Reportage Teil 1

Vor der Sturmflut: „Das Wasser kam still und langsam“

Vor der Sturmflut: „Das Wasser kam still und langsam“

Vor der Sturmflut: „Das Wasser kam still und langsam“

Sara Eskildsen, Gerrit Hencke, Lene Neumann Jepsen
Nordschleswig
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Peer Mäder ist Campingplatzbetreiber in Gammelmark. In seiner ersten Saison auf Broackerland musste er seine Existenz gegen die Sturmflut verteidigen. Foto: Karin Riggelsen

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THEMA STURMFLUT 2023: Vor einem Jahr verwüstete die Jahrhundert-Sturmflut Nordschleswigs Ostküste. Wie Einsatzkräfte und Betroffene die langsam kommende Katastrophe erlebt haben, erzählen sieben Menschen dem „Nordschleswiger“ in einer dreiteiligen Reportagereihe. Teil 1: Die Sturmflut kommt.

Bucht von Wenningbund Als die Sturmflut anrollt, befindet sich der 38-jährige Campingplatzbesitzer Peer Mäder mit seiner neunjährigen Tochter auf einem Campingplatz bei Hvide Sande. Die Ostküste bereitet sich auf die Sturmflut vor, Peer macht Urlaub an der Westküste.  

Sein Platz bei Gammelmark auf Broackerland (Broagerland) ist geschlossen, die erste Saison als Campingplatzbesitzer beendet. Fast alle Campingwagen sind im Winterlager, Peers letzte Gäste abgereist. 

Im Herbsturlaub liest Peer knapp 200 Kilometer von seinem Campingplatz entfernt über Instagram und Facebook von der drohenden Sturmflut, macht sich aber noch keine Sorgen.

Ich hatte von Bent, dem Vorbesitzer des Campingplatzes, den Satz im Ohr: Das Wasser wird so hoch nicht kommen. Also haben wir unseren Urlaub an der Westküste genossen. Unser Servicehaus liegt 200 Meter vom Meer entfernt. Das hat sich sicher angefühlt, und der Vorbesitzer hat noch nie erlebt, dass das Wasser so hoch kommt.

Peer Mäder
Peer Mäder an der Bucht von Wenningbund, wo sein Campingplatz liegt Foto: Karin Riggelsen

Am Donnerstagabend beginnt Peer zu ahnen, dass diese Sturmflut anders ist. Er sieht online, wie die Einsatzkräfte an der Ostküste Nordschleswigs und in Norddeutschland Städte und Küstenbereiche sichern.  

Peer bricht seinen Urlaub ab: Erschreckende Meldungen 

Nach einer unruhigen Nacht wird Peer am Freitagmorgen der Ernst der Lage bewusst. Die Wasserstandsmeldungen sind erschreckend. Früh am Morgen packt er den Campingwagen zusammen und fährt mit seiner Tochter zurück. Das Mädchen bringt er bei der Tante in Handewitt unter, dann fährt er zu seinem Campingplatz. 

 

Apenrader Förde Die Herbstferien haben begonnen, die Einsatzbereitschaft von „Brand og Redning Sønderjylland“ ist personell dünn besetzt. Noch weiß an diesem Montag niemand in Nordschleswig, dass eine Jahrhundert-Sturmflut auf den Landesteil zukommt. Auch Thomas Lund Sørensen nicht.

In Apenrade bildet sich eine Hochwassergruppe

Seine Arbeitswoche als Chef des Stabs von „Brand og Redning Sønderjylland“ beginnt damit, die standardisierten Pläne für das angekündigte Hochwasser ausführen zu lassen. Eine Formalie, Vorbereitungen auf Hochwasserstände gehören an der Apenrader Förde zum Arbeitsalltag. 

Zusammen mit der Kommune wird – so sehen es die Handlungspläne vor – eine Hochwassergruppe gebildet. Jedes Mal, wenn sich die Gruppe in Apenrade trifft, steigen die Prognosen für das Hochwasser weiter.

