Reportage Teil 3

Nach der Sturmflut: „Alle Nachbarn standen einfach still da“

Nach der Sturmflut: „Alle Nachbarn standen einfach still da“

Nach der Sturmflut: „Alle Nachbarn standen einfach still da“

Sara Eskildsen, Gerrit Hencke, Lene Neumann Jepsen
Nordschleswig
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Annika Lynnerup
Ein Jahr nach der Sturmflut ist Annika Lynnerups Sommerhaus in Heisagger Strand fast komplett renoviert. Die Liebe zum Standort ist geblieben, sagt die 53-Jährige. Foto: Karin Riggelsen

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THEMA STURMFLUT 2023: Nordschleswig ist überflutet, die Jahrhundert-Sturmflut hat den Landesteil schwer verwüstet. In Folge 3 unserer Reportage erzählen wir die ganz persönliche Geschichte von den Menschen, die von der Sturmflut betroffen waren. Das Aufräumen vereint den Landesteil, und die Frage stellt sich: Was hätte man anders machen können?

Wenningbund Bucht Zusammen mit seiner Freundin hat Campingplatzbesitzer Peer Mäder das überflutete Servicehaus in Gammelmark spätnachts verlassen und verbringt die Nacht auf den 21. Oktober in einem höher gelegenen Wohnwagen. Den Nachbarn hat er ein Hotelzimmer zur Verfügung gestellt. 

Der Tag nach der Sturmflut beginnt

Nach zwei Stunden unruhigen Schlafs tritt Peer Mäder ins Morgengrauen hinaus. Der Tag nach der Sturmflut beginnt. Im Halbdunkel sieht er seinen überschwemmten Campingplatz vor sich liegen. Treibgut schwimmt über den Parkplatz, überall liegt Schlick.

Es ist 6.30 Uhr am Sonnabend, als er in Gummistiefeln über seinen Platz watet. Das Servicehaus ist überflutet, der Platz hält das Wasser wie in einem Swimmingpool.

 

Peer ist fix und fertig. Er ruft seine Tochter an und teilt ihr mit, dass der Kampf verloren ist. Dass der Campingplatz komplett unter Wasser steht und viel kaputt ist. „Daraufhin hat sie gesagt: Papa, du schaffst so viel, das schaffst du auch noch.“ 

Kurz macht sich die Hilflosigkeit breit

Überwältigt von den Geschehnissen, bricht Peer zusammen. Die Tränen fließen, kurz macht sich Hilflosigkeit breit. 

Er realisiert, wie schwer sein Platz getroffen ist. „Aber dann kamen mir die ersten Gedanken, was es alles zu tun gibt. Als ich wieder zu mir gefunden hatte, dachte ich: Es sieht wüst aus, aber wüst kann man aufräumen.“

Gammelmark
Gammelmark am Sonnabendmorgen Foto: Privat
Feuerwehrmann Johnny Olling am Wenningbunder Strandvej Foto: Karin Riggelsen

Wenningbund Strand Zwei Nächte in Folge ist der freiwillige Feuerwehrmann Johnny Olling nun schon auf den Beinen. Nach dem nächtlichen Einsatz bei Campingplatzbesitzer Peer Mäder in Gammelmark fährt er zurück auf die Feuerwache und dann nach Hause. Sein Einsatz ist beendet, die Sturmflut vorbei. 

Kein Einsatz wie jeder andere, sagt Johnny Olling ein Jahr danach. Aber auch kein Einsatz, der völlig unerwartet kam. Das Leben mit den brachialen Kräften der Natur geht weiter.

 

Heisagger Strand Im Glauben, dass alles gut gegangen ist, brechen Annika Lynnerup und ihr Mann am Sonnabendmorgen gegen 8 Uhr zu ihrem Sommerhaus nach Heisagger auf. Erst als sie mit ihrem Auto in die Straße Hejsager Strandby abbiegen, sehen beide, dass der Damm dem Wasserdruck am späten Abend nicht standhalten konnte.

