Leitartikel

„Europa ist am Zug“

„Europa ist am Zug“

„Europa ist am Zug“

Apenrade/Aabenraa
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Ein schlechtes Gewissen, statt mit Auto, Bus oder Bahn zu fahren den Flieger zu nehmen, hilft uns nicht weiter. Das gute Gewissen, dass die Regierungen Europas zusammenarbeiten, um das Reisen auch am Boden praktisch, stressfrei und erschwinglich zu machen, muss das Ziel sein, meint Cornelius von Tiedemann.

Darf ich in den Urlaub fliegen, wenn ich doch damit dem Klima schade? Diese Frage beschäftigt viele von uns genau solange, bis wir die günstigen Flugpreise, die praktischen Pauschalangebote und die verlockenden Wetter- oder Shoppingaussichten unserer Reiseziele vor uns sehen.

Kann man es der kleinen Familie, deren Eltern hart arbeiten und deren Kinder in der Schule Tag für Tag Leistung bringen sollen, zum Vorwurf machen, dass sie die rar gesäte freie Zeit des Jahres damit verbringen will, ganz rauszukommen aus dem Alltag? Dass die Sonne scheinen und das Wasser warm sein soll? Soll die weite Welt nur den Reichen gehören und jenen, die, aus welchen Gründen auch immer, fliegen müssen?

Nein. Damit, uns selbst und einander ein schlechtes Gewissen einzureden, kommen wir nicht weiter. Damit, die Preise so anzuheben, dass Urlaubsflüge nicht mehr bezahlbar sind, auch nicht.

Doch wie in so vielen Bereichen des Lebens gilt es, ein Gleichgewicht zu finden.

Einerseits müssen Flugzeuge endlich entsprechend ihrer Umweltbelastung besteuert werden, so wie das zum Beispiel bei Autos ja auch der Fall ist. Dann würden die Entwickler den Verbrauch zum Verkaufsargument machen – so wie bei Autos. Doch Kerosin ist in Europa noch immer steuerfrei. Ende 1944 wurde die internationale Steuerfreiheit für den Flugverkehr beschlossen, um die Weltwirtschaft nach dem Krieg anzukurbeln. Doch inzwischen dreht sie, was den Flugverkehr angeht, ja fast schon durch.

Andererseits müssen wir unser Bewusstsein schärfen. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir dann doch in den Urlaub fliegen. Aber wir sollten alle wissen, was wir tun – und es entsprechend wertschätzen, wenn wir uns auf diese fantastische Art und Weise von A nach B transportieren lassen.

Und diese Wertschätzung hat auch mit Geld zu tun. Denn Steuern auf Kerosin – und damit höhere Flugpreise als die teils fast schon skandalösen Fast-Gratis-Flüge mancher Billig-Airlines, könnten genutzt werden, um Alternativen zu schaffen, die den Urlaubern wiederum zugute kommen. Ein zuverlässiges Zugnetzwerk für kleine – und für große Strecken. Losgelöst von undurchschaubaren nationalen Systemen. Warum kann es denn eigentlich im Zugverkehr nicht, wie bei den Flugzeugen, Anbieter geben, die international agieren und die Welt, oder zumindest Europa, miteinander vernetzen?

Hier ist die EU gefragt. Wozu, wenn nicht auch für solche Fragen, arbeiten wir denn in Europa zusammen? Damit ich in Flensburg am Bahnhof stehe und keine DSB-Fahrkahrte nach Kolding kaufen kann, wie es jetzt der Fall ist?

Ein schlechtes Gewissen, statt mit Auto, Bus oder Bahn zu fahren den Flieger zu nehmen, hilft uns nicht weiter. Das gute Gewissen, dass die Regierungen Europas zusammenarbeiten, um das Reisen auch am Boden praktisch, stressfrei und erschwinglich zu machen, muss das Ziel sein.

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