Museumsberg Flensburg

Wie ein Klo in die aktuelle Ausstellung kam

Wie ein Klo in die aktuelle Ausstellung kam

Wie ein Klo in die aktuelle Ausstellung kam

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Kurator und Museumsdirektor Michael Fuhr freut sich nicht nur über diesen Fund im Depot für die neue Ausstellung. Das Ölgemälde von 1888 stammt von Valentin Ruths und zeigt den „Feuersee“ auf Hawaii. Foto: Staudt

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Der eine oder andere Sensationsfund in der neuen Ausstellung „True Colours“ auf dem Museumsberg Flensburg ist dabei.

Gelbe Narzissen, rote Tulpen und violette Blaukissen an Friesenwällen recken sich dieser Tage der Sonne und dem blauen Himmel entgegen – besser könnte der Zeitpunkt für die Eröffnung der neuen Ausstellung „True Colours“ auf dem Museumsberg Flensburg nicht sein. Zwar ohne Pomp und Vernissage, dafür am ersten Tag bei freiem Eintritt öffnet sie am Sonntag, 25. April, im Hans-Christiansen-Haus.

Das blaue Frühlingsband flattert nicht direkt wie im Vers des Lyrikers Mörike, aber das gedruckte Gedicht ziert den Boden des ersten Wasserklosetts von Flensburg. Diese kleine Frechheit hat sich Museumsdirektor und Kurator Michael Fuhr für dieses sensationelle Objekt im Raum zur Farbe Blau erlaubt.

Flensburgs erstes Wasserklosett von 1869

Er erklärt, was es damit auf sich hat: Die Toilettenschüssel stammt von 1869 und war im Fabrikantenhaus in der Großen Straße 77 verbaut worden. Der Denkmalschutz habe sie dem Museum überlassen nach der Restaurierung des Backsteinbaus. Die blauen Landschaftsmotive zieren, staunt Fuhr, das Innere der Schüssel, die in der Fabrik Thomas Twyford in England hergestellt wurde.

Nur neun Jahre zuvor war in Deutschland überhaupt das erste Wasserklosett ebenfalls englischer Fabrikation importiert worden, und zwar für das Schloss in Coburg und eigens für Queen Victoria, die dort oft zu Gast war.

Die Künstlerin Gagel aus Pinneberg, die für den Raum Violett tätig wurde, hält der Kurator für eine der interessantesten derzeit. Foto: Staudt

Das ist längst nicht der einzige Sensationsfund, den Fuhr mit der Ausstellung präsentiert, die zunächst den Arbeitstitel „Regenbogen“ trug. Ein halbes Jahr lang habe er das Depot durchgegraben, erzählt der Museumschef. Die Pandemie mit ihren Lockdown-Phasen erschwert unter anderem die Transporte der Leihgaben. Da lag der Blick in die eigenen Bestände nahe. Und Fuhr stellte wieder einmal fest: „Das ist ein Schatz, auf dem wir hier sitzen.“

Einer davon hat eine Geschichte „eines medialen Ereignisses“, berichtet der Kurator im Raum Orange. Vor ebenso gefärbter Wand brennt „Der Feuersee im Kilauea Krater auf Hawaii“ von 1888. Valentin Ruths, „nicht der bekannteste Künstler“, habe es allein auf der Grundlage von Erzählungen und Bildern eines befreundeten Arztes gemalt, der auf Hawaii über Lepra geforscht hatte. Das Motiv hatte noch nie jemand gewählt und sei ihm so gut gelungen, dass das monumentale Werk gegen Eintritt gezeigt wurde.

Schätze aus dem Depot und Auftragsarbeiten

Die aktuelle Ausstellung „True Colours“ kommt völlig ohne Leihgaben aus und beinhaltet viele Werke hiesiger Künstler wie von Elsbeth Arlt („Einfach rot“), der Flensburgerin Lilly Kröhnert (Günter Grass‘ Kunstlehrerin) und von Christian Ristau („Sound of Silence“).

Die Schau zeigt neben Schätzen aus dem Depot zudem in Auftrag gegebene Werke dreier regionaler Künstlerinnen. Eine davon nennt sich Gagel und kommt aus Pinneberg. Michael Fuhr hat sie unter anderem für einen Beitrag im Raum Violett engagiert, wo nun Selbstportraits als Akt fotografiert, auf Satin gedruckt und mit Maschine bestickt zu bewundern sind. Der Museumsleiter hält Gagel für eine der interessantesten Künstlerinnen des Landes derzeit und beschreibt sie als feministisch, „frech, aber reflektiert“. Perfekt für Lila!

Über dieses Plakat wurde im Hause Fuhr heftig diskutiert. Foto: Staudt

Das handsignierte Plakat von Timm Ulrichs, der 1975 mit Blindenstock, gelber Armbinde und Schriftzug „Ich kann keine Kunst mehr sehen!“ über die Art Cologne ging, sorgte im Privathause Fuhr für Diskussionen. Seine 20-jährige Tochter fand, so erzählt der Museumsleiter, man könne es nicht zeigen.

Er ist da anderer Meinung und kann sie begründen. Das macht er auch, denn er habe festgestellt, dass man das Kunstplakat nicht unkommentiert aufhängen sollte. Die Protestaktion Ulrichs‘ richtete sich gegen die Kommerzialisierung der Kunst, erläutert Fuhr und nennt als seine Aufgabe, die Kunst in Zusammenhänge zu stellen: „Man kann alles zeigen, man muss es nur kontextualisieren.“

In jedem einzelnen Raum – Violett, Blau, Gelb, Orange, Rot und Grün (Treppenhaus) – gibt es zudem Fakten über die jeweilige Farbe des Regenbogens zu lesen. Gelb beispielsweise hat sich demnach von einer schlecht beleumundeten Symbolfarbe als Signal für die Pest oder Bestandteil der niederländischen Redewendung für „lügen“ zur Farbe des Kaisers von China gemausert, was den Wendepunkt darstellte zum guten Gelb. Der Museumsflur gehört wiederum dem Regenbogen.

Audio-Guide mit Literatur und Musik sowie Hit-Glücksrad

Die Kunst kann man schließlich auch hören: Mit dem Audio-Guide „versuchen wir die Besucher in jedem Raum in eine bestimmte Stimmung zu versetzen“, sagt Michael Fuhr. Zur Farbe Gelb etwa liest Stefanie Oeding unter anderem aus van Goghs Tagebuch und erklingt extra hierfür komponierte Musik des Flensburger Duos PaBaMeTo. Mittels Smartphone und QR-Code lassen sich ebenso am Glücksrad bunte Evergreens von Blues bis Pop abspielen – „True Colours“ von Cindy Lauper lässt grüßen.

Themenwochen zu den einzelnen Farben, Draußen-Kunstkurse, Lesungen und Konzerte, unter anderem mit Martin Wind und Katharina Pütter sowie Hengameh Yaghoobifarah folgen ab Juni. Geöffnet ist die Ausstellung dienstags bis sonntags von 11.30 bis 17 Uhr.

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