidens Ansprache auf X: «Lasst uns diesen Moment nutzen und den Konflikt zu einem Ende bringen.» Er forderte die Hamas auf, den neuen Vorschlag anzunehmen. Ein Ende der Kämpfe könne in einen dauerhaften Frieden münden, wenn alle zu den richtigen Schritten bereit seien, so Cameron.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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