Corona-Langzeitfolgen

Wyker Klinik bietet Reha-Programm für Covid-19-Patienten an

Wyker Klinik bietet Reha-Programm für Covid-19-Patienten an

Wyker Klinik bietet Reha-Programm für Covid-19-Patienten an

Petra Kölschbach/shz.de
Wyk/Föhr
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Die Klinik liegt direkt am Meer. Deshalb finden viele Therapien am Strand statt. Foto: Nordseeklinik Westfalen

Nach einer Corona-Infektion leiden etliche Menschen unter vielfältigen Symptomen. Sie werden in Wyk gezielt behandelt.

Genau ein Jahr ist es jetzt her, dass in Deutschland die ersten Covid-19-Fälle auftraten, inzwischen haben hier bereits über zwei Millionen Menschen eine Corona-Infektion durchgemacht, über 60.000 sind verstorben. Immer mehr finden Forscher über das neue Virus heraus und mittlerweile ist klar: Viele Patienten haben noch lange, nachdem sie die akute Infektion überstanden haben, an  den Folgen der tückischen Krankheit zu leiden. Viele von ihnen kommen alleine nicht mehr auf die Beine, müssen sich in Rehakliniken zurück ins Leben kämpfen.

Eine der bisher noch wenigen Kliniken, die in Deutschland Reha-Maßnahmen für Corona-Patienten anbieten, ist die Nordseeklinik Westfalen in Wyk. „Coronach“ heißt das speziell auf diese Menschen abgestimmte  Therapieprogramm, mit dem die Wyker jetzt an den Start gegangen sind, nachdem sie in den zurückliegenden Monaten bereits einige Erfahrungen mit Covid-Patienten sammeln konnten.

Die ersten Patienten kamen schon im Sommer

Die direkt am Strand gelegene Klinik Westfalen hat sich vor allem auf die Behandlung von Lungen- und Atemwegserkrankungen spezialisiert. Und schon recht bald, nachdem das Virus in Deutschland aufgetaucht war, seien in die Wyker Klinik die ersten Patienten gekommen, die eine Corona-Infektion durchgemacht hatten, berichten die Klinik-Geschäftsführer Dr. Ralf J. und Sabine Jochheim. Das seien Patienten gewesen, die wegen einer Lungenerkrankung eine Reha machen wollten und in der Zeit zwischen dem Rehanatrag und der Anreise nach Föhr an Covid 19 erkrankt waren. Über 40 solcher Menschen seien seit dem vergangenen Sommer behandelt worden. Dadurch habe die Klinik schon Erfahrungen sammeln können, die in das Behandlungskonzept eingeflossen seien, mit dem sie jetzt ganz offiziell an den Start gegangen ist.

Manche Covid-Patienten trifft nach Monaten der Hammer.

Dr. Ralf J. Jochheim, Klinik-Chef

Ein Konzept, das auf die Behandlung vielfältiger Beschwerden und Krankheitsverläufe ausgelegt ist.  Es gebe Patienten, die lange beatmet wurden, dann aber schnell wieder auf die Beine kamen, und andere, die  nur ganz leicht erkrankt waren,  glaubten, sie seien wieder kerngesund,  „und dann trifft sie nach Monaten der Hammer“, so Ralf Jochheim. „Post-Covid-Syndrom“ werden diese Zustände in Deutschland genannt, das in anderen Ländern gebräuchliche „Long Covid“ hält Sabine Jochheim aber für deutlich zutreffender, denn viele Patienten würden lange unter den Folgen der Erkrankung leiden.

Bleibende Schäden an der Lunge

Und die haben es in sich. So gebe es Patienten, bei denen die Corona-Infektion zu Verwachsungen und Vernarbungen in der Lunge geführt habe,  die sich nicht mehr zurückbilden könnten. Hier sei das Therapieziel, die Lebensqualität zu steigern. Neben der Schädigung der Lunge gebe es weitere körperliche Einschränkungen wie Muskelschwäche, chronische Müdigkeit, Schlafstörungen und massive Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Alle Beatmungspatienten haben Traumata.

Sabine Jochheim, Klinik-Chefin

Viele Patienten hätten auch neurologische Symptome wie den Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn oder kognitive Einschränkungen, hätten beispielsweise keine Zeitlinie mehr, könnten in ihrem Tagesablauf keine Prioritäten mehr setzen. „Die bekommen mit, dass sie das nicht können und kommen aus ihrem Kokon nicht raus“, weiß Sabine Jochheim, die auch dem Psychologenteam der Klinik angehört.  „Und alle Beatmungspatienten haben Traumata“, berichtet sie. Diese Menschen müssten mit der Erfahrung fertig werden,  teilweise über Wochen ausgeliefert, nicht mehr Herr über ihre Sinne und ihren Körper gewesen zu sein. „Bei vielen führt das zu posttraumatischen Belastungsstörungen“,   hat Sabine Jochheim beobachtet.  Und auch bei Patienten, die nicht intensivmedizinisch behandelt oder beatmet wurden, gebe es viele Sorgen und Ängste,  sie treibe die Frage um, wie sie sich angesteckt haben, ob sie nicht gut  genug auf sich aufgepasst haben und auch die Angst, sich erneut infizieren zu können. „Mit bewährten Therapiemethoden und Empathie versuchen wir, diesen Menschen zu helfen“, sagt Sabine Jochheim. Darüber hinaus sei es wichtig und heilsam, dass die Covid-Patienten in der Klinik die Möglichkeit hätten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. 

Bewegungstherapie am Strand tut Körper und Seele gut. Foto: Nordseeklinik Westfalen

Dabei habe sich, so berichten beide Jochheims, schon jetzt gezeigt, dass die übliche Rehadauer von drei Wochen bei vielen Corona-Patienten nicht ausreiche. „Wir hatten Patienten, die für drei Wochen kamen, um zwei weitere verlängern konnten und sich in dieser Zeit  so gut erholt hatten, dass sie wieder arbeiten konnten“, berichtet Ralf Jochheim. Dabei sind die Therapien, die im Rahmen von „Coronach“ angeboten werden, so vielfältig, wie die Krankheitssymptome, unter denen die Patienten leiden. Nach einer umfangreichen Diagnostik gehören neben mentalem Training,  Ernährungstherapie oder Geruchs- und Geschmackstraining   auch Bewegungs-, Physio- und Atemphysiotherapie zum Konzept. Und auch die gute Föhrer Luft  machen sich die Therapeuten zu Nutze: Etliche Bewegungsangebote finden am Wyker Strand statt, der unmittelbar vor der Klinik liegt.

Klinik-Geschäftsführer Dr. Ralf J. Jochheim präsentiert das Therapie-Konzept. Foto: Nordseeklinik Westfalen

Ralf und Sabine Jochheim und ihr Team wollen nun ab März für ein halbes Jahr Daten sammeln, um  den Versicherungen aufzuzeigen, was den Long-Covid-Patienten hilft und wie lange sie brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. „Unser Ansatz ist, aufzuzeigen was geht, wenn die Patienten genug Zeit haben“, sagt Ralf Jochheim. „Wir haben Einzelfälle gesehen, die zeigen, dass man in fünf, sechs Wochen was machen kann.“

„Wir sammeln Erfahrungen und wollen darüber reden, denn das Thema wird uns weiter begleiten“, ergänzt Sabine Jochheim.

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