Leserbrief
„Deckel drauf … oder was?“
Deckel drauf … oder was?
Deckel drauf … oder was?
Edlef Bucka-Lassen ist sich zwar mit Cornelius von Tiedemann einig über vieles – doch er glaubt nicht, dass Spitzenmanager abwandern würden, wenn sie anderswo deutlich mehr verdienen könnten.
Im Leitartikel vom Samstag geht es um die Schere zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Gehalt in einem Unternehmen. Und um die in diesem Zusammenhang eingebrachte Forderung von SF (Socialistisk Folkeparti) eben dieses Verhältnis auf maximal 1:20 festzulegen. Eine ganze Reihe von Elementen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, werden sauber analysiert und in Relation gesetzt. Auch von Ethik ist die Rede - und von Gerechtigkeit.
In den meisten Passagen kann ich problemlos dem Verfasser des Leitartikels folgen und bin mit ihm einig.
Nicht aber in der Beurteilung: “International wäre die Wirkung jedoch vernachlässigbar, und Spitzenmanager würden mit großer Wahrscheinlichkeit zu ausländischen Unternehmen wechseln, wo sie mehr Geld verdienen könnten“! Genau dies Argument wird von den Lobbyisten der Konzerne, der Finanzwelt und den Vorstandsetagen mantramässig wiederholt und wiederholt. Nur: Das macht es nicht wahr.
Allein von der Logik her: Diese Leute haben Gehälter, die sie – ohne Wertpapier-, Immobilien- und Edelmetallkäufe – gar nicht um die Ecke bringen können. Wieso sollen sie sich dann von noch mehr Geld locken lassen? Die Vorstellung, dass mehr Lohn automatisch mehr Zufriedenheit bedeutet, die stimmt nicht. Wenn mein Lohn im Verhältnis zu meiner Leistung im Betrieb zu niedrig ist – also nicht angemessen ist – ja, dann werde ich unzufrieden. Wenn mein Lohn angemessen ist und mir reicht –und in dieser Hinsicht, denke ich, haben weitaus die meisten Menschen schon ein gesundes Gerechtigkeitsgefühl – ja genau: dann reicht er mir auch!
Der amerikanische Arbeitspsychologe Frederick Herzberg (1923-2000) machte Ende der 50’iger Motivationsstudien, deren Resultate er in den 60igern publizierte. Die Studien belegten, dass es Elemente sind wie: Verantwortung am Arbeitsplatz, Einfluss auf die eigene Arbeit, Wissen um deren Sinn und Wert, sowie Anerkennung, die mir das Gefühl geben am richtigen Platz zu sein. Wenn ich die habe, dann bin ich zufrieden – und schaue mich nicht nach einem anderen um, schon gar nicht weil er mir ein paar Nullen mehr auf meinem – ohnehin schon nicht mehr „angemessenen“ Lohnzettel – gibt. Herzbergs Studien belegten, dass ein angemessener Lohn (“a reasonable level of pay“) eine Notwendigkeit sei, damit sich keine Unzufriedenheit einfindet – dass aber andererseits ein hoher Lohn nicht eine erhöhte Lebensqualität (würde man heute sagen) mit sich führe.
Es gab in der Schweiz, im November 2013, eine Volkabstimmung, die „1:12-Initiative für gerechte Löhne“. Der Initiativtext, zu dem die Schweizer Stellung nehmen sollten, lautete: „Der höchste von einem Unternehmen bezahlte Lohn darf nicht höher sein als das Zwölffache des tiefsten vom gleichen Unternehmen bezahlten Lohnes. Als Lohn gilt die Summe aller Zuwendungen (Geld und Wert der Sach- und Dienstleistungen), welche im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit entrichtet werden.“ Das Ergebnis: 35% stimmten für die Sache (bei 53% Stimmbeteiligung), es kam also nicht durch. Eines der Argumente der Gegner war: Wenn ein solches Gesetz Sinn machen soll, dann muss es weltweit gelten – sonst hat es keine Bedeutung. Erst recht nicht, wenn es nur in einem kleinen Land wie der Schweiz gilt. Klingt einleuchtend – stimmt aber nicht.
Es ist eine Behauptung – und nichts als eine Behauptung!
Ich glaube, dass es eine große Signalwirkung gehabt hätte, wenn sich die Schweiz damals für die 1:12 initiative entschieden hätte. Und genauso sehe ich die Möglichkeit einer zunehmenden internationalen Bedeutung wenn die 1:20 SF-initiative dänisches Gesetz würde.
Es hätte Signalwirkung, und gerade Dänemark mit seinem Image einer durchgehend intakten, funktionierenden und effizienten Struktur in Arbeitsverhältnissen könnte ein Modell sein, „dass es auch 1:20 geht – und sogar sehr gut geht“.
Wer prinzipiell bezweifelt, dass solches überhaupt stattfinden könnte, der kann sich ja fragen, wie es heute in der Welt aussähe, wenn Dänemark nicht 1989 – als erstes Land weltweit – die amtliche Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare gesetzlich festgelegt hätte?
Edlef Bucka-Lassen, Hjerpsted