 

„Die Bereitschaftsbehörde hat irgendwann die Pumpen abgebaut, weil sie nicht mehr wussten, wohin sie das Wasser pumpen sollen – es kam ja sowohl vom Meer als auch hintenrum, weil ein Deich außerhalb auch nicht gehalten hat“, so Annika. 

„Alle standen unter Schock“

Mit ihrem Auto kommen beide gar nicht erst bis zum Haus, sondern parken etwas außerhalb. „Es war ein sehr trauriger Anblick, und alle standen unter Schock“, erinnert sie sich. 

Annika kam im Alter von 17 Jahren nach Dänemark und kennt die rauen Kräfte der Natur aus ihrer Heimat, den Färöern. „In meinen wildesten Fantasien konnte ich mir nicht vorstellen, dass sowas in Dänemark passieren kann. Dass das Wasser so hoch steigen kann, aber das kann es.“

Annika Lynnerup in ihrem Sommerhaus. Nach einem Jahr Renovierungsarbeiten kann das Haus in den Herbstferien erstmals wieder bewohnt werden. Foto: Karin Riggelsen
Hejsagger Strand
So nah und doch so fern: Annika und ihr Ehemann kommen am Sonnabendmorgen nicht bis zu ihrem Sommerhaus (Mitte). Foto: Privat

Auf dem Weg zu ihrem Haus trifft Annika Lynnerup eine Freundin und Nachbarin, die ebenfalls früh nach Heisagger Strand gefahren ist. Annika merkt, dass auch sie geschockt ist von dem, was sie sieht. In Gummistiefeln versucht sie vergeblich, zu ihrem Sommerhaus zu gelangen, doch sie sind nicht hoch genug. Das Wasser reicht ihr schnell bis zu den Knien. 

„Alle Nachbarn standen einfach still da“

Es hätte Wathosen gebraucht, denn das Wasser steht noch bis zu 70 Zentimeter hoch. Auch weil das stehende Wasser durch Abwässer verunreinigt ist, bricht sie ab. „Alle Nachbarn standen einfach still da. Es war eine sehr merkwürdige Stimmung. Wir standen einfach da, weil wir nichts tun konnten“, sagt Annika. 

Die 53-Jährige spricht zunächst mit mehreren Nachbarn, wie es ihnen ergangen ist, dann fährt sie wieder nach Hadersleben. Sie fühlt sich wie in einem Vakuum, weil sie nichts tun kann.

Annika Lynnerup
Annika Lynnerup in ihrem Sommerhaus Foto: Karin Riggelsen

Ich habe normalerweise ein positives Mindset und arbeite beruflich damit, aber hier lag es einfach nicht in meinen Händen und in meiner Kontrolle. Ich konnte nichts tun und nicht einmal zum Haus. Dann muss man einfach loslassen.

Annika Lynnerup

Apenrader Förde Am Sonnabendmorgen ist Rüdiger Bartling gegen 8 Uhr einer der ersten, die wieder am Vereinsheim des Apenrader Rudervereins sind. Der Strandvej ist stellenweise stark beschädigt. Massenhaft Sand, Treibgut und Tang liegen auf dem Gelände. „Man konnte genau nachvollziehen, woher das Wasser geflossen kam“, erinnert sich Bartling. 

Im Kajak zum Haupteingang

Zusammen mit anderen Mitgliedern der Kajakabteilung werden die Flutschäden begutachtet. Das Wasser ist in diesem Augenblick noch nicht vollständig vom tiefer liegenden Gelände abgeflossen. 

Mit dem Kajak paddelt Vereinsmitglied John zum Haupteingang. Die Tür zum Klubhaus wird geöffnet – und dann der Schock. Drinnen steht das Wasser bis zur Unterkante der Sitzpolster der Stühle im Versammlungsraum – rund 40 Zentimeter hoch.

