Leitartikel

„Die Unverwundbaren“

Die Unverwundbaren

Die Unverwundbaren

Nordschleswig/Sønderjylland
Zuletzt aktualisiert um:

Immer mehr Polizeibeamte können dem Druck der Arbeit nicht standhalten – und das Problem wächst. Die Arbeit der Polizei hat sich wesentlich verändert, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

Wer schon einmal eine Realityserie über die dänische Polizei im Fernsehen mitverfolgt hat, der kann nur den Hut davor ziehen, wie pädagogisch und geduldig die Beamten die vielen Herausforderungen im Alltag lösen. Dabei müssen sich Freund und Helfer im Einsatz so einiges gefallen lassen, doch der Geduldsfaden scheint unendlich strapazierbar zu sein.

Ist er aber nicht, und unser Bild vom unverwundbaren Polizeibeamten und von der starken Polizistin ist oft ein Scheinbild. Denn hinter der Fassade kämpfen immer mehr Polizisten mit den psychischen Folgen ihrer Arbeit.

Das dänische Fernsehen DR beschreibt in einer hervorragenden Serie die Qualen einiger Beamten und Beamtinnen. Das sind die Polizisten, die bei Unruhen in der ersten Reihe stehen, die als erste am Tatort sind, die Kinderpornos sichten müssen und die bei Todesfällen an der Tür klingeln.

Sie machen ihren Job, und sie machen ihn gut. Aber die Arbeit frisst sie auch auf.

Zwei Prozent der Polizisten in Dänemark haben eine PTSD-Diagnose (Post Traumatisches Stress Syndrom), doch eine Studie des nationalen Forschungs- und Analysecenters Vive zeigt, dass fast doppelt so viele die Kriterien für eine solche Diagnose erfüllen.

Das ist jeder 25. Polizist – und es werden in Zukunft mehr sein, weil sich die Arbeit der Polizei geändert hat. Die Beamten treffen immer seltener auf den Fahrraddieb im Dorf oder das angetrunkene Problemkind der Stadt. Sie stehen dagegen hartgesottenen Bandenmitgliedern, professionellen Dieben und Kriminellen gegenüber, die keinen Respekt vor der Ordnungsmacht haben. Und sie ermitteln in  Straftaten, die die Grenzen des Menschlichen immer weiter verschieben.

Mit anderen Worten ist der Druck auf die Polizisten gewachsen – und nicht alle halten ihm stand. Im Laufe des Herbstes wird von Vive ein weiterer Bericht erwartet, der die Probleme noch eingehender beschreibt. Übrigens nicht nur für Polizisten, sondern auch für die Mitarbeiter/-innen im Gefängniswesen – dort leidet nämlich jeder siebte Mitarbeiter an post-traumatischem Stress.

Die Politik ist gefragt, Lösungen zu finden, denn Beamte im öffentlichen Dienst haben ein Recht auf Hilfe und Schutz, wenn die Arbeit sie krank macht. Es geht auch grundlegend darum, der Polizei gute Arbeitsverhältnisse zu geben – sonst besteht die Gefahr, dass der Nachwuchs ausbleibt. Es gibt genug Ausbildungs- und Jobangebote für die Jugendlichen – die müssen nicht unbedingt einen Job wählen, bei dem die Risiken Schlange stehen.

 

Mehr lesen

Leserbrief

Stephan Kleinschmidt
„Sonderburg als kinderfreundliche Stadt und Kommune“

Kommentar

Marlies Wiedenhaupt
Marlies Wiedenhaupt Hauptredaktion
„Schön verschreiben 13.0“