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Mit 75 Jahren ist Holger bereit für das nächste Abenteuer

Mit 75 Jahren ist Holger bereit für das nächste Abenteuer

Mit 75 Jahren ist Holger bereit für das nächste Abenteuer

Apenrade/Aabenraa
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Holger Clemmen Andersen hat auf seinen Radtouren sein Gepäck selbst dabei. Es gibt keine Begleitfahrzeuge, die ihn mit Getränken und Essen versorgen. Er ist allein unterwegs. Foto: privat

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Seit seiner Pensionierung als Lehrer geht Holger Clemmen Andersen keinem Abenteuer aus dem Weg. Normalerweise unternimmt er längere Radwanderungen – auch in fremde Länder. Im Herbst geht er für sechs Wochen als Gastlehrer nach Tansania – allerdings ohne „Elvira“.

„Man kann den Unterricht noch so gut vorbereiten, und doch sind die Kinder unzufrieden.“ Den Lehrerberuf in Dänemark bezeichnet Holger Clemmen Andersen im Nachhinein als „undankbaren Job“. Er war nach 32 Jahren im Beruf wohl irgendwie erleichtert, die Tafelkreide aus der Hand geben zu können. Demnächst kehrt der 75-Jährige für sechs Wochen an das Lehrerpult zurück. „Der Gastlehrerjob in Tansania war einfach ein zu reizvolles Abenteuer. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen“, sagt der gebürtige Nordjüte, der heute in Skjern lebt. Dieses abenteuerliche „Jobangebot“ hat er über den Apenrader Verein „Afro-Asia Educare“ erhalten.

Hans Nielsen (r.), Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Afro-Asia Educare, hat Holger Clemmen Andersen (l.) den Gastlehrerjob in Tansania vermittelt. Foto: Anke Haagensen

Erste Erfahrungen in Südschleswig

Holger Clemmen Andersen hat am Lehrerseminar im nordjütischen Raum Englisch studiert. „Meine erste Lehrerstation war in Südschleswig. Nach der bestandenen Prüfung ging ich an die dänische Schule in Kupfermühle. – Ein wenig Abenteuerlust muss ich ja schon damals gehabt haben“, vermutet Holger Clemmen und lacht herzlich.

Nach drei Jahren in Kupfermühle (Kobbermølle) ging er in das „Mutterland“ zurück, hat dort dann vornehmlich als Englischlehrer gearbeitet.

Ein wahrer Abenteurer

Die Vita von Holger Clemmen Andersen liest sich wie der Klappentext eines Abenteuerromans.

Der frühere Radrennfahrer hat die USA auf dem Fahrrad durchquert, war mehrere Male mit dem Fahrrad am Nordkap, ist erst kürzlich 1.880 Kilometer auf seiner „Elvira“ durch Dänemark, Norwegen und Schweden geradelt.

„Elvira“ ist übrigens der Name seines E-Bikes, das er vor zwei Jahren angeschafft hat. Davor war er auf einem Rennrad unterwegs.

Holger Clemmen Andersen hat die Tour quer durch die USA 2001 schon einmal auf seinem Rennrad gemacht. Später hat er sie auf dem E-Bike wiederholt. Er führt über alle seine Expeditionen Tagebuch. Auf bikingdane.dk können Interessierte seine Touren mitverfolgen. Foto: privat

27 Länder in 27 Jahren

In 27 Jahren hat er mit dem Fahrrad 27 verschiedene Länder bereist. Darüber hinaus legte er in den Jahren 2016, 2017 und 2018 als Wahl-Vagabund 2.500 Kilometer zu Fuß zurück – mit Vollbart und Kinderwagen.

Ein wenig verrückt scheint er zu sein. Das gibt er auch zu. Wer sonst reist nach Botswana, um zu kontrollieren, ob das, was der britische Schriftsteller Alexander McCall Smith in seiner Reihe über die botswanische Detektivin Mma Ramotswe über das afrikanische Land geschrieben hat, mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das war 2019.

Der schwarze Kontinent und dessen Bevölkerung hat seitdem offensichtlich einen großen Platz in seinem Herzen.

Jetzt will er als Gastlehrer wieder zurück. Diesmal aber nach Tansania.

Um Hans Nielsen in Apenrade zu besuchen, schwang sich Holger Clemmen Andersen aufs Rad. Foto: Anke Haagensen

Kostenlose Übernachtung

Um mit dem Vorsitzenden von Afro-Asia Educare, Hans Nielsen, in Ruhe ein paar Details durchsprechen zu können, schwang sich der 75-Jährige kurzerhand aufs Rad, um nach Apenrade zu fahren. Diesmal hatte er nicht sein eigenes Zelt dabei, sondern hat Couchsurfing gemacht. „Ich könnte mir locker ein Hotelzimmer leisten, aber ich finde es super interessant, fremde Menschen kennenzulernen“, sagt der 75-jährige Abenteurer. Ganz fremd war ihm die gastfreie Frau, die ihm auf der Fahrt nach Apenrade eine Unterkunft gewährte, allerdings nicht. „Ich habe schon einmal dort übernachtet. Diesmal war sie gar nicht zu Hause und hat mir nur gesagt, wo ich den Schlüssel finde“, erzählt Holger Clemmen Andersen und lacht.

