Leitartikel

„Der käufliche Wähler“

„Der käufliche Wähler“

„Der käufliche Wähler“

Apenrade/Aabenraa
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In seinem Leitartikel thematisiert Chefredakteur Gwyn Nissen heute den Wahlkampf für die kommende Folketingswahl.

Noch weiß niemand, wann die Folketingswahl in Dänemark stattfindet, doch der Wahlkampf hat schon lange begonnen. Auf die Wahlplakate müssen wir zwar noch bis drei Wochen vor der Wahl warten, doch in Nachrichten, Zeitungen  und in den sozialen Plattformen wird die Werbetrommel kräftig gerührt.

Der Wahlkampf 2019 wird der bisher teuerste Wahlkampf Dänemarks sein, analysiert Karina Kosiara-Pedersen von der Universität in Kopenhagen. Die Kassen der Parteien sind bis zum Rand gefüllt, und die Kampagnen sind bereit, ausgerollt zu werden.

Einen Wahlsieg können sich die Parteien zwar nicht erkaufen, meint die Lektorin vom Institut für Staatskunde, aber wer das Geld hat, der hat auch die Möglichkeit, Wähler zu erreichen. Nicht nur durch gute Argumente und kreative Kampagnen, sondern auch durch Daten.

Kürzlich haben wir darüber berichtet, dass nur wenige Wähler Politikern in den sozialen Netzwerken folgen. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass Facebook und Co. im Wahlkampf gleichgültig sind. Im Gegenteil. Wenn 3,3 Millionen in Dänemark Lebende ein Facebook-Konto haben, dann haben die Politiker einen direkten Zugang zu den meisten Wählern im Land. Einen direkten und ungehinderten Zugang.

Denn Facebook ist nicht nur eine Plattform für den sozialen Austausch, es ist auch ein Geschäft, das mit seinen Daten Geld macht. Und wenn  vor allem die großen Parteien mit ihrem vielen Geld viele verschiedene Videos zum selben Thema machen, dann weil sie die Botschaft maßgeschneidert an die alleinstehende Mutter, den Single-Senior, das wohlhabende Direktoren-Paar oder den nordschleswigschen Bauern richten können.

Wir werden es in den kommenden Monaten alle erleben – wir, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind –, dass die Ware Politik  so gut wie möglich verkauft wird.

Dabei ist es  gar nicht schlecht, dass sich Politiker direkt an einen wenden können. Als Empfänger muss man nur  stets daran denken, dass es Wahlwerbung ist. Und die kritischen Fragen muss man sich auch selbst stellen – egal, welche politische Farbe der Absender hat.   Und dann muss man letztendlich mit sich selber abmachen, ob man käuflich ist oder nicht – oder ob es tatsächlich die guten Argumente sind, die einen überzeugen.

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