Thomas Lund Sørensen
Thomas Lund Sørensen koordinierte die Maßnahmen während der Sturmflut. Foto: Karin Riggelsen

Wir sahen am Montagmorgen die ersten Prognosen, die bei 1,25 Meter lagen. Zu diesem Zeitpunkt bin ich nicht davon ausgegangen, dass dieses Hochwasser anders verlaufen würde als andere. Für Hochwassersituationen gibt es feste Bereitschaftspläne, die es zu befolgen gilt.

Thomas Lund Sørensen

Wenningbund Strand In seinen 28 Jahren als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Broacker (Broager) hat Johnny Olling schon viele Sturmfluten kommen und gehen sehen. Dass in dieser Woche tonnenschwere Strohballen an ihm vorbeischwimmen werden, weiß der 48-Jährige noch nicht.

Am Montagmorgen um 8.53 Uhr erhält die Feuerwehrleitung die erste Meldung zur bevorstehenden Sturmflut. Viele der Feuerwehrleute haben Urlaub, Johnny Olling nicht. Er arbeitet als Einkaufsleiter bei Bukh in Krusau (Kruså).

Eine Schutzmauer aus Stroh

Am Donnerstag um 9.42 Uhr wird die Freiwillige Feuerwehr Broacker angefordert. Johnny Olling ist für die Abend- und Nachtschicht eingeteilt. Er findet sich gegen 17 Uhr am Strand von Wenningbund (Vemmingbund) ein. Die Frühschicht ist bereits seit 10 Uhr dabei, Strohballen zu stapeln und Sandsäcke zu füllen. 

Der Wall aus Ballen soll die Flut stoppen, und Johnny Olling packt mit an. Die Mauer aus rund 1.600 Maxi-Ballen wächst auf 230 Meter. 

 

Apenrader Förde Als die Wetterdienste am 17. Oktober erste Sturmflutwarnungen ausgeben, ist für Rüdiger Bartling und weitere Mitglieder des Apenrader Rudervereins (ARV) eigentlich klar, was ungefähr auf sie zukommt. Sie gehen zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass es so kommt, wie sie es bereits viele Male erlebt haben. „Da wurde dann etwas angesagt, und dann kam es am Ende doch nicht so schlimm“, erinnert sich Bartling.

Der ARV bereitet sich am Strandvej auf die Flut vor

Weil sich die Wetterdienste – auch die aus Deutschland – einig sind, dass eine Jahrhundertsturmflut drohen könnte, beginnen die Verantwortlichen am Strandvej dennoch mit den ersten Vorbereitungen. Jeden Mittwoch steht ein gemeinsames Treffen am Morgen auf der Agenda der Vereinsältesten. Schon am Vormittag merkt Bartling, dass der Wasserstand höher ist als gewöhnlich. 

Rüdiger Bartling auf der Straße, die während der Sturmflut überschwemmt wurde Foto: Karin Riggelsen

Bereits zu dieser Zeit entscheiden sie, dass es zu gefährlich ist, die Steganlage noch einzuholen und in Sicherheit zu bringen. „Die Brückenteile müssen vorher voneinander gelöst werden, und da muss man aufpassen, dass nicht Hände oder Finger da reingeraten. Das wollten wir nicht riskieren“, erinnert sich Bartling. 

Die zwei schwimmenden Teile sollten planmäßig erst eine Woche später aus dem Wasser geholt werden. 

Eine Rudertour auf den Wellen der Sturmflut

Man entschließt sich, es erst mal so zu versuchen. Das Wetter ist an diesem Mittwoch noch relativ gut, und so bricht die Gruppe zu einer Rudertour entlang der Küste auf.

„Aufs Wasser raus bei dem Wellengang, das hat richtig Spaß gemacht“, so Bartling. Dass ihr Vereinsheim nur zwei Tage später in den Fluten versinkt und der ARV immensen Schäden gegenübersteht, ahnt zu diesem Zeitpunkt keiner der vier Männer im Boot.

