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„Nach Ende des Pflegestreiks strukturelle Reformen fällig“

Nach Ende des Pflegestreiks strukturelle Reformen fällig

Nach Ende des Pflegestreiks strukturelle Reformen fällig

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch sieht nach dem bevorstehenden Ende der zehn Wochen andauernden Arbeitsniederlegungen im Gesundheitswesen per Folketingsgesetz dringenden Handlungsbedarf in der Politik zur langfristigen Sicherung des von Personalmangel bedrohten medizinischen Sektors.

Nach rund zehn Wochen Arbeitskampf zeichnet sich ein „politisches" Ende des Streiks in der Krankenpflege in Dänemark ab. Die Krankenpflegerinnen und -pfleger haben ihre Forderungen nach einer seit 50 Jahren überfälligen gerechteren Eingruppierung ihres Berufsstandes im Lohnsystem des öffentlichen Dienstes nicht durchsetzen können. Per Gesetz wird ein Tarifabschluss verordnet, der dem seinerzeit per Urabstimmung des Personals abgelehnten Schlichtungsspruch entspricht.

Trotz großer Sympathie in weiten Teilen der Bevölkerung für das Pflegepersonal endet der Streik ohne Erfolg. Es ist eine Gruppe, auf kommunaler Ebene segensreiche Arbeit zugunsten kranker und älterer Menschen leistet und vor allem in den Krankenhäusern seit Jahrzehnten immer anspruchsvollere Aufgaben in der medizinischen Versorgung wahrnimmt. Vor allem auch, um die Ärztinnen und Ärzte zu entlassen, die in Dänemark ebenso wie das Pflegepersonal Mangelware sind.

Allerdings gibt es in der Mangelsituation einen entscheidenden Unterschied: Die Krankenschwestern und Krankenpfleger verlassen oft lange vor Erreichen der Altersgrenze ihre Einsatzorte oder es wird mit reduzierter Stundenzahl gearbeitet, weil die Belastungen sonst nicht zu meistern sind. Verhängnisvoll ist, dass die im Prinzip stets mit Anerkennung und Ansehen verbundene Tätigkeit in der Krankenpflege inzwischen potenzielle Nachwuchskräfte abschreckt, eine Ausbildung für die Krankenpflege einzuschlagen. Dabei muss erwähnt werden, dass die Ausbildung, in Nordschleswig am „University College Syd“ in Apenrade, inzwischen längst den Charakter eines Studiums angenommen hat, obwohl der praktische Umgang mit Patientinnen und Patienten auch weiter einen zentralen Platz während der Ausbildung und im mit großer Verantwortung verbundenen beruflichen Alltag hat.

Es ist verwunderlich, dass sich angesichts der immer größeren und komplizierteren Aufgaben in der Krankenpflege dieser Bereich im sonst von Expansion und Schaffung immer neuer „wichtiger“ Aufgabenfelder geprägten öffentlichen Dienst nicht den verdienten Platz in der dort offenbar starren Hierarchie erobern konnte. Es kommt der Verdacht auf, dass dabei die traditionelle Rolle der „Krankenschwestern“ in einem typischen Frauenberuf eine Rolle spielt, den in vergangenen Zeiten Diakonissen oder Ordensschwestern im Zeichen der Nächstenlieb ohne Traifverträge ausübten.

Ebenfalls ist erkennbar, dass es im Berufsleben in Dänemark seit Jahren den Trend gibt, dass auch im öffentlichen Dienst Organisation, Beratung und Leitungsfunktionen Hochkonjunktur haben, während die Leute, die praktische Aufgaben oder Dienst am Menschen leisten, eher im Hintergrund werkeln.

Die Bevölkerung in Dänemark hat während des Streiks des Pflegepersonals erlebt, wie wichtig dieser Bereich ist. Es ist verwunderlich, dass die zuständige Politik so lange Zeit gezögert hat, denn inzwischen hat sich im medizinischen Bereich ein Berg von aufgeschobenen Behandlungen und Operationen angesammelt. Diesen abzuarbeiten, wird sehr teuer werden. Abgesehen von den menschlichen Belastungen, denen viele Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt sind.

Während des Streiks erlebten die Krankenpflegerinnen und -pfleger kaum Solidarität vonseiten anderer Berufsgruppen in Dänemark.

Es ist klar, dass die Besserstellung der einen Gruppe nur finanzierbar ist, wenn dafür andere zurückstehen.

Trotz aktuell optimistischer Töne hinsichtlich der Meisterung der Corona-Pandemie in Dänemark steht auch hierzulande der Sozialstaat vor großen Herausforderungen, sodass die öffentlichen Kassen bestimmt nicht alle Wünsche nach besserer Bezahlung erfüllen werden können. Aber wichtig ist, dass zu den strukturellen Reformen in den Pflegeberufen auch eine Entlastung der Beschäftigten in ihrem Arbeitsalltag gehören muss. Es kann nicht nur um die Höhe der Gehälter gehen.     

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