Wort zum Sonntag

„Das Wort zum Sonntag zum 26. Januar 2020“

Das Wort zum Sonntag zum 26. Januar 2020

Das Wort zum Sonntag zum 26. Januar 2020

Hauptpastorin Dr. Rajah Scheepers der Sankt Petri Kirche, Die deutschsprachige Gemeinde in der Dänischen Volkskirche
Rajah Scheepers
Kopenhagen
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Foto: Adobe Stock

Das Wort zum Sonntag zum 26. Januar 2020 von Hauptpastorin Dr. Rajah Scheepers der Sankt Petri Kirche, der deutschsprachigen Gemeinde in der Dänischen Volkskirche

Am 27. Januar 2020 jährt sich zum 75. Mal die Befreiung von Auschwitz. Als Hauptpastorin von Sankt Petri, der deutschsprachigen Gemeinde in der dänischen Volkskirche, ist die wechselvolle Geschichte zwischen Deutschland und Dänemark für mich stets gegenwärtig.

Laut meiner „Gebrauchsanweisung für Dänemark“ war tyskerhad – „Deutschenhass“ – nach der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg hier in Dänemark eine verbreitete Haltung. Das habe ich noch überhaupt nicht erlebt – im Gegenteil erlebe ich die Dänen als freundlich, höflich und zugewandt. Als ich vor 25 Jahren in Amsterdam studierte, waren noch manche der Ressentiments gegen Deutsche spürbar, doch vielleicht ist diese Zeit bald vorüber. 

Die deutsche Bevölkerung hat in ihrer überwiegenden Mehrheit einen Schrecken über die Welt gebracht, der mich auch heute noch, 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, fassungslos macht. Die systematische und maschinelle Tötung von Millionen von Männern, Frauen und Kindern, die „Sortierung“ von Menschen in „lebenswert“ und „lebensunwert“, die Erniedrigung und körperlichen Eingriffe – und noch unzählige Untaten mehr.

Als ich mit meinen Konfirmanden vorletztes Jahr am 9. November „Stolpersteine“ in Berlin geputzt habe, rief mich danach eine erboste Konfirmandenmutter anonym an: Es sei doch nun wohl genug mit dem Erinnern, und man müsse mal nach vorne schauen! Ehe ich antworten konnte, legte sie wütend auf. 

Für mich ist kirchliche Erinnerungskultur das Fundament für den Blick nach vorne. Wenn wir nicht wissen, was hinter uns liegt, fällt es uns schwer, sich zu orientieren und einen Kompass für die Zukunft zu haben. Wir suchen uns nicht aus, in welchem Land und mit welchem Erbe wir geboren werden – aber wir können entscheiden, wie wir uns dazu verhalten und welche Haltung wir haben. 

Am 27. Januar 2020 werden wir in der Sankt Petri Kirche gemeinsam mit den Schülern der Sankt Petri Schule und der Deutschen Botschaft an die Gräuel erinnern, die sich mit dem Wort „Auschwitz“ verbinden, an Menschen wie Anne Frank, aber auch an Menschen, die im Widerstand aktiv waren, wie der Berliner Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der im April vor 75 Jahren gehängt wurde. Seine letzten Worte unmittelbar vor seiner Hinrichtung können auch uns heute Orientierung sein: „Für mich ist dies das Ende, aber auch der Beginn. Ich glaube an die universale christliche Brüderlichkeit über alle nationalen Interessen hinweg, und ich glaube, dass uns der Sieg sicher ist.“

 

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