Der Apenrader Ruderverein im Sonnenschein knapp ein Jahr nach der Sturmflut Foto: Karin Riggelsen

Heisagger Strand 110 Schritte sind es von Annika Lynnerups Terrasse am Sommerhaus in Heisagger Strand (Hejsager) bis zur öffentlichen Sauna am Strand. 150 Meter, die ihr Haus in der Regel vom Ostseestrand trennen. In den Tagen vor der Sturmflut macht sich die gebürtige Färingerin daher nicht so viele Sorgen, dass das Wasser tatsächlich ihr Haus erreichen kann. Auch weil die Bereitschaftsbehörde zum Schutz großflächig Watertubes zwischen der Straße und dem Strand aufstellt. Weiter draußen gibt es außerdem einen Deich. 

Urlaubsgäste aus Deutschland reisen ab

Schon am Donnerstagvormittag werden ihre Gäste aus Deutschland aufgefordert, das Sommerhaus aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Die Nachricht erhalten sie über den direkten Nachbarn, nicht von der Ferienhausvermietung, über die Annika ihr Sommerhaus auch an Fremde vermietet. Eigentlich hatten ihre Urlaubenden von Sonnabend bis Sonnabend gebucht. 

Annika Lynnerup in ihrem Sommerhaus am Heisagger Strand Foto: Karin Riggelsen

Flensburger Förde, Iller Die Oktobertage vor der Sturmflut verbringt Dieter Jessen allein in seinem Haus am Iller Strandvej. Seit dem Sommer 2010 ist das historische Haus aus dem Jahr 1910 in seinem Besitz. Besonders die Lage hatte es Jessen und seiner Lebensgefährtin damals angetan. An diesem Dienstag, es ist der 17. Oktober 2023, blickt der damals 69-Jährige auf die ersten Prognosen der anrollenden Sturmflut.

„Das Wasser war noch nie beim Haus“

„Ich habe immer von den Nachbarn gehört, dass das Wasser noch nie hier oben beim Haus war“, erinnert er sich an den Hauskauf. Eine Aussage, die ihn auch in dieser Oktoberwoche beruhigt. Bei vorherigen Sturmfluten hatte das Wasser zwar immer auf angrenzenden Feldern und den tieferliegenden Straßenabschnitten gestanden, weiß Jessen, aber nie bis vor seine Haustür. „Ich gehe hier auch gern bei Sturm spazieren, um zu sehen, wo das Wasser überall hochkommt.“

Noch ahnt er nicht, dass die Nacht vom 19. auf den 20. Oktober ein gewaltsames Naturereignis werden wird. In den kommenden Tagen informiert sich Jessen immer wieder über interaktive Sturmflutkarten im Internet.

Dieter Jessen
Dieter Jessen vor seinem Haus am Iller Strandvej Foto: Karin Riggelsen

Apenrader Förde Am Mittwochvormittag wird Stabsleiter Thomas Lund Sørensen klar: Die Stadt Apenrade benötigt Hilfe von außen. Um 11.27 Uhr ruft er bei der dänischen Bereitschaftsbehörde an und bestellt 1,2 Kilometer Wasserschlauch-Sperren, sogenannte Watertubes. Die Kommune Apenrade ist damit allen anderen einen Schritt voraus – und erhält die Zusage.

Noch am Mittwoch bildet sich ein rund 20-köpfiger Krisenstab in Zusammenarbeit mit der Kommune Apenrade, den Stadtwerken und dem Expertenteam vom Apenrader Hafen.

Thomas Lund Sørensen und Christian Krag Hildebrandt
Stabschef Thomas Lund Sørensen und Einsatzleiter Christian Krag Hildebrandt stehen dort, wo das Wasser aus dem Apenrader Hafen über die Straße schwappte. Foto: Karin Riggelsen

Am Apenrader Hafen werden die Watertubes ausgelegt

Auch die Einsatzleiter der Feuer- und Rettungswache werden Teil des Stabs, der sich im Rathaus und in der Brandwache räumlich einrichtet. Thomas Lund Sørensen leitet das Krisenkommando.