ARV Sturmflut
Mit dem Kajak geht es am Sonnabendmorgen über das Gelände des ARV. Die Sandsäcke an den Toren konnten das Wasser nicht aufhalten. Foto: Privat

„Mein erster Gedanke war, dass die schlimmsten Erwartungen doch noch übertroffen wurden“, so Bartling. „Der nächste Gedanke war, dass es ein Haufen Arbeit wird und dass wir erst mal retten, was noch zu retten ist.“ 

Im Vereinsheim machen sich die Mitgleider ans Werk. Zunächst werden die Stühle zum Trocknen hochgestellt. Im Ergometerraum stehen die Trockenrudergeräte im Wasser. Die ersten Helfenden können nicht viel unternehmen. 

Fische schwimmen im Umkleideraum des ARV

Weil das Salzwasser aggressiv ist, wird alles mit Süßwasser abgespült und zum Trocknen weggeräumt. Für einige Einrichtungsgegenstände kommt diese Maßnahme dennoch zu spät. „Wir mussten etwa die Tische mit Metallfüßen später doch entsorgen. Da hat das Salzwasser seine Wirkung gezeigt.“ 

Im Umkleideraum entdeckt der 69-Jährige sogar kleine Fische. „Da hat sich mein Enkel sehr gefreut“, sagt er und lacht. Auch die Küche ist zerstört. Das Linoleum hat sich vom Boden gelöst, Küchengeräte sind kaputt und die Schränke aus Pressspan haben sich mit Wasser vollgesaugt.

ARV Sturmflut
Das Wasser hat mehrere Ruderergometer zerstört. Foto: Privat

Wenningbund Bucht In Gammelmark erlebt Peer Mäder am Tag nach der Flut eine Welle der Hilfsbereitschaft. Sein Nachbar gräbt am Sonnabendmorgen mit einem gelben New-Holland-Bagger ein Loch in eine Erhöhung, sodass das Wasser zurück in die Bucht läuft.

Gammelmark
Mit dem Bagger wird ein Damm geöffnet, damit das Wasser vom Gelände abfließen kann. Foto: Privat

Saisongäste machen sich von Broackerland, aus Rendsburg, Erfte und Dänemark auf den Weg und helfen beim Aufräumen. 

Um 11 Uhr beginnt das große Reinemachen. Die einen kochen Suppe und schmieren Stullen, andere saugen mit dem Industriestaubsauger die Schlammschicht auf oder räumen die kaputten Elektrogeräte und Möbel aus dem Haus. 

Rund 35 Personen helfen Peer. Gegen 18 Uhr am Sonnabend ist das Gröbste geschafft. 

Campingplatzbetreiber Peer Mäder musste insgesamt vier Tonnen Treibgut und Müll beseitigen. Foto: Karin Riggelsen

Das hat mich absolut bewegt. Dass so viele Menschen freiwillig an diesem sonnigen Sonnabend kamen und mitgeholfen haben. Das waren Personen, die ich zum Teil erst seit dieser Saison kannte. Das hat mich tief berührt, und dafür bin ich unglaublich dankbar.

 

Peer Mäder

Apenrader Förde Platz für große Emotionen hat Rüdiger Bartling in diesen Tagen nicht. Er handelt pragmatisch und behält auch in diesen schweren Stunden für den Apenrader Ruderverein seinen Humor. 

Sand, Schlick und Treibgut: Aufräumen beim ARV

Mitglieder der Kajakabteilung besorgen noch am Vormittag über einen Bekannten eine Pumpe, um das Wasser aus der Senke abzupumpen. Andere tun weitere Verbindungen auf, und so kommen am Sonnabend schnell viele Helferinnen und Helfer zusammen.

Auch am Sonntag geht das Aufräumen weiter. Am Vormittag rollt ein gelber Baggerlader auf das Gelände, den ein Helfer auftreiben konnte. Mit dessen Hilfe werden Sand, Schlick und Treibgut weggeschafft. 

