Ehrenamt
Flucht vor häuslicher Gewalt – die Freiwilligen im Frauenhaus Apenrade haben immer ein offenes Ohr
Nach häuslicher Gewalt – die Freiwilligen im Frauenhaus haben ein offenes Ohr
Immer ein offenes Ohr – Freiwillige im Frauenhaus Apenrade
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Damit ein Frauenhaus funktioniert und zu einem sicheren Ort wird, müssen viele verschiedene Leute zusammenarbeiten. Für die Einrichtung in Apenrade sind das nicht nur festangestellte Fachkräfte, sondern auch engagierte Freiwillige. Warum sie für das Apenrader Frauenhaus so wichtig sind und die Arbeit vor Ort nachhaltig unterstützen, erklären Hanne Frederiksen und Henriette Tvede Andersen.
Von außen wirkt das Gebäude unscheinbar. Gelbe Fassade, Fenster, Türen und ein Dach – ein Haus eben. Doch was vom Bürgersteig aus nicht zu sehen ist, ist, dass das Frauenhaus in Apenrade (Aabenraa Krisecenter) voller Leben steckt.
Henriette Tvede Andersen leitet die Deutsche Schule Sonderburg und arbeitet ehrenamtlich im Frauenhaus. Seit Kurzem ist sie hier die neue Vorsitzende und freut sich auf die Zusammenarbeit mit Leiterin Hanne Frederiksen und dem restlichen Vorstand. Zu ihrem Ehrenamt kam sie über die Teilnahme an einer Infoveranstaltung der Organisation.
„Ich hatte viel ungenutzte Zeit in meinem Alltag und wollte diese sinnvoll nutzen. Für Freiwilligenarbeit habe ich mich schon immer interessiert, und ich wusste, dass das Frauenhaus nach Leuten sucht“, erzählt sie dem „Nordschleswiger“. Nach vier Jahren findet sie die Arbeit immer noch spannend und sinnvoll.
Zuhören und da sein
Insgesamt sind 70 Freiwillige für das Frauenhaus tätig. Tvede Andersen erklärt, dass alle einen festen Tag haben, an dem sie zweimal im Monat erscheinen. Jeweils zu zweit lösen sie um 17 Uhr die Festangestellten ab und verbringen die Nacht vor Ort. Bevor die Angestellten in den Feierabend gehen, geben sie ihnen einen Überblick über das, was am Tag passiert ist, und ob sie auf etwas Besonderes achten müssen, wie zum Beispiel den wiederholten Besuch eines bestimmten Mannes.
„Und ab dann sind wir einfach hier“, sagt die Vorsitzende. „Wir sind mit den Frauen zusammen, kochen, essen um 17.30 Uhr mit den Frauen und den Kindern, und danach ist frei.“
Die Hauptaufgabe der Freiwilligen bestehe darin, für die Frauen ansprechbar zu sein. Wenn sie etwas brauchen oder irgendwelche Bedürfnisse haben, helfen sie ihnen. Falls Frauen nachts im Frauenhaus ankommen, empfangen die Freiwilligen sie.
Wir sind nicht da, um mit ihnen zu arbeiten – wir sind einfach da.
Henriette Tvede Andersen
Die Freiwilligen übernachten im Frauenhaus. Morgens um 7 Uhr kommt das Personal und übernimmt. Wenn etwas vorgefallen ist, erzählen sie davon, bevor sie die Verantwortung übergeben, dann fahren sie nach Hause oder zur Arbeit.
Sicher und geborgen
Tvede Andersen liebt das Zusammensein und die Gemeinschaft, die sie in ihrem Freiwilligendienst erfährt: „Ich fühle mich wohl und sicher. Und wir Freiwilligen kommen her, weil wir es gerne möchten, sind immer zu zweit und in guter Gesellschaft. Wir können miteinander und mit den Frauen über alles Mögliche reden – über die Kinder, über Filme, übers Essen, über Belanglosigkeiten und die Probleme erst mal außen vor lassen.“
Angst, im Frauenhaus zu übernachten, habe die 47-Jährige nicht. Sie fühle sich dort vollkommen sicher.
Ich denke überhaupt nicht darüber nach, dass irgendetwas passieren könnte.
Henriette Tvede Andersen
Auch die Leiterin des Frauenhauses, Hanne Frederiksen, bestätigt die hohe Sicherheit des Gebäudes: „Das Frauenhaus hat Kameras und elektronische Anlagen“, sagt sie. „Niemand ohne Zugang kann von außen rein.“
Es kommt vor, dass Männer vor dem Haus stehen, die eine der Bewohnerinnen sehen wollen. Wenn sie zur Belästigung werden, rufen die Angestellten die Polizei, und die nimmt sie mit. Frederiksen erzählt, dass es auch hartnäckige Männer gebe, die immer wiederkommen. In solchen Fällen würden sie den Umzug der betroffenen Frau in ein anderes Frauenhaus einleiten.
