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Moorschutz in SH: Hälfte der Zertifikate ist weg

Moorschutz in SH: Hälfte der Zertifikate ist weg

Moorschutz in SH: Hälfte der Zertifikate ist weg

Kay Müller/shz.de
Christiansholm
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Vernässt die Moore: Gerrit Werhahn. Foto: Michael Staudt

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Immer mehr Unternehmen wollen ihr Klima-Image verbessern und geben Geld für die Vernässung von Mooren.

Gerrit Werhahn kniet da, wo die Welt für ihn in Ordnung ist. „Das ist eine Badewanne, die das ganze Jahr in Betrieb ist“, sagt der Projektmanager. Denn um Werhahn herum ist es vor allem eins: nass. Und das soll auch so sein, denn Werhahn kümmert sich um die Wiedervernässung von Mooren, wie dem 68 Hektar großen Teil des Königsmoors bei Christiansholm (Kreis Rendsburg-Eckernförde), in dem er erklärt, was das Besondere an Moor-Future-Zertifikaten ist, die die Stiftung Naturschutz für das Projekt verkauft.

„Jeder kann etwas zur Reduktion der Treibhausgase beitragen.“ Bürger können im Netz (siehe Kasten) ermitteln, wieviel CO2 sie produzieren. „Und jeder kann dafür einen Ausgleich schaffen, indem er ein Zertifikat erwirbt, das es in Schleswig-Holstein nur bei uns gibt“, sagt Stiftungssprecherin, Karen Marggraf (Foto). 64 Euro kostet ein Zertifikat, das einer Tonne CO2 entspricht. Wer so ein Zertifikat erwirbt, könne sicher sein, dass die Stiftung dafür so viel CO2 bindet.

Moor Futures-Zertifikat gibt es nur noch in Schleswig-Holstein. Foto: Michael Staudt

„Dabei ist die Stiftung in Vorleistung gegangen und hat 68 Hektar hier im Königsmoor vernässt“, sagt Marggraf. Dafür stehen 39520 Zertifikate zur Verfügung, die in den nächsten 50 Jahren mindestens 40000 Tonnen CO2 binden sollen. „Vermutlich werden es deutlich mehr, weil durch die entstehende Vegetation noch mehr Kohlendioxid gespeichert wird“, sagt Werhahn. Gerade habe ein aktuelles Gutachten gezeigt, dass der Plan der Stiftung aufgeht und sogar acht Prozent mehr Treibhausgas gebunden wird als Werhahn zu Anfang prognostiziert hat.

Noch 20000 Zertifikat hat Karen Marggraf im Angebot. Foto: Michael Staudt

Drei Prozent der gesamten Fläche auf dem Globus sind Moore. Der Torf darin bindet mehr CO2 als alle Wälder auf der Welt zusammen. Wenn Moore allerdings trockengelegt werden, gibt der Boden den gebundenen Kohlenstoff wieder an die Atmosphäre ab. Deshalb sei es so wichtig, die Moore wieder zu vernässen, sagt Marggraf und deutet auf die Stellen des Königsmoors, an denen sich schon Regenwasser gesammelt hat.

Nachfrage ist stark gestiegen

Die Nachfrage nach den Zertifikaten ist groß. Als das Projekt vor fünf Jahren startete, verkaufte die Agentur nur rund 500 Zertifikate pro Jahr. 2019 waren es schon 3000, vergangenes Jahr fast 7000 und im laufenden Jahr seien es schon 8200, sagt Marggraf. „Das zeigt, dass es immer mehr Interesse daran gibt.“ Es sei auch möglich Halb- oder Viertel-Zertifikate zu kaufen. „Die kann man etwa zu Weihnachten verschenken“, sagt Marggraf. Auch Privatpersonen können Zertifikate kaufen, das seien etwa ein Viertel aller Kunden. Der überwiegende Teil seien aber Unternehmen, die etwas für ihre Klimabilanz tun wollen. Denn das verbessert das Image.

Engagieren sich für den Klimaschutz: Thomas Gaude (l.) von den Nord Stadtwerken hat schon 300 Zertifikate gekauft - und Projektleiter Gerrit Werhahn hofft, dass es noch mehr werden. Foto: Michael Staudt

Einer der längsten Unterstützer der Moor-Futures sind die Nord Stadtwerke, deren Geschäftsführer Thomas Gaude mit ins Königsmoor gekommen ist. Mit Greenwashing habe sein Engagement für die Moore nichts zu tun, versichert er. „Wir haben sowieso nur Ökostrom im Angebot.“ Aber der Kauf von rund 100 Zertifikaten pro Jahr sei ein zusätzlicher Beitrag zum Klimaschutz. Sein Unternehmen engagiere sich auch bei Aufforstungsprojekten, aber die Moor-Zertifikate seien eben einmalig. Zudem können man regional sehen, was mit dem Geld passiere – ein Vorteil gegenüber Maßnahmen in anderen Ländern. 

Wir sind dabei, die nächste Fläche zu planen, damit das Projekt weitergehen kann.

Gerrit Werhahn, Projektleiter

Das hat sich offenbar herumgesprochen. Mittlerweile kämen drei Viertel der Käufer nicht mehr aus Schleswig-Holstein, sagt Marggraf. Denn in Bundesländern wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern habe es zwar auch Moor-Future-Zertifikate gegeben, aber die seien mittlerweile ausverkauft. Auch im Königsmoor ist die Hälfte aller Zertifikate nach fünf Jahren weg. „Wir sind dabei, die nächste Fläche zu planen, damit das Projekt weitergehen kann“, sagt Werhahn und geht ein paar Schritte aus dem Moor heraus auf den Damm, der es begrenzt.

Dort steht Ralf Tiessen und macht Fotos. Der Bürgermeister der Gemeinde Christiansholm weiß noch wie es war, als die Flächen landwirtschaftlich genutzt wurden. „Die Leute haben alles versucht, um das hier trocken zu legen und landwirtschaftlich nutzbar zu machen.“ Erst in den 60er-Jahren sei das halbwegs gelungen. „Doch die Landwirte mussten schnell erkennen, dass man die Flächen immer tiefer und weiter entwässern musste – das hat irgendwann keinen Sinn mehr gemacht.“

Die Hälfte des Königsmoors gehört der Stiftung Naturschutz

Mittlerweile seien die Menschen in der Region froh, dass die Stiftung Naturschutz sich vieler Flächen angenommen habe – rund die Hälfte des 1200 Hektar großen Königsmoors sei schon in deren Besitz, erklärt Tiessen. Er guckt auf seine Kamera und sagt dann: „Ist schon komisch: Erst versuchen die Menschen mit viel Geld und Mühe das Moor zu entwässern und jetzt geht es genau anders herum. Vermutlich hätte man sich den ganzen Aufwand einfach sparen – und das Klima schon damals besser schützen können.“

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