Bahnverkehr in SH

Wo der Zug schneller ist als das Auto – und wo nicht

Wo der Zug schneller ist als das Auto – und wo nicht

Wo der Zug schneller ist als das Auto – und wo nicht

Henning Baethge/shz.de
Kiel
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Zwischen welchen Städten in Schleswig-Holstein ist die Bahn schneller? Und wo das Auto? Das haben Fachleute im Auftrag des Landes ermittelt. Foto: dpa

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Ein Gutachten belegt große Schwächen im Ost-West-Verkehr auf Schleswig-Holsteins Gleisen – und empfiehlt neue Bahnlinien.

Zwischen Schleswig und Eckernförde liegen nur 20 Kilometer Luftlinie – doch wer unbedingt mal mit der Bahn von der einen in die andere Stadt fahren möchte, braucht viel Geduld: Weil stets ein weiter Umweg über Kiel oder Flensburg nötig ist, dauert eine Fahrt mit dem Zug sage und schreibe anderthalb Stunden. Mit dem Auto benötigt man dagegen von Bahnhof zu Bahnhof nicht mal eine halbe Stunde, mit dem Bus etwas mehr als eine halbe. Kein Wunder daher, dass der Schienenverkehr zwischen beiden Städten überhaupt keine Rolle spielt.

Die Ost-West-Strecken haben meistens nur ein Gleis

Zugegeben, das Beispiel ist extrem – doch es illustriert ein grundsätzliches Problem des Bahnnetzes in Schleswig-Holstein: Es hat eine ausgeprägte Ost-West-Schwäche. Während in Nord-Süd-Richtung mehrere gute Verbindungen existieren und die Züge nicht selten schneller sind als die Autos, gibt es nur wenige Ost-West-Linien. Und die haben meist nur ein Gleis und sind auch deshalb fast immer langsamer als die Verbindung im Straßennetz – obwohl das hierzulande zwischen Osten und Westen auch nicht besonders gut ausgebaut ist.

Deutlich wird der Gegensatz in einem neuen „Gutachten zur Optimierung des Schienenverkehrs in Schleswig-Holstein“, das der Kieler Verkehrsminister Bernd Buchholz in Auftrag gegeben hat. Darin hat die Hannoveraner Ingenieurgesellschaft für Verkehrs- und Eisenbahnwesen für Verbindungen zwischen größeren Städten im Land ermittelt, wo die Bahn schneller ist als das Auto und wo nicht. Die Fachleute haben dazu an einem Werktag jeweils Hin- und Rückfahrten zu verschiedenen Zeiten untersucht – und dann den Mittelwert gebildet. Zentrales Ergebnis: Auf den Hauptlinien von Hamburg nach Kiel, Flensburg oder Lübeck sind die Züge mehr als eine Konkurrenz für das Auto, sonst kaum.

Auf den Hauptstrecken ist die Bahn oft viel schneller als das Auto

So braucht man zwischen Neumünster und Elmshorn, Rendsburg und Schleswig oder Bad Oldesloe und Ahrensburg per Bahn nur ungefähr halb so viel Zeit wie mit dem Auto. Zwischen anderen Städten auf diesen Hauptstrecken gehen die Reisen immerhin noch zwischen zehn und 30 Prozent schneller. Allerdings gelten die Angaben im Gutachten stets nur für die Fahrt von Bahnhof zu Bahnhof, also in der Regel von Zentrum zu Zentrum. Liegen dagegen Start oder Ziel oder beides im Außenbereich, schwindet der Wettbewerbsvorteil der Bahn.

Foto: Grafik Can Yalim

Sogar einen erheblichen Wettbewerbsnachteil hat die Bahn auf vielen Ost-West-Verbindungen – auch zwischen größeren Städten. So braucht man etwa zwischen Rendsburg und Eckernförde mit dem Zug zweieinhalbmal so lange wie mit dem Auto. Gleiches gilt zum Beispiel für Fahrten zwischen Norderstedt und Bad Oldesloe oder Itzehoe und Kaltenkirchen.

Überhaupt sind Norderstedt und Kaltenkirchen besonders schlecht an den Zugverkehr in Schleswig-Holstein angebunden: Fast zu jedem Ziel dauert es mindestens doppelt so lange wie mit dem Auto. Schlechter hat es von den größeren Städten im Land nur noch die 30.000-Einwohner-Stadt Geesthacht getroffen, die gar keinen Bahnanschluss hat.

Fachleute empfehlen Reaktivierung von vier Strecken

Nicht nur das soll sich allerdings nach dem Rat der Gutachter ändern. Um den klimafreundlichen Bahnverkehr bis 2035 gegenüber dem Auto zu stärken, empfehlen sie etliche Ausbaumaßnahmen für das Schienennetz. So wollen sie zur „Stärkung der Ost-West-Achse“ die Strecken Flensburg-Niebüll und Neumünster-Ascheberg wiedereröffnen. Geesthacht soll an Bergedorf angebunden und auch die Linie Tornesch-Uetersen reaktiviert werden. Die Strecke Bad Oldesloe-Neumünster soll zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden.

Auch von Kiel nach Preetz und nach Eckernförde soll ein zweites Gleis gelegt werden, zwischen Elmshorn und Pinneberg sogar ein drittes und viertes nur für die S-Bahn. Kaltenkirchen wird laut aktuellen Plänen des Landes ohnehin bald an die S21 angeschlossen. Und für die Strecken Kiel-Schönberg, Wrist-Kellinghusen und Rendsburg-Seemühlen plant das Land bereits eine Wiedereröffnung.

Foto: Grafik Can Yalim

Welche der nun zusätzlich empfohlenen Maßnahmen es schon in den neuen Landesweiten Nahverkehrsplan schaffen werden, den der Kieler Verkehrsminister Bernd Buchholz dieses Jahr vorlegen will, ist noch offen. Buchholz‘ Staatssekretär und FDP-Parteifreund Thilo Rohlfs warnt vor allzu großen Erwartungen: „Das Gutachten hat eine relativ hohe Flughöhe, der Prognosehorizont ist 2035 – der Nahverkehrsplan gilt dagegen nur für fünf Jahre“, sagt er. Das Land wolle erst mal prüfen, „welche Projekte je eingesetztem Euro die meisten zusätzlichen Personenkilometer erzielen“. 

Das Gutachten hat eine relativ hohe Flughöhe, der Prognosehorizont ist 2035 – der Nahverkehrsplan gilt dagegen nur für fünf Jahre.

Thilo Rohlfs, Staatssekretär im Kieler Verkehrsministerium

Fest steht aber schon, dass sich an der unbrauchbaren Zugverbindung zwischen Schleswig und Eckernförde nichts verbessern wird – im Gegenteil: Weil sich durch die Vorschläge im Gutachten die Umsteigezeit in Kiel oder Flensburg etwas verlängern würden, ginge es mit dem Zug künftig sogar noch langsamer. Bus oder Auto heißt hier also weiterhin die einzig sinnvolle Alternative. 

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