 

 

Ein paar Helfende kommen mit einem Schweißgerät zum ARV, um die Reste der zerstörten Steganlage abzutragen. Der Wiederaufbau wird eine teure Angelegenheit. Drinnen wird aufgeräumt, geputzt und zerstörtes Inventar aus dem Haus geschafft. „Zu dem Zeitpunkt wusste noch niemand, ob hier irgendeine Versicherung irgendwas zahlt“, erinnert sich das Vereinsmitglied Rüdiger Bartling.

ARV Sturmflut
Über ein paar Ecken konnte ein Baggerlader aufgetrieben werden, um Treibgut und Sand vom Gelände zu schieben. Foto: Privat

Nach dem Aufräumen kam die Bürokratie

Am Montag geht es weiter. Einige Vereinsmitglieder räumen auf, andere sorgen für die Verpflegung der Helferinnen und Helfer. Erste Anrufe werden getätigt – mit Handwerksbetrieben und Versicherungen. „Nach dem physischen Aufräumen kam der bürokratische Teil“, erinnert sich Bartling, der seit 20 Jahren im Verein aktiv ist. 

ARV Sturmflut
Es wird geschippt, geschleppt und aufgeräumt rund um das ARV-Gelände. Foto: Privat

Heisagger Strand Am Sonntag nach der Überflutung fahren Annika Lynnerup und ihr Mann wieder runter nach Heisagger Strand, um zu sehen, ob der Wasserpegel gefallen ist und um mit ihrem Nachbarn Peter zu sprechen, der sie fortlaufend informiert. Erst jetzt kann ihr Mann mit einer Wathose zum Haus gelangen. „Er wollte mich tragen, aber ich hatte Angst, er würde mich in das dreckige Wasser fallen lassen“, erinnert sich Annika und lacht. 

Für die Reinigung ihres Sommerhauses will sie eine Firma kommen lassen, um das Wasser abzupumpen. Doch den Termin kann sie absagen, als ihr Nachbar sich am Montag meldet und ihr sagt, dass das Wasser weg ist. „Das war der Zeitpunkt, wo wir ins Haus konnten, um die Schäden zu begutachten“, sagt sie. 

Flensburger Förde, Iller Als er am frühen Sonnabendmorgen nach draußen blickt, ist das Wasser bereits zurückgegangen. Bei einer ersten Begehung seines Grundstücks sieht Dieter Jessen in Iller, dass seine kleine Scheune unter Wasser steht. Sie liegt ein Stück tiefer hinter dem Wohnhaus. 

„Die habe ich bei den Vorbereitungen gar nicht im Blick gehabt“, sagt er rückblickend. Die Wassermassen drangen am späten Freitagabend dort hinein, Rasenmäher und Pedelec wurden durch die Fluten zerstört.

Dieter Jessens Schuppen
In Dieter Jessens Schuppen steht das Wasser knapp 30 Zentimeter hoch. Foto: Karin Riggelsen
Eine Baustellenabsperrung fand den Weg in Dieter Jessens Garten.
Eine Baustellenabsperrung fand den Weg in Dieter Jessens Garten. Foto: Privat

Jessen nimmt sich sofort einen Besen und fegt das Wasser durch das große Scheunentor nach außen. Später am Vormittag macht er sich auf zu seinem Auto und fährt in die Waschanlage, um das Salz abzuwaschen.

Erst nach und nach bekommt er im Laufe des Tages mit, wie es seinen Nachbarn in der Sturmflutnacht ergangen ist. Eine Nachbarin am Iller Strandvej berichtet ihm, dass es sie besonders schwer getroffen hat.

 

Dieter Jessen hat einfach Glück gehabt

In seinem Garten liegen Tang, Treibholz und Reste einer Baustellenabsperrung. „Wäre das Wasser reingekommen, hätte es Holzleisten, mein Büro mit Holzfußboden oder auch die Elektrik in Mitleidenschaft gezogen“, ist der frühere Politiker der Schleswigschen Partei sicher. So hat er in dieser Nacht Glück gehabt. 

