Leitartikel

„Das Museum lässt tief blicken“

Das Museum lässt tief blicken

Das Museum lässt tief blicken

Apenrade/Aabenraa
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Das neue deutsche Museum in Sonderburg wird die Geschichte der deutschen Minderheit neu aufbereitet darstellen – und den Besucher auch emotional mitnehmen und herausfordern. Genau richtig so, findet Nordschleswiger-Redakteurin Sara Wasmund.

Anfang dieser Woche konnte die Öffentlichkeit erstmals anhand erster Projektentwürfe sehen, wie es innen im neuen Deutschen Museum Nordschleswig in Sonderburg aussehen wird. Die ersten Eindrücke und die Ausführungen des zuständigen Creative Directors der Firma No Parking Productions ließen aufhorchen – und die Augen leuchten.

Sicher ist: Das neue Museum wird mit dem alten so rein gar nichts mehr zu tun haben, was Präsentation der Gegenstände und Inneneinrichtung angeht. Die niedrigen und zuletzt auch eher muffigen Räume werden verschwunden sein und einer neuen Ära Platz machen.

So wie es aussieht, ist von dem neuen Museum Großes zu erwarten. Endlich kann die deutsche Minderheit auf moderne und spannende Weise erzählen, wer sie ist. Wer sie war und wie sie zu dem wurde, was sie ist.

Die Minderheit gibt Raum, hinterfragt zu werden

Die deutsche Minderheit ist 2019 ebenso deutsche Minderheit wie 1920 – und doch komplett anders. Sie hat heute eine 99-jährige Geschichte, dunkle Kapitel, sie hat Diskussionen geführt und Krisen durchlebt, hat sich selbst hinterfragt und gibt weiter Raum, hinterfragt zu werden. Unter anderem mit einer neuen Doktoranden-Stelle, um die nationalsozialistische Vergangenheit der Minderheit aufzuarbeiten.

Das neue Museum in Sonderburg wird all das aufzeigen, nichts rausfiltern und schönmalen, sondern zeigen, was war, was ist.

In einem Raum wird die Nazizeit thematisiert – dargestellt mit gläsernen und stählernen Elementen, wie der Projektleiter am Dienstag verriet. Das dunkle Kapitel aufbereiten und dabei durchsichtig bleiben – eine bessere Symbolik kann man sich kaum wünschen. Es ist, so Creative Director Morten Ranmar, die verbotene Geschichte, aber die Minderheit traut sich, auch diesen Teil ihrer Geschichte zu erzählen. Dass man sich verblenden ließ. Und dass man das am liebsten vergessen würde – es aber eben nicht vergisst, sondern verarbeitet.

Die Sonderburger Ausstellung wird das in nie da gewesener Weise darstellen können und den Besucher mitnehmen. In eine Zeit, über die rückblickend vieles glasklar erscheint, in der vieles aber eben nicht schwarz-weiß war. Alle Besucher, die damals nicht live dabei waren, werden auch gefühlsmäßig herangeführt an das Leben und Wirken der deutschen Minderheit in der Zeit des Nationalsozialismus.

Sehen, was ein anderes Wahlergebnis verändert hätte

Eine großartige Idee ist es auch, die Besucher der Ausstellung anhand digitaler Wahlurnen die Grenzziehung von 1920 selbst nachvollziehen zu lassen. Die Grenze ist digital auf den Boden gezeichnet, über sechs digitale Wahlurnen kann man seine Stimme abgeben. Und sehen, wie ein anderes Wahlergebnis in sechs Orten den Grenzverlauf verändert hätte.

Es ist eine Reise zurück zu 1920, und sie zeigt, dass so oder so nicht alle zufriedengestellt werden konnten. Auf der einen oder anderen Seite wäre immer eine Minderheit entstanden. Der Besucher lernt die schwierigen Beschlüsse hinter dieser Entscheidung und versteht, dass man es nicht „perfekt“ machen konnte.

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung eben auch das große, das gesamte, das moderne Bild der Minderheit. Denn Geschichte ist das eine – die Gegenwart das andere, mindestens ebenso wichtige Bild, das es darzustellen und nachzuempfinden gilt.

So zeigt ein Blick zu anderen deutschen Minderheiten in Europa: „Wir“ sind nicht die Einzigen. Doch wer sind eigentlich „wir“ und was macht „unsere“ Identität aus? Denk mal drüber nach – dazu lädt die Ausstellung ein.

Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass sämtliche noch ausstehende Gelder über Stiftungen zusammenkommen, die für die Inneneinrichtung benötigt werden. Denn Qualität und in diesem Fall eine besonders schöne, ansprechende und moderne Vermittlung, kosten ihr Geld. Zumal, wenn der Blick tief gehen und nicht an der Oberfläche verweilen soll.

 

 

 

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