Leitartikel

„Wo Licht ist, muss nicht immer auch Schatten sein“

Wo Licht ist, muss nicht immer auch Schatten sein

Wo Licht ist, muss nicht immer auch Schatten sein

Apenrade/Aabenraa
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Dänemark stellt Schleswig-Holstein Astrazeneca-Impfstoffe zur Verfügung - und die Menschen in den sozialen Medien flippen aus. Allen Verfassern von Wutkommentaren empfiehlt „Nordschleswiger"-Redakteur Dominik Dose: Fakten checken und mehr Disney-Filme schauen.

„Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten.“

Dieses Zitat von Klopfer aus dem Disney-Film „Bambi“ ist in digitalen Zeiten, die durch die Corona-Pandemie noch digitaler geworden sind, möglicherweise passender denn je.

Aktuellstes Beispiel ist die Nachricht, dass Dänemark Schleswig-Holstein 55.000 Astrazeneca-Impfdosen leihweise zur Verfügung stellt. Ministerpräsident Daniel Günther hatte beim nördlichen Nachbarn angefragt, nachdem Dänemark den Impfstoff von Astrazeneca vor Kurzem aufgrund von Fällen von Blutgerinnseln aus seinem Impfprogramm gestrichen hatte.

Ursprünglich sollten die Impfdosen in ganz Deutschland verteilt werden, die dänische Regierung stimmt jedoch nur einer Verteilung in Schleswig-Holstein zu.

Als schleswig-holsteinischer Bürger, der diese Neuigkeit in den sozialen Medien liest, könnte man sich nun darüber freuen, dass in Schleswig-Holstein mehr Impfstoffe zur Verfügung stehen, dass die Menschen, die der europäischen Arzneimittelbehörde und der Weltgesundheitsorganisation vertrauen, dass der Impfstoff sicher ist und die Vorteile höher zu bewerten seien als die Risiken, schneller geimpft werden können.

Man könnte reagieren wie Ministerpräsident Günther, der sagte: „Wir freuen uns sehr und sind dankbar, dass unser Nachbarland Dänemark sich bereit erklärt hat, 55.000 Dosen des aktuell dort nicht genutzten Impfstoffs von Astrazeneca für unsere Impfkampagne zur Verfügung zu stellen. Das zeigt die besondere Verbindung in der Grenzregion, und ich möchte mich im Namen der Landesregierung ausdrücklich für diese sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken.“

Doch schaut man in die sozialen Medien, tun dies gefühlt nur sehr wenige. Dort ist in den Kommentarspalten unter anderem von einer „unglaublichen Verarschung“, von „Super! Die Dänen sind klasse. Taste the waste“ oder von „Das zeigt, dass unsere Regierung auf der ganzen Linie versagt hat“ die Rede.

Warum eigentlich? Natürlich ist es vollkommen legitim, dass nach den bisherigen Erfahrungen und Berichten über den Impfstoff von Astrazeneca sich Menschen Sorgen machen und sich scheuen, mit dem Mittel geimpft zu werden. Das sind ganz offenkundig auch die Menschen, die solche oben genannten Kommentare verfassen, aber ist dies nicht vollkommen irrational? Sollten sie sich nicht eigentlich freuen, dass sich ihre Chance auf eine Impfung mit dem Biontech- oder Moderna-Vakzin erhöht, wenn andere Menschen mit Astrazeneca geimpft werden?

Wie auch immer. Fakt ist, dass in Schleswig-Holstein nun mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Fakt ist, dass dadurch mehr Menschen schneller geimpft werden können. Und Fakt ist auch, dass die guten deutsch-dänischen Beziehungen und die Reden über das Gegeneinander, das zu einem Füreinander wurde, nicht nur leeres Gerede sind, sondern sich nun zeigt, dass damit womöglich auch Leben gerettet werden können.

Eine Facebook-Nutzerin ging sogar ins Extrem und warf Dänemark vor, „die Schleswig-Holsteiner mit den Astrazeneca-Impfdosen ausrotten zu wollen, damit das dänische Reich endlich wieder bis an die Elbe reicht“. Auch wenn man dieser Frau womöglich so sehr wie nur wenigen anderen Menschen empfehlen möchte, mehr Disney-Filme zu gucken und öfter auf Klopfer zu hören, ist diese Aussage doch auch so herrlich absurd, dass sich nur hoffen lässt, sie bei der nächsten Sankelmark-Tagung beim Kabarett „Heimatmuseum“ wiederzufinden.

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