Heisagger Strand 40 Zentimeter hoch ist das Sommerhaus von Annika Lynnerup überflutet. Schlamm und Unrat sind überall zu sehen. Es stinkt nach Brackwasser. Als sie Schubladen in der Küche öffnet, stehen sie voll mit Wasser. Beim ersten Anblick wird klar: Hier ist alles zerstört – vom Boden bis zur Küche. „Der Boden musste raus, das Badezimmer musste raus, die Küche bis auf die Hängeschränke mussten raus. Es war alles kaputt, auch die Elektrik. Das war eine komplette Ruine“, sagt die 53-Jährige.

 

Welche ihrer Versicherungen deckt die Schäden?

Die ersten Gedanken bei dem Anblick kreisen in Annikas Kopf. Schnell blickt sie auch mit einem wirtschaftlichen Auge auf das vor ihr liegende Chaos. Welche ihrer Versicherungen deckt die Schäden? Sie beauftragt sehr schnell eine Handwerkerfirma, um das Haus zu renovieren. Bereits am Dienstag legen Arbeiter los, einen Container mit Unrat zu füllen. Da wissen Annika und ihr Mann noch gar nicht, ob und wie viel die Versicherung ihnen rückerstattet. Erst ein halbes Jahr später, im April 2024, weiß das Paar, dass die Versicherung zahlt.

Hejsagger Strand
Wasser steht auf der Veranda. Foto: Privat
In ihren Küchenschubladen stand das Meereswasser kniehoch, erzählt Annika Lynnerup. Foto: Karin Riggelsen

Apenrader Förde Den Blick in die Zukunft gerichtet, plant der Apenrader Ruderverein bereits neue Sicherheitsmaßnahmen. Im Raum stehen etwa richtige Schotten, die bei Sturmfluten vor die Eingänge gesetzt werden können, sagt Rüdiger Bartling. Außerdem gibt es Überlegungen, ob man um das Vereinsheim eine Mauer setzt, da es Belüftungen in den Außenwänden gibt, durch die Wasser eindringen kann.

 

 

Möglicherweise eine Brücke für beide Vereine

Mit dem dänischen Ruderverein nebenan gibt es gemeinsame Überlegungen, was man noch tun kann. So könnten die Ruderanlagen durch einen Wellenbrecher gesichert werden, der die Ostwinde und Wellen aufhalten soll. Die Steganlage könnte so das ganze Jahr im Wasser bleiben. Auch gibt es Ideen, eine Brücke für beide Vereine zu bauen. Der Wellenbrecher könnte dann auf Höhe der alten Steganlage des ARV entstehen.

Mit Blick auf künftige Sturmflutereignisse sagt der 69-Jährige: „Angst ist nicht das richtige Wort dafür. Wir bereiten uns darauf vor.“ Sicher sei, dass man beim nächsten Mal besser vorbereiten sein wird.

ARV
Links am alten Anleger ein Wellenbrecher und daneben ein gemeinsamer Steg mit dem Nachbarverein? Durchaus denkbar für den ARV. Foto: Karin Riggelsen

Apenrader Förde In den Tagen danach heißt es auch am Apenrader Hafen: Aufräumen. Der Operative Leiter Thomas Lund Sørensen und sein Team von „Brand og Redning Sønderjylland“ analysieren den Einsatz.

Einen deutlichen Appell richtet Thomas Lund Sørensen an die sogenannten Sturmtouristinnen und -touristen: Macht den Einsatzkräften die Arbeit nicht zusätzlich schwer.

„Es war chaotisch. Die Herausforderung war, dass wir in unseren Wegen eingeschränkt waren. Zeitweise hat uns der Raum zum Arbeiten gefehlt. Außerdem war es in einigen Situationen ausgesprochen gefährlich für die Menschen vor Ort. Das können die Leute bei der nächsten Sturmflut also wirklich besser machen. Nehmt Rücksicht! Sonst können wir unsere Arbeit nicht ordentlich machen.“

 

Flensburger Förde, Iller: Ein Jahr nach der Sturmflut blickt Hausbesitzer Dieter Jessen in Iller nicht mit Sorgen in die Zukunft, auch wenn das stürmische Herbstwetter natürlich auch bei ihm Erinnerung an die Sturmflutnacht auslöst. 

