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Kopenhagen statt Nairobi: Markus Bollmohr ist neuer Beauftragter für die Minderheit

Markus Bollmohr ist neuer Beauftragter für die Minderheit

Markus Bollmohr ist neuer Beauftragter für die Minderheit

Kopenhagen/Apenrade
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Markus Bollmohr
Markus Bollmohr ist seit Anfang August Botschaftsrat in der Botschaft in Kopenhagen und somit auch Ansprechpartner für die deutsche Minderheit. Foto: Gerrit Hencke

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Markus Bollmohr tritt als neuer Beauftragter der Botschaft in Kopenhagen die Nachfolge von Andrea Berdesinski an, die aus privaten Gründen nach Berlin zurückkehrt. Für den 42-Jährigen waren Nordschleswig und die deutsche Minderheit bis zu seinem Antrittsbesuch in dieser Woche Neuland. Im Interview mit dem „Nordschleswiger“ zeigt er sich beeindruckt von dem, was hier auf die Beine gestellt wird.

„Meine Haupterkenntnis ist, dass es hier sehr viele sehr engagierte Menschen gibt, die sich ehrenamtlich für die deutsche Minderheit einbringen und es ohne dieses Ehrenamt nicht annähernd so funktionieren würde, wie man es hier sieht“, sagt Markus Bollmohr über seinen Antrittsbesuch bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig.  

Seit Anfang August ist der 42-Jährige der neue Beauftragte für die deutsche Minderheit und die Kontakte im Grenzland an der deutschen Botschaft in Kopenhagen. Er löst Andrea Berdesinski ab, die seit Mitte 2022 den Posten innehatte und aus privaten Gründen nach Berlin zurückkehrt. 

Meine Haupterkenntnis ist, dass es hier sehr viele sehr engagierte Menschen gibt, die sich ehrenamtlich für die deutsche Minderheit einbringen und es ohne dieses Ehrenamt nicht annähernd so funktionieren würde, wie man es hier sieht.

Markus Bollmohr

Nordschleswigsches Neuland

„Ich bin beeindruckt von der Breite der Präsenz der Minderheit und was sie in den vier Kommunen so auf die Beine stellen.“ Für Bollmohr ist Nordschleswig absolutes Neuland. „Ich kannte die Minderheit bisher noch nicht und auch Nordschleswig bisher nur von einem privaten Besuch auf Röm (Rømø) vor zwei Jahren“, sagt der Beauftragte. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Minderheit so vielfältig engagiert ist – betrachtet man allein die Vielzahl an Kindergärten, Einrichtungen und auch so etwas wie Faustball, wo die Minderheit die dänische Nationalmannschaft stellt.“ 

Bollmohr übte in den vergangenen 15 Jahren verschiedene Funktionen in Botschaften in Kenia, Somalia und Südafrika aus. Die neue Aufgabe im hohen Norden sei daher etwas „sehr anderes, aber auch total spannend.“

Kopenhagen statt Nairobi

Der starke Kontrast zu Afrika scheint für den 42-Jährigen kein größeres Problem zu sein. „Ich glaube, es ist ein großer Wert, wenn man auch mal den Horizont erweitert und über den Tellerrand hinausschaut.“ Kopenhagen sei dabei nicht die total naheliegende Option gewesen, insbesondere wenn man gebürtig vom anderen Ende Deutschlands stamme.

Damit meint Bollmohr das bayrischen Landshut, wo er geboren wurde. Lange Zeit lebte er aber nahe der österreichischen Grenze. Einen Unterschied zu seiner Heimat kann er bereits ausmachen. „Dort gibt es auf keiner Seite der Grenze eine Minderheit und somit auch deutlich weniger Kontakte über die Grenze hinweg. Da ist das Grenzland hier schon etwas ganz anderes.“

Die Fragen nach Integration, Identität und Kultur, die stellen sich immer.

Markus Bollmohr

Ganz anders als frühere Termine dürfte auch der Besuch bei der deutschen Minderheit gewesen sein. Denn Bollmohr fuhr in Somalia auch mal in gepanzerten Kolonnen zu Terminen, ist auf Bildern in schusssicherer Weste zu sehen. 

Im Vielvölkerstaat Südafrika sammelte er zahlreiche Erfahrungen. „Südafrika ist ein ganz gutes Rüstzeug für jegliche Art von Integrationsfragen. Das Land wird nicht umsonst Rainbow-Nation genannt, mit elf Amtssprachen und noch viel mehr Bevölkerungsgruppen.“ 

„Die Fragen nach Integration, Identität und Kultur, die stellen sich immer“, so der neue Beauftragte. „Und auch wenn es so gut funktioniert wie hier im deutsch-dänischen Verhältnis mit den Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze, die ja auch immer als Vorbild genannt werden, gibt es selbst hier noch Herausforderungen und Dinge, die man verbessern kann.“

Für die Belange der Minderheit da

Als Beispiele nennt er etwa den Rückgang von Menschen in Nordschleswig, die Deutsch lernen, oder aber die Debatte um zweisprachige Ortsschilder. „Das fällt direkt auf. Man sieht auf der deutschen Seite die zweisprachigen Schilder und sobald man über die Grenze kommt eben nicht mehr.“ Dies seien zwar zunächst noch recht oberflächliche Beispiele, aber er sehe es als seine Aufgabe an, sich für die Belange der Minderheit einzusetzen, so Bollmohr.

Lobbyarbeit bleibt weiterhin wichtig, um die Belange der Minderheit bekannt zu machen. Wir werden das in Dänemark über unsere Kanäle unterstützen.

Markus Bollmohr

„Das, was ich hier im Grunde so spannend finde, ist, in ein Land einzutauchen, wo man aus deutscher Sicht oft glaubt, da gibt es ja nichts einzutauchen – einfach, weil wir uns so ähnlich sind.“ Die Beziehungen beider Länder seien vielschichtiger als man zunächst denken könnte. Historisch, aber auch kulturell bedingt, gebe es durchaus Nuancen, die es verdient haben, dass man sich damit mehr auseinandersetzt, so Bollmohr. „Darauf freue ich mich und am Ende hoffe ich, dass ich Dänemark besser verstehe und die besondere Rolle der deutschen Minderheit und wie alles zusammenspielt.“

Pragmatische Lösungen finden

Wie groß der Einfluss ist, den der 42-Jährