Wort zum Sonntag

„Versöhnte Verschiedenheit“

Versöhnte Verschiedenheit

Versöhnte Verschiedenheit

Pastor Axel Bargheer, Kopenhagen
Axel Bargheer
Kopenhagen
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Das Wort zum Sonntag, den 6. Oktober 2024 von Axel Bargheer, Pastor der Deutsch Reformierten Kirche in Kopenhagen.

Wenn wir im Urlaub eine Kirche besichtigen, dann sieht diese oft ganz anders aus, als die Kirche, die wird von Zuhause oder aus unserer Kindheit kennen. Und wenn wir dann sogar noch in Spanien oder Ungarn in einen Gottesdienst gehen, werden wir feststellen, dass vieles anders ist als bei uns.

Wenn ich auf internationalen kirchlichen Konferenzen bin, erlebe ich ähnliches – unterschiedliche Formen des Glaubens, unterschiedliche Riten und Traditionen, unterschiedliche Spiritualität, unterschiedliche Kontexte kirchlichen Lebens: Kirche in vielen Farben und Ausprägungen, Glauben in vielen Facetten. Und das am meisten Faszinierende daran: bei aller Verschiedenheit in der heutigen Wirklichkeit ist der Ausgangspunkt und sind die Wurzeln gleich.

Vor fünf Wochen war ich auf einer Konferenz protestantischer Kirchen aus ganz Europa. Mehr als 100 Delegierte aus 70 Kirchen von Island bis Griechenland, von Portugal bis Estland, dazu Experten, Beobachter, Stewards und Gäste, berieten eine Woche lang über Dinge, die in den europäischen Kirchen aktuell Thema sind.

Im Alltag dieser Menschen und der von ihnen vertretenen Kirchen, in ihren Gottesdiensten und Kirchenverfassungen, in Verkündigung und in der Diakonie ist vieles erkennbar unterschiedlich. Über dieser Verschiedenheit steht aber die Erkenntnis und die Überzeugung, dass bei allen Differenzen im Detail eine viel wichtigere und weitreichende Gemeinsamkeit besteht. Solange man sich über die gemeinsame Basis einig ist und von diesem Fundament aus in den Diskurs geht, hat man den Grundton für das respektvolle Gespräch über die Unterschiede gesetzt. Das Ziel ist nicht unbedingt, den anderen zu überzeugen, sondern einen Weg zu finden, den man gemeinsam gehen kann, ohne sich zu verleugnen oder den anderen zu bevormunden.

Unterschiede können so versöhnt werden, ohne sie zu verschweigen und ohne sie als Anlass zur Spaltung anzusehen. So hat sich der Begriff „Versöhnte Verschiedenheit“ etabliert – im Bewusstsein, dass das, was uns verbindet, größer ist als unsere Streitereien. Wenn Gott sich entschlossen hat, sich den Menschen zuzuwenden und mit ihnen in Kontakt zu kommen, ist das mehr als unser kleinteiliger Streit, größer als unsere Unterschiede in Gottesdienstformen oder Kirchenordnungen, und auch wegweisender als unsere eitlen Versuche, alles besser zu wissen.

Mit der Gelassenheit, die daraus entsteht, fällt es uns leichter die Unterschiede ertragen, sie vielleicht auch als Bereicherung und Inspiration empfinden, oder sich vielleicht einfach zu freuen, dass Menschen, die anders sind als ich, eben so ihren Zugang zu Gott und seinem Wort bekommen.

Ich erlebe bei solchen Tagungen die Begegnungen mit den anderen als ausgesprochen bereichernd. Aber noch wichtiger ist es zu sehen, dass unter Gottes weitem Himmel noch viel mehr möglich ist, als ich es mir ausmale.

Axel Bargheer, Pastor der Deutsch Reformierten Kirche in Kopenhagen

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