Corona-Maßnahmen

„Gefahr des Verschluckens“: Ministerium warnt vor Lolli-Test

„Gefahr des Verschluckens“: Ministerium warnt vor Lolli-Test

„Gefahr des Verschluckens“: Ministerium warnt vor Lolli-Test

Ove Jensen/shz.de
Flensburg
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Die Stadt Flensburg hat 30.000 Lolli-Tests für den Einsatz in Kindertagesstätten angeschafft. Foto: Michael Reichel

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Die Stadtverwaltung hält an der Absicht fest, die Corona-Lollitests einzusetzen. Der SSW spricht von Geldverschwendung.

Der Start vor einer Woche war medienwirksam inszeniert: Oberbürgermeisterin Simone Lange persönlich übergab die ersten Testkits an die „Kita am Ostseebad“. Insgesamt hatte die Stadt 30.000 Lolli-Tests angeschafft, mit denen auch kleine Kinder ganz einfach auf das Corona-Virus getestet werden können. Flensburg folgte damit dem Beispiel anderer Städte.

Drei Tage später wurden die Tests gestoppt. Die Begründung: Die Umverpackungen seien teilweise falsch beschriftet, jetzt werde geprüft, ob davon auch Chargen betroffen seien, die nach Flensburg geliefert wurden.

Das Problem könnte nun aber noch viel größer sein. Am Montag hat das Landesjugendamt alle Betreuungseinrichtungen in Schleswig-Holstein davor gewarnt, derartige Lolli-Tests einzusetzen und darauf hingewiesen, dass es aktuell keine für Kleinkinder zugelassenen Corona-Tests gebe.

„Es besteht die Gefahr des Verschluckens“, sagte Frank Zabel, Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums, auf Nachfrage von shz.de. Bei einem vergleichbaren Test-Typ, der in Thüringen genutzt worden war, hätten sich Probenehmer gelöst. Das Ministerium habe die Stadt Flensburg bereits am 21. April, also am Tag nach dem Start der Lolli-Tests, darauf hingewiesen, dass die Tests nur für die Anwendung durch Fachpersonal geeignet und zugelassen seien.

In Flensburg ist jedoch vorgesehen, dass die Kinder die Tests zu Hause mit ihren Eltern machen. Das Ministerium hat nach Zabels Angaben auch darauf aufmerksam gemacht, dass das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte diese Gefahren bei derlei Test-Typen generell sieht, also nicht nur bei dem in Flensburg eingesetzten Typ.

Dieses Hin und Her und das Ausprobieren von Maßnahmen im 14. Monat der Pandemie ist sehr zermürbend.

Susanne Schäfer-Quäck, Vorsitzende der SSW-Ratsfraktion

Die Stadtverwaltung hält dennoch grundsätzlich am Einsatz der Lolli-Tests fest. Der Rückruf kam erst zwei Tage nach dem Hinweis aus Kiel – und mit einer anderen Begründung. Sollte es sich herausstellen, dass die Verpackungen korrekt beschriftet seien, könnten die Tests weiterhin verwendet werden, sagte Rathaus-Sprecher Clemens Teschendorf.

Der „Lolli“ ist eigentlich ein Wattestäbchen. Je nach Typ lutschen die Kinder an ihm 30 bis 90 Sekunden. So ersparen sie sich den unangenehmen Abstrich an Nase und Rachen.

Heftige Kritik kommt vom SSW. Die Ratsfraktions-Vorsitzende Susanne Schäfer-Quäck sprach von Geldverschwendung und möchte wissen, was die Stadt für die 30.000 Tests bezahlt hat. „Die Warnung des Landesjugendamtes sind unmissverständlich. Der Schnellschuss der Verwaltung muss jetzt schnell korrigiert werden“, sagte sie.

Susanne Schäfer-Quäck. Foto: Lars Salomonsen/BorderPress

Die Ausweitung der Teststrategie auf Kleinkinder habe der SSW ausdrücklich begrüßt. „Kinder und Jugendliche sind in Zeiten der Corona-Pandemie oftmals die einzigen Familienmitglieder mit vielen Sozialkontakten.“ Doch habe man schon in der Diskussion vor der Anschaffung der Lolli-Tests darauf hingewiesen, dass es noch gar keinen zugelassenen Test gebe. Schäfer-Quäck: „Das Personal in den Einrichtungen fühlt sich doppelt im Stich gelassen: Da wird etwas angeschafft, und dann sollen die Anwenderinnen und Anwender sehen, wie sie klarkommen.“

Klärungsbedarf sieht der SSW auch in einer weiteren Frage: „Es wurde seitens der Verwaltung der Eindruck erweckt, dass der Einkauf der Lolli-Tests mit dem zuständigen Ministerium abgestimmt worden ist.“ Offenbar hatte die Stadtverwaltung das Ministerium aber lediglich über den Einsatz der Lollitests informiert – eine Zustimmung aus Kiel soll es nicht gegeben haben.

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