Lange Freundschaft

Den Vorsitzenden des Vereins, Hans Nielsen, hat Holger Clemmen kurioserweise auf den Philippinen kennengelernt – durch einen gemeinsamen Bekannten. Wie lange ihr erstes Aufeinandertreffen her ist, wissen beide nicht mehr. Es kann vor 10 Jahren gewesen sein. „Vermutlich sind es auch schon 20 Jahre her“, sagt der 75-Jährige. Seither stehen die beiden in Kontakt. Clemmen gefällt das Konzept von Afro-Asia Educare. „Bei Kindern und Jugendlichen, die zwar die Fähigkeiten, aber nicht die finanziellen Möglichkeiten besitzen, übernehmen wir das volle Schulgeld“, erläutert Hans Nielsen eines der wichtigsten Hilfsprojekte des Vereins.

Das Geld kommt durch Spenden zusammen. Mit verschiedenen Aktivitäten, unter anderem durch das Kulturfest am 2. September in der Apenrader Freischule an der Bjerggade, versucht der Verein weitere Spendengelder zu sammeln.

Auf seiner Nordtour im Mai dieses Jahres hat er die Nächte fast ausschließlich in seinem kleinen Igluzelt verbracht. Foto: privat

Ergiebige Spendenfahrt

Seine Radtour durch Dänemark, Norwegen und Schweden im Mai hatte Clemmen übrigens als Spendenfahrt aufgezogen. „Ein wenig ist auf diese Weise zusammengekommen“, sagt er bescheiden. Exakt sind es 7.000 Kronen, die er Afro-Asia Educare in Apenrade nun zur Verfügung stellt.

Holger Clemmen Andersen war übrigens auch schon auf den Philippinen und in Südafrika als Gastlehrer tätig. „Lehrkräfte haben dort einen ganz anderen Status. Die Kinder wollen etwas lernen. In einer Klasse sitzen nicht selten bis zu 50 Mädchen und Jungen nebeneinander und dennoch ist es mucksmäuschenstill“, erzählt der 75-Jährige.

Glückliche Kinder?

„Als ich einer Klasse auf den Philippinen erzählte, dass die Kinder in Dänemark meist eigene Zimmer und Computer haben, meinte ein Mädchen: ,Dann müssen sie sehr, sehr glücklich sein.’– Tja, ob sie tatsächlich glücklicher sind, lasse ich jetzt einmal dahingestellt“, sagt Holger Clemmen Andersen und atmet hörbar tief durch. Er hat so seine Zweifel, dass Glück und materieller Reichtum zusammenhängen.

Dass er mit 75 Jahren womöglich zu alt sein könnte, um den Kindern in Tansania als Gastlehrer etwas beibringen zu können, das glaubt er nicht. Hans Nielsen ist auch davon überzeugt, dass Holger Clemmen Andersen mit seiner offenen Art, seiner Neugierde und seiner Abenteuerlust genau der Richtige für den Job ist.

Holger Clemmen Andersen hat auch auf den Philippinen bereits als Gastlehrer gearbeitet. Foto: privat

Respekt vor dem Alter

„Außerdem haben die Menschen in Tansania, ähnlich wie auf den Philippinen, großen Respekt vor dem Alter. Wer alt ist, hat Lebenserfahrung und ist weise“, weiß Nielsen von eigenen Reisen nach Afrika und Asien.

Er hofft, dass andere pensionierte Lehrerinnen und Lehrer dem Beispiel von Holger Clemmen Andersen folgen möchten, um auch sechs oder mehr Wochen als Gastlehrer nach Afrika zu gehen. Jüngere Interessierte können gerne Kontakt zu ihm aufnehmen, unterstreicht er. Es handelt sich um eine private Internatsschule für 14- bis 17-jährige Jugendliche in einem Ort, der nur rund 50 Kilometer außerhalb von Daressalam, der ehemaligen Hauptstadt Tansanias, gelegen ist.

Partnerklassen gesucht

Darüber hinaus hofft der Verein auch, Partnerklassen in Dänemark für Schulen auf den Philippinen oder in Tansania finden zu können. „In Afrika und Asien ist das Interesse sehr groß. Hier in Dänemark scheint der Lehrplan kaum Platz für solche Klassenpartnerschaften zu lassen. Das ist schade, denn ich glaube, das könnte für beide Seiten sehr ergiebig sein“, ist Hans Nielsen überzeugt.

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