„Das kommt nicht mehr so oft vor“, sagt die Leiterin und erinnert sich an ihre Anfangszeit vor vier Jahren. Damals sei es schlimmer gewesen.
Sie denkt, das liege daran, dass das Frauenhaus öffentlicher geworden ist. Die Frauen können viel über die Einrichtung lesen, bevor sie einziehen und machen sich Gedanken darüber, wie sicher es dort ist. So können sie gegebenenfalls entscheiden, ob sie lieber in eine entferntere Einrichtung gehen, damit sie schwieriger zu erreichen sind. Auf der Internetseite oder auf Facebook können sie viel darüber erfahren, wie das Frauenhaus arbeitet. Auch die Männer merken dadurch, dass die hohe Sicherheitsstufe sie von unerwünschten Besuchen abhält.
Zweitens sei die mediale Präsenz größer geworden. Frederiksen glaubt, dadurch seien die Männer etwas abgeschreckt und wissen, dass sie nicht einfach auftauchen und reinkommen können.
Die Freiwilligen sind nicht dazu da, Probleme aufzuarbeiten
Hanne Frederiksen ist eine von insgesamt acht Festangestellten. Sozialarbeiterinnen, Pädagoginnen, Hauswirtschafterinnen und eine Buchhalterin sind tagsüber vor Ort. Die Freiwilligen übernehmen ausschließlich die Abend- und Nachtschichten.
„Für die Frauen ist das sehr wichtig. Wenn wir arbeiten, dann arbeiten auch sie: mit sich selbst oder mit den Kindern“, erklärt die 53-Jährige. „Wenn wir nach Hause gehen, dann haben die Frauen auch frei. Die Freiwilligen kommen also nicht, um zu arbeiten, sondern um zu unterstützen und einfach nur da zu sein.“
Tagsüber haben die Bewohnerinnen Gespräche mit den Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen. Sie sollen sich entwickeln und aussprechen können, die Probleme aufarbeiten und weiterkommen. Das sei ein Prozess, der das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl steigert.
In vielen Fällen wohnen die Frauen mit ihren Kindern im Frauenhaus. Diese können meistens nicht in den Kindergarten oder die Schule, weil das nicht sicher ist. Die Pädagoginnen beschäftigen die Kinder, spielen mit ihnen, gehen ins Kino oder machen Hausaufgaben, je nachdem, wie alt sie sind und welche Bedürfnisse sie haben.
Der durchschnittliche Aufenthalt einer Frau im Frauenhaus dauert vier Monate. Die Sozialarbeiterinnen begleiten die Frauen durch den Scheidungsprozess und die Prozesse, in denen das Sorgerecht für die Kinder geklärt wird.
Sie erarbeiten gemeinsam, wie es für die Frauen weitergeht, nachdem sie das Frauenhaus verlassen, und helfen ihnen auch bei der Wohnungssuche.
Wenn sie das Frauenhaus verlassen, werden sie nicht komplett alleingelassen. Es gibt noch andere Organisationen, mit denen das Frauenhaus in Kontakt steht, die auch Freiwillige haben und den Betroffenen helfen, ihr neues Leben aufzubauen.
Kein Frauenhaus ohne Freiwillige
Hanne Frederiksen hat auch Kontakt zu anderen Frauenhäusern, in denen nur Angestellte arbeiten und keine Freiwilligen. Sie zieht ihre Version, in dem die Ehrenamtlichen abends die Angestellten ablösen, vor, weil dadurch ein klarer Bruch entsteht, der den Frauen signalisiert, dass sie jetzt frei haben.
„Das ist schwer, wenn Fachleute jeden Tag 24 Stunden auf dich gucken“, weiß sie. „Für mich als Leiterin ist die Arbeit der Freiwilligen eine schöne Möglichkeit, das Frauenhaus in eine größere Sache zu entwickeln.“
Ehrenamtliche sind immer willkommen
Henriette Tvede Andersen wünscht sich, dass mehr Freiwillige für das Frauenhaus tätig wären. Laut ihr solle man einfach mal an einem Infoabend vorbeikommen. Die Freiwilligen sind nicht nur unter der Woche, sondern auch an den Wochenenden da, und es sind viele Schichten, die belegt werden müssen. In der Regel haben sie noch Arbeit und Privatleben neben dem Frauenhaus und können manchmal nicht einspringen.
Je mehr wir sind, desto leichter ist es.
Henriette Tvede Andersen
Wer ein Teil des Frauenhauses sein möchte, sollte offen und positiv sein, Zeit haben und etwas bewirken wollen. Engagierte Männer sind genauso willkommen wie Frauen.
Die nächste Infoveranstaltung ist am 7. Mai ab 19.30 Uhr im Freiwilligenzentrum Apenrade (Frivilligcenter Aabenraa).