Bundestagswahl

Die Regionalpartei SSW schnappt nach Berliner Luft

Die Regionalpartei SSW schnappt nach Berliner Luft

Die Regionalpartei SSW schnappt nach Berliner Luft

Frank Jung/shz.de
Flensburg/Berlin/Büdelsdorf
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Ein reines Symbolbild: Parteivorsitzender Flemming Meyer wirbt für eine Kandidatur des SSW für den Bundestag im kommenden Jahr. Er selbst sieht sich mit dann 69 Jahren allerdings nicht als Bewerber. Das will er Jüngeren überlassen. Foto: DPA/Montage: M. JaHR

Kandidiert die Partei der dänischen Minderheit in Norddeutschland, SSW, zur Bundestagswahl? Erste von vier Regionalkonferenzen empfiehlt Kandidatur.

Geht es nach dem ersten Stimmungstest, dann ist der SSW  bei der  Bundestagswahl 2021 dabei: Auf einer Regionalkonferenz in Büdelsdorf haben sich von 50 Mitgliedern 42 dafür ausgesprochen, dass die Partei der dänischen und friesischen Minderheit  einen Sitz im Berliner Reichstagsgebäude   anstrebt. Es wäre auf der nationalen Ebene ein Comeback nach fast 70 Jahren – von 1949 bis 1953 war die Regionalpartei schon einmal im Bundestag in Bonn vertreten.

Wie bei Landtags-, so ist die Partei auch bei Bundestagswahlen  wegen des Minderheitenschutzes von der Fünf-Prozent-Klausel befreit.

SSW hätte eine Chance

„Das Zahlenmaterial ist heute so, dass wir eine reelle Chance haben“, wirbt Parteivorsitzender Flemming Meyer. Nach eigenen Schätzungen bräuchte der SSW für ein Bundestagsmandat zwischen 50.000 und 60.000 Stimmen aus ganz Schleswig-Holstein. Bei der vorherigen Landtagswahl 2017 lag er nur ganz knapp unter dieser Spannbreite, bei der vorletzten 2012 deutlich darüber.

Begünstigt würde der SSW dadurch, dass  beim künftigen Bundestag alles nach noch mehr Überhang- und  Ausgleichsmandaten aussieht als jetzt schon. Deswegen sind tendenziell weniger Stimmen pro Mandat erforderlich.

„Leute haben uns in letzter Zeit verstärkt gefragt, warum sie bei Bundestagswahlen kein Kreuz bei uns machen können“, nennt  Meyer einen Auslöser für die parteiinterne Debatte. 

SSW für andere interessant

Die nachlassende Bindung von Stammwählern an Volksparteien sieht der einstige Lehrer und heutige Landtagsabgeordnete als Vorteil: „Die Menge derjenigen, die suchen, ist größer geworden. Dadurch werden wir auch für andere interessant.“

Der SSW würde sich laut Meyer in der Hauptstadt auch als Sachwalter gesamt-schleswig-holsteinischer Interessen verstehen. Das gelte etwa bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Gleichwohl sähe der Parteichef auch in Berlin die Belange  nationaler Minderheiten auf Platz eins seiner  Prioritätenliste.

Er verweist etwa darauf, dass der Bund beim Digitalpakt für Schulen die Schulen der dänischen Minderheit zunächst vergessen hatte.

„Gäbe es auch nur einen einzigen SSW-Abgeordneten im Bundestag, wüssten dort alle, dass es die dänische Minderheit gibt“, argumentiert Meyer. Zugleich könne der SSW  seine engen Verbindungen nach Skandinavien als Pfund in den Hauptstadtbetrieb einbringen.  

Weitere Regionalkonferenzen

Gleichwohl ist den Berlin-Befürwortern klar, dass sie noch manch harte Nuss zu knacken haben: Es folgen Regionalkonferenzen in Schleswig am 13. Februar, Flensburg am 3. und Husum am 12. März.

„Zum Beispiel in Flensburg kann das Meinungsbild auch anders aussehen als in Büdelsdorf“, gibt Meyer zu bedenken. Nicht wenige Mitglieder sorgen sich, drei Wahlkämpfe in Folge könnten die Kräfte der vergleichsweise kleinen Partei überstrapazieren. Denn 2022 stehen Landtags-, 2023 Kommunalwahlen an. Auch sind in den eigenen Reihen nicht alle davon überzeugt, dass ein Einzelkämpfer in der Bundeshauptstadt genug würde ausrichten können.

Entscheidung am 6. Juni

Am 6. Juni soll ein Parteitag die Entscheidung für oder gegen Berlin treffen. Dafür wird es eine Empfehlung des Landesvorstands geben – die sich laut Meyer am Tenor der Regionalkonferenzen orientiert. Sollte die eine oder andere Seite nur haarscharf vorne liegen, müsse man sehen. „Dann könnte es vielleicht eine Urabstimmung geben.“

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