Leitartikel

„Eine Entschuldigung“

Eine Entschuldigung

Eine Entschuldigung

Cornelius v. Tiedemann und Gwyn Nissen
Nordschleswig/Apenrade
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Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, hat sich beim Besuch von Königin Margrethe und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Deutschen Museum erstmals für die Rolle der Minderheit während der Nazi-Zeit entschuldigt.

„Es ist eine Vergangenheit, auf die wir nicht stolz sind und für die wir uns entschuldigen, die aber zu unserer Geschichte gehört.“

Als der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, am Sonntag diese Worte anlässlich des Besuchs von Königin Margrethe und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Deutschen Museum in Sonderburg sprach, schrieb er Grenzland-Geschichte.

Die deutsche Minderheit in Nordschleswig hat sich damit erstmals offiziell für ihre Vergangenheit und Rolle während der Nazi-Herrschaft entschuldigt.

Bereits in den Jahrzehnten zuvor hat es mehrere ernstzunehmende Anläufe vonseiten der Minderheit gegeben.

So sagte der damalige BDN-Hauptvorsitzende Gerhard Schmidt in seiner Rede beim Königinbesuch 1986 in der Sporthalle Tingleff „... ja schwere Stürme und Unwetter haben auch Wellen der Not mit sich geführt, die Unglück über dieses Land brachten. Dafür tragen wir als deutsche Minderheit eine Mitverantwortung vor der Geschichte, der wir uns als Deutsche auch künftig stellen.“

Fast zehn Jahre später wurde der BDN-Hauptvorsitzende Hans Heinrich Hansen in seiner Rede auf Düppel – wiederum vor Königin Margrethe – noch deutlicher: Die deutsche Minderheit bekennt sich zu ihrer Geschichte und damit auch zu ihrer Mitverantwortung für diese dunkle Periode. Wir haben aber bewiesen, dass wir daraus gelernt haben.

Drei Hauptvorsitzende hintereinander haben somit die (Mit)-Verantwortung auf sich genommen und gleichzeitig die Loyalität der Minderheit gegenüber Staat und Königshaus untermauert.

Ist eine Entschuldigung heute aber überhaupt noch nötig?

Es wird 2021 sicherlich nicht von der Mehrheit erwartet, dass sich die Minderheit ständig entschuldigt. Es ist aber dennoch ein starkes Signal der neuen Generation, dass auch sie sich zur Geschichte bekennt. Dass es heute im Trend liegt, sich öffentlich zu entschuldigen, soll die klaren Worte Hinrich Jürgensens nicht schmälern.

Als Minderheit berufen wir uns selbst auf die Geschichte und Tradition, wenn es zum Beispiel um die Frage der Existenzberechtigung geht und um die eigene Identität.

Wenn man diese Kultur und Tradition annimmt und zu ihr steht, dann nimmt man auch die Geschichte an und steht zu den Verfehlungen, die im Namen der eigenen Kultur begangen worden sind – und kann sich, als „Traditionsgemeinschaft”, in dem Selbstbewusstsein entschuldigen, aus diesen Fehlern gelernt zu haben.

Die heutigen deutschen Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger tragen entsprechend keine Schuld und es ist verwerflich, ihnen die Taten von damals vorzuwerfen – zugleich fällt ihnen mit der Fortführung der deutschen Tradition in Dänemark aber auch die Aufgabe zu, über die Fehler von damals aufzuklären und so dazu beizutragen, dass sie sich, und wenn nur im Ansatz, nicht wiederholen.

Dieser Aufgabe wird die Minderheit als Institution zum Beispiel mit ihrem europaweiten Engagement in der Friedens- und Minderheitenpolitik und ihrem neuen Ansatz zur Vergangenheitsbewältigung auf dem Knivsberg gerecht.

Deshalb kann es durchaus sein, dass sich auch der nächste Hauptvorsitzende in Anwesenheit des Königshauses nochmals im Namen der Minderheit entschuldigen wird.

Zum einen, weil es ein Teil unserer Geschichte ist, und weil wir als Minderheit heute das nötige Selbstvertrauen und das Selbstverständnis haben, auch auf schwierige Fragen Antworten finden zu wollen. Aber eben auch, weil wir heute wissen, dass wir von der Mehrheit respektiert und nicht mehr fallen gelassen werden. 

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Cornelius von Tiedemann
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