Am Mittwochnachmittag werden die Watertubes ausgelegt. Das zuständige Team der Bereitschaftsbehörde arbeitet die Nacht zu Donnerstag durch. Am Donnerstagvormittag steigen die Prognosen für die Hochwasserstände immer weiter. 

 

Flensburger Förde, Iller Auch Dieter Jessen dokumentiert in Iller, dass das Wasser steigt. Schon am Donnerstagvormittag beobachtet er, wie das Wasser an den Feldern immer höher steht. Jessen hält das herannahende Wasser mit seiner Kamera fest, bis es zu dunkel wird. 

Düstere Prognosen für die südliche Ostsee 

Die Prognose für den Freitagabend verschärft sich weiter: Das Wasser könnte auf bis zu 2,10 Meter steigen und somit auch sein Haus erreichen. „Ich hatte fortlaufend verfolgt, wie hoch der Wasserstand aktuell ist“, sagt Jessen rückblickend. 

Dieter Jessen geht am Abend der Sturmflut auf eine Generalversammlung hinauf ins Iller Schloss. Währenddessen steigt das Meer immer weiter. Foto: Karin Riggelsen

Bucht von Wenningbund Das Wasser in der Bucht steigt, doch am Freitagnachmittag ahnt Campingplatzbetreiber Peer Mäder von der Dramatik der kommenden Nacht noch nichts. Das Wasser kommt ohne Tosen, ohne große Wellen. Dass das Wasser in dieser Nacht für ihn nicht die größte Gefahr darstellen wird, weiß er noch nicht. 

Mit Blick auf die steigenden Pegel handelt Peer. Er kontaktiert seinen Nachbarn, gemeinsam fahren sie nach Broacker (Broager), wo die Kommune auf dem Marktplatz Sand und Säcke zur Verfügung stellt. Peer beginnt um 13 Uhr zu schaufeln. 500 Säcke liegen vor ihm.

Es war kaum Wind, als ich nachmittags hier ankam. Ich ging weiter davon aus, dass unser Platz zu weit weg vom Meer liegt, als dass die Flut uns trifft.

Peer Mäder
Sandsäcke in Gammelmark
Peer Mäder und einige Helferinnen und Helfer füllen Sandsäcke in Gammelmark. Foto: Privat

Apenrader Bucht Einsatzleiter Christian Krag Hildebrandt von „Brand og Redning Sønderjylland“ trägt die technische Verantwortung am Apenrader Hafen. Er managt Material und Rahmenbedingungen, sodass die Bereitschaftsbehörde die Wasserschläuche aufbauen kann.

 

Um 16 Uhr am Donnerstag wird er nach Hause geschickt, um Kräfte für den Freitag zu sammeln. Der Wasserdamm steht, die Sturmflut rollt an. Als der Einsatzleiter am Freitagmorgen zur Arbeit erscheint, checkt er die Lage am Hafen. Der Wind nimmt nach einer Atempause wieder zu, es beginnt zu regnen. „Alles in allem war die Lage friedlich“, erinnert sich Hildebrandt. 

 

Wenningbund Strand Feuerwehrmann Johnny Olling arbeitet in der Nacht auf Freitag bis 4 Uhr morgens am Strand von Wenningbund. Die Strohwand ist bis auf 30 Meter fertig, als er nach Hause fährt. Nach zwei Stunden Schlaf fährt er zur Arbeit nach Krusau (Kruså) und am Freitagmittag zurück zum Strand.

Insgesamt 16.000 Sandsäcke haben die Feuerwehrleute mittlerweile gefüllt und den Sommerhausbesitzerinnen und -besitzern zur Verfügung gestellt, jetzt kommt die Flut. 

Die Sommerhäuser direkt am Strand sind bereits geflutet. Die Menschen der Häuser hinter der Straße und hinter dem 1,2 Kilometer langen Wall aus Strohballen und Metallstreben haben noch Hoffnung, dass ihre Häuser unbeschadet davonkommen. 