Er macht sich keine Sorgen, aber Gedanken. „Ich denke natürlich daran, und ich werde mir auch eine Holzplatte zuschneiden, die ich vor die Eingangstür setzen kann“, sagt der 70-Jährige mit Blick auf künftige Hochwasser-Ereignisse. „Aber ich werde mir jetzt keinen Wall um das Haus aufschütten. Ich gehe auch nicht jeden Tag raus und habe Angst. Ich bin da eher ein positiver Typ.“ Es sei halt die Natur, und da könne man nichts machen. 

Dieter Jessen blickt ohne Angst in die Zukunft. Foto: Karin Riggelsen
Iller Strand
Dieter Jessen hatte Glück im Unglück. Doch am Iller Strand kommt die nächste Sturmflut bestimmt. Daher macht sich auch der 70-Jährige Gedanken. Foto: Karin Riggelsen

Wenningbund Bucht Feuerwehrmann Johnny Olling sagt nach seinem Sturmflut-Einsatz am Strand von Wenningbund: Es war kein Einsatz wie jeder andere. Aber auch kein Einsatz, der völlig unerwartet kam.

Ihm bleiben von der Sturmflut 2023 nicht nur die dramatischen Stunden am Stroh-Damm in Erinnerung. Sondern vor allem auch der starke Zusammenhalt der Lokalgemeinschaft, das Zusammenspiel zwischen ehrenamtlichen und professionellen Kräften. 

Der Strohdamm hielt den Fluten nicht stand. Die Gemeinschaft vor Ort schon.

Heisagger Strand: Die Erlebnisse aus dem Oktober 2023 haben Annika Lynnerups Liebe zu ihrem Sommerhaus und der Natur, die sie dort umgibt, nicht gebrochen. 

Sie freut sich, dass sie nach langer Renovierung bald endlich wieder in ihr zweites Zuhause kommen kann. Und so geht sie weiterhin regelmäßig die 110 Schritte vom Sommerhaus zur Sauna am Ufer. Nach einer kurzen Zeit, in der sie nicht mehr im Meer baden wollte, stürzt sich die Winterbaderin nun wieder in die Fluten. 

Das Paar aus Deutschland, das am Donnerstag vor der Sturmflut seinen Urlaub abbrechen musste, hat ebenfalls angekündigt, gerne wieder in Annikas Sommerhaus Urlaub machen zu wollen.

Hejsagger Strand
Bis wohin das Wasser reichte, lässt sich gut erkennen. Foto: Privat

Dass die Kraft der Natur auch zerstörerisch sein kann, das hat die 53-Jährige vor einem Jahr auf erschreckende Weise ganz neu erlebt. Es hat eine Zeit gedauert, sagt Annika, bis sie nach der Sturmflut wieder ins Meer wollte. Wie geht sie mit der Nähe des Meeres nun um? 

„Mit Blick auf die Kraft der Natur weiß ich, dass das wieder passieren kann. Wenn es so sein soll, dann müssen wir uns dem stellen. Das macht mich nicht nervös, aber ich habe ein Auge darauf. Ich hoffe auf die Wettergötter, dass es ein 100-Jahres-Ereignis war“, sagt Annika.

 

Wenningbund Bucht Dass ihn nach der ersten Saison eine Jahrhundert-Sturmflut überrollt hat, lässt Campingplatzbesitzer Peer Mäder nicht an seinem Standpunkt am Meer zweifeln: 

Ich finde die Lage genauso schön wie vorher. Ich bin einer, der aufsteht und weitermacht. Es nennt sich eine Jahrhundert-Sturmflut, und ich hoffe, dass es dabei auch bleibt.

Peer Mäder
Peer Mäder startet im April 2025 in seine dritte Saison als Campingplatzbetreiber auf Broackerland. Foto: Karin Riggelsen

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