Deutsche Minderheit

Von blauen Bändern und offenen Türen: Auf du und du mit Christiansborg

Von blauen Bändern und offenen Türen: Auf du und du mit Christiansborg

Blaue Bänder, offene Türen: Auf du und du mit Christiansborg

Apenrade/Aabenraa
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Zum Journalismus gehört das richtige Näschen und auch ein gewisses Glück dazu. In der Wahlnacht vertraute er auf sein Bauchgefühl. Und das war gut so. Foto: Anke Haagensen

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Kopenhagen-Korrespondent Walter Turnowsky plauderte auf der Generalversammlung des BDN-Ortsvereins Apenrade über seinen Job für den „Nordschleswiger“ und gewährte interessante Einblicke in die Arbeit des Folketings.

Die Berufsbezeichnung „Korrespondent in Kopenhagen“ steht seit dem 1. April 2020 im Impressum des „Nordschleswigers“ hinter dem Namen von Walter Turnowsky. Auf der Generalversammlung des Apenrader Ortsvereins des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) schilderte der Journalist einen typischen Alltag in seinem Büroraum auf Christiansborg. Allerdings hat es von diesen „normalen Tagen“ bislang aber noch nicht wirklich viele gegeben – wegen Corona, wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine, wegen der Folketingswahl und wegen der Energiekrise. Was den Journalisten Turnowsky natürlich freut. Der Privatmensch Turnowsky würde sicherlich eine Erde ohne Krankheit, Kriege und Katastrophen bevorzugen.

Lebensmittelpunkt Kopenhagen

Als die Chefredaktion des „Nordschleswigers“ noch daran arbeitete, Walter Turnowsky ins eigene Boot zu holen, war von Corona und Co. keine Rede. Man wollte ihn als Journalisten gewinnen. Obwohl Turnowsky 1964 als Sohn österreichischer Eltern in Klagenfurt geboren wurde, ist er in Nordschleswig als Kind der deutschen Minderheit aufgewachsen. Dennoch stand für ihn ein Umzug in die alte nordschleswigsche Heimat außer Frage. Sein Lebensmittelpunkt lag inzwischen in Kopenhagen, und so sollte es auch bleiben.

Es wurde daher eine neue Stelle als Kopenhagen-Korrespondent geschaffen. So konnte Walter Turnowsky in der dänischen Hauptstadt bleiben und doch für journalistischen Mehrwert im „Nordschleswiger“ sorgen.

Humorig und lebendig erzählte Walter Turnowsky von seinen ersten Jahren als Kopenhagen-Korrespondent für den „Nordschleswiger“. Foto: Anke Haagensen

Die Philosophie von Abständen

„Es ist schon manchmal weit von Nordschleswig nach Kopenhagen, aber es ist richtig weit von Kopenhagen nach Nordschleswig“, lautete die nahezu philosophische Feststellung Turnowskys. Er sehe seine Rolle deshalb nicht nur als Korrespondent, sondern auch als Vermittler, wie er hinzufügte. „Meine Stelle ist neu und wird ständig neu definiert“, so der 58-Jährige.

In dieser Rolle fühlt er sich ganz offensichtlich pudelwohl. Er hat das Spiel auf Christiansborg verstanden und mischt gerne mit, wie auf der Generalversammlung des BDN-Ortsvereins aus seinen humorigen Erzählungen hervorging.

Sein erster Arbeitstag fiel 2020 in den Corona-Lockdown. Erster Termin war eine der berühmt-berüchtigten Pressekonferenzen mit Staatsministerin Mette Frederiksen (Sozialdemokratie). Ein solcher Start von 0 auf 100 – oder sogar 200 – hätte anderen Journalistinnen und Journalisten sicherlich großes Nervenflattern bereitet. Turnowsky indes schaffte es immer wieder, bei den großen und auch den kleineren Pressekonferenzen ans Mikrofon zu kommen, um seine Fragen zu stellen.

Wenn ich nicht ab und zu Schelte bekomme, dann habe ich meinen Beruf als Journalist verfehlt.

Walter Turnowsky, Kopenhagen-Korrespondent des „Nordschleswigers“

Kritik muss sein

Und wenn man bei Pressekonferenzen geflissentlich ignoriert wird, um nicht zu den Grenzkontrollen befragt zu werden, dann hat man es als Pressemensch wohl geschafft. Dann ist man bekannt. „Walter Turnowsky, journalist på ,Der Nordschleswiger’, det tyske mindretals netmedie“ sieht es zumindest so.

„Natürlich sind nicht immer alle einig mit dem, was ich schreibe. Ich sehe es aber eigentlich so: Wenn ich nicht ab und zu Schelte bekomme, dann habe ich meinen Beruf als Journalist verfehlt“, sagt er augenzwinkernd.

Toll findet der 58-Jährige die Politik der offenen Türen, die auf Christiansborg praktiziert wird. Die Flure, auf denen die Politikerinnen und Politiker ihre Büros haben, sind für Frauen und Männer der Presse mit den blauen Schlüsselbändern immer zugänglich. „Ist die Bürotür geöffnet, kann man einfach anklopfen und reingehen“, schildert Turnowsky die Besonderheit des dänischen Folketings. Er weiß von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern, dass das dort undenkbar wäre. Auch persönliche Interviewtermine sind dort eher die Ausnahme; auf Christiansborg ist das eigentlich normal.

Das Publikum war vielleicht nicht so zahlreich erschienen, dafür war aber die Fragelust groß. Foto: Anke Haagensen

Warten auf Antwort

Stattdessen müssen Pressevertreterinnen und Pressevertreter ihre Fragen meist schriftlich im jeweiligen Sekretariat einreichen. Die Antworten kommen in der Regel auch schriftlich zurück; das persönliche Interview ist eher die Ausnahme. Das sei zum Glück auf Christiansborg anders.

Obwohl auch er schon 48 Stunden auf eine Antwort von Justizminister Peter Hummelgaard (Sozialdemokratie) gewartet hat. Es ging bei der Frage mal wieder um die Lockerungen für Grenzpendelnde. Die Antwort war auch nach zweitägiger Bedenkzeit vom Minister und dessen Beraterteam für einen Journalisten wie Turnowsky eher unbefriedigend, weil nichtssagend, aber auch eine solche Antwort spreche Bände, wie der Journalist feststellte.

Es freue ihn immer wieder, wenn er Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Couleur entweder in einem der Restaurants des Folketings im netten Plausch miteinander scherzen oder abends in irgendeiner Kneipe der Hauptstadt miteinander jazzen sieht, auch wenn sie sich kurz zuvor im Plenarsaal heftig angegangen waren. Auch das ist in anderen Ländern sicherlich nahezu unvorstellbar, aber in Dänemark ganz normal.

Journalistische Ausflüge

Sosehr er die Politik mag, so genehmigt er sich gelegentlich auch mal journalistische Ausflüge in andere Bereiche. „Das brauche ich einfach ab und zu“, stellte Turnowsky fest. Demnächst wird Teil zwei eines längeren Interviews mit dem aus Apenrade stammenden Frelle Petersen („Onkel“, „Resten af livet“) veröffentlicht, wo der Filmregisseur unter anderem Einblicke darüber gibt, wie und wo er die Ideen für seine Themen und Personen findet.

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Orbáns Schatten reicht bis zu uns ins Grenzland“