Johnny Olling kommt Donnerstag am frühen Abend an den Strandvej in Wenningbund und hilft mit, den Strohdeich zu bauen und Sandsäcke zu schaufeln. Foto: Karin Riggelsen

Apenrader Förde Die Verantwortlichen vom Apenrader Ruderverein ARV wiegen sich noch in Sicherheit, weil das Vereinsheim durch den höher gelegenen Strandvej wie durch einen kleinen Damm von der Apenrader Förde getrennt ist. 

„Das Wasser kam nie über den Strandvej“

Bei früheren Sturmfluten hat Rüdiger Bartling schon erlebt, dass die äußeren Stegelemente wahrscheinlich nicht überleben werden, das Wasser kam aber nie über den Strandvej. Gerade bei Südost- und Ostwinden ist der Strandabschnitt vor dem Ruderverein sehr exponiert. Pläne für einen Wellenbrecher liegen zwar schon lange in der Schublade der Kommune, sind bis zum Oktober 2023 aber nicht realisiert worden. 

Noch am Mittwochnachmittag wird überlegt, ob und wie viel Sicherung es am Vereinsheim benötigt. Denn die Räumlichkeiten und die Halle mit den zwei großen Toren und den darin lagernden Ruderbooten liegen etwas tiefer.

 

Flensburger Förde, Iller Am Freitagvormittag sieht Dieter Jessen in Iller aus seinem Esszimmer heraus zu, wie das Wasser langsam hochkommt. Durch das Fenster kann er zwischen dem Haus seiner Nachbarn und einer Hecke auf die Flensburger Förde blicken. Bei gutem Wetter bis Alnor und zum Kirchturm von Ekensund (Egernsund). Auch am Freitag zückt er die Kamera und dokumentiert den steigenden Wasserstand am Ufer.

Iller Strand
Dieter Jessen dokumentiert die Schutzmaßnahmen seiner Nachbarn. Am Ende werden sie nicht helfen, das steigende Wasser aufzuhalten. Foto: Privat

Die Flut kommt, Dieter Jessen geht zur Generalversammlung

Dann kommt die Meldung, dass sich Bürgerinnen und Bürger Sandsäcke bei der Feuerwehr füllen können. Dieter Jessen macht davon jedoch keinen Gebrauch. Erst wenige Wochen zuvor hatte eine Firma die Abwassertrennung auf seiner Einfahrt durchgeführt. „Da hatte ich Sand übrig und Säcke da und habe die gefüllt. Ich habe eine Folie vor die Haustür gemacht und dann die Sandsäcke davor gestapelt“, erinnert sich der heute 70-Jährige. Zu diesem Zeitpunkt am Freitagnachmittag denkt er noch, dass das Wasser nicht so weit kommen wird. 

Jessen macht sich gegen 18 Uhr zu Fuß auf zu einer Generalversammlung im Iller Slot, das nur wenige Hundert Meter von seinem Sommerhaus entfernt auf einer Anhöhe liegt. Es ist noch hell. Jessen sieht, dass der Iller Strandvej einige Hundert Meter weiter von seinem Haus entfernt bereits überflutet ist. 

Heisagger Strand Am Donnerstagnachmittag gegen 14 Uhr kommen Annika Lynnerup und ihr Ehemann zu ihrem Sommerhaus in Heisagger. Gemeinsam mit den deutschen Feriengästen füllen und schleppen sie knapp 50 Sandsäcke von der Bereitschaftsbehörde und sichern das Haus rundherum. 

Erst am Abend, als es dunkel wird, verabschieden sich die Urlauber. Auch die 53-Jährige und ihr Mann fahren nach Hause nach Hadersleben (Haderslev). 

Menschen sollen Ferienhausgebiete verlassen

Am Freitagabend weist die Bereitschaftsbehörde an, dass die Menschen die Sommerhausgebiete an der Sandvig verlassen sollen. Die Gefahr ist zu groß, und es ist nicht sichergestellt, dass Rettungskräfte während der Sturmflut noch über die Straßen hilfsbedürftige Menschen erreichen können. Auch Anwohnende, die dauerhaft in Heisagger Strand leben, werden aufgefordert, ihr Zuhause zu verlassen. 

