Leitartikel

„Lieber handeln als mosern“

Lieber handeln als mosern

Lieber handeln als mosern

Apenrade/Aabenraa
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Dass die Regierung in der Krise vorsichtig bleibt und nicht will, dass Hauskredite weniger erschwinglich werden, ist prinzipiell zu begrüßen, meint Cornelius von Tiedemann. Unternehmen öffentlich zu kritisieren sieht er jedoch nicht als Regierungsaufgabe.

 Nachdem sich zu Beginn der Corona-Krise das ganze Land, auch die gesamte politische Klasse, hinter Regierungschefin Mette Frederiksen und ihrer sozialdemokratischen Alleinregierung versammelt hatten, werden nach und nach wieder Unterschiede deutlich.

Als einer der ersten hatte sich bereits früh der ehemalige Regierungschef Lars Løkke Rasmussen (Venstre) nach langer Pause wieder ins Rampenlicht gestellt und in Zeitungskommentaren seine Unzufriedenheit mit der derzeitigen Regierung und deren Handhabung der Krise durchblicken lassen. Großen Beifall aus der eigenen Fraktion gab es dafür nicht, im Gegenteil: Seine Querschüsse wurden zum Teil als Eigenbeschuss empfunden – und mancher munkelt, Løkke schade der eigenen Partei damit möglicherweise mehr, als dem eigentlichen Ziel seiner Kritik, der Regierung.

Inzwischen tun sich auch in der Tagespolitik wieder deutlichere Unterschiede zwischen den Fraktionen auf. Die sozialliberale Radikale Venstre droht nicht nur mit Liebes-, sondern gar mit Stimmenentzug, sollte die Regierung nicht schleunigst klimapolitische Vorstöße machen.

Und allen voran die Liberale Allianz kritisiert die Regierung scharf dafür, Unternehmen, die sich an die von der Regierung mitgeprägten Regeln halten und ihre Geschäfte wieder öffnen, zum Beispiel Ikea, öffentlich dafür zu rügen, sich nicht an Empfehlungen zu halten.

Auch, dass Gewerbeminister Simon Kollerup (Soz.) die Danske Bank dafür kritisiert hat, über den Immobilienfinanzdienstleister Realkredit den Eigenfinanzierungsanteil beim Hauskauf auf 10 Prozent anzuheben, schmeckte der Liberalen Allianz, den Verfechtern der ungezügelten Marktwirtschaft, gar nicht.

Die Danske Bank habe schließlich nicht dieselben Verpflichtungen wie Staatsinstitutionen wie die Nationalbank, so der Abgeordnete Ole Birk Olesen.

Simon Kollerup machte daraufhin deutlich, weshalb es auch in der Corona-Krise klare Unterschiede zwischen den Fraktionen gibt: Der ideologische Denkansatz der Sozialdemokraten ist ein ganz anderer.

Banken sollten sich nicht nur um den eigenen Laden kümmern, sagte Kollerup und machte  damit deutlich, dass die Regierung es als selbstverständlich betrachtet, auch lenkend auf Privatunternehmen einwirken und gesellschaftliche Verantwortung einfordern zu können.

Der libertären Liberalen Allianz passt soviel Einmischung natürlich gar nicht, auch Venstre und die Konservativen haben die Regierung und speziell den Gewerbeminister für seine Kommentare in jüngster Zeit schon gerügt.

Fest steht, dass es politische Eingriffe braucht, wenn die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden sollen. In Krisenzeiten sollten die Bürger (darunter auch die potenziellen Hauskäufer) nicht verunsichert und von möglichen Investitionen abgeschreckt werden.

Doch anstatt Unternehmen, die gegen keine Regeln verstoßen, öffentlich zu kritisieren (und somit Mitarbeiter und Kunden zu verunsichern) wäre es möglicherweise angebrachter, politisch für klare, den eigenen Vorstellungen entsprechenden Regeln zu sorgen. Die Regierung ist nicht in der Opposition, weder im Folketing noch in der öffentlichen Meinung. Sie hat das Heft des Handelns in der Hand und kann dafür sorgen, dass Regeln aufgestellt und eingehalten werden.

Das gilt in der Wirtschaft genau wie an der Grenze. Verunsichern können wir Bürger uns schon selbst genug.

 

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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