Am Freitagabend geht Annika Lynnerup noch davon aus, dass ihr Sommerhaus nicht überflutet wird. Foto: Karin Riggelsen
Heisagger Strand
Annika, ihr Mann und Gäste haben gemeinsam das Haus am Heisagger Strand mit Sandsäcken gesichert. Foto: Privat

Apenrader Förde Am Donnerstagvormittag gibt die Kommune bekannt, dass Sandsäcke bereitgestellt werden. Etwa zehn Helferinnen und Helfer der Kajakabteilung des Rudervereins beginnen damit, mit größeren Wagen Sandsäcke von der Bereitschaftsbehörde zum Vereinsheim zu transportieren und sie rundherum an den Türöffnungen zu platzieren. Zusätzlich bringen die Vereinsmitglieder Plastikfolien an, um ein Eindringen von Wasser im Fall des Falles zu verhindern. 

„Eigentlich haben wir alle aber zu dem Zeitpunkt noch immer nicht gedacht, dass was kommt, aber wir haben Vorsichtsmaßnahmen getroffen“, erinnert sich Bartling an den Tag vor der großen Flut. 

Apenrade Hafen
Rüdiger Bartling fährt mit dem Fahrrad am Freitag immer wieder in Richtung ARV und dokumentiert unterwegs auch das Hochwasser am Apenrader Hafen Foto: Privat

Mit dem Fahrrad durch das Salzwasser in der Innenstadt

Am Donnerstagabend ist die Lage am Strandvej für den Apenrader Ruderverein noch entspannt. Rüdiger Bartling pendelt mit dem Fahrrad mehrmals an diesem Tag von seinem Zuhause im Ellemosen die rund vier Kilometer rüber in den Strandvej. Dabei dokumentiert er mit seiner Kamera das auflaufende Wasser am Flensborgvej und Kystvej und muss mit seinem Rad stellenweise bereits durch Wasser fahren, das auf der Straße steht. 

Er sieht am Freitagmittag, wie beim Supermarkt Føtex in der Apenrader Innenstadt Sandsäcke den Haupteingang versperren und ein Zugang nur noch über den ersten Stock möglich ist. 

Rüdiger Bartling
Rüdiger Bartling im Vereinsheim des ARV Foto: Karin Riggelsen
Sturmschaden beim ARV
Am Freitagmorgen ist der erste Sturmschaden beim ARV zu beklagen. Der Bootsanleger geht in den Fluten unter. Foto: Privat

Bucht von Wenningbund Während die Vorbereitungen andernorts abgeschlossen sind, wird an der Bucht von Wenningbund noch gearbeitet. Es ist Freitagabend, 18.23 Uhr. Campingplatzbetreiber Peer Mäder versiegelt die letzte Tür zu seinem Servicehaus auf Broackerland, das von Sandsäcken umzingelt ist. 

Insgesamt drei Anhänger mit 500 Sandsäcken hat er zuvor nach Gammelmark gefahren. Die erste Saison als Campingplatzbesitzer endet für ihn dramatisch: Er muss seine Existenz gegen die immer weiter steigenden Fluten schützen. 

Nach einigen Stunden Windstille legt der Sturm jetzt richtig los. Die Wassermassen dringen unaufhaltsam ins Innere seines Campingplatzes.  

Wie die Menschen in Nordschleswig die Sturmflut überstanden haben, davon erzählt Teil 2 der Sturmflut-Reportage. 

 

Bis zum späten Freitagabend macht Peer Mäder auf seinem Campingplatz die Runde auf dem Deich, dann übernimmt die Flut seinen Platz. Foto: Karin Riggelsen
Peer Mäders Campingplatz
Mit Sandsäcken ist das Servicehaus auf Peer Mäders Campingplatz gesichert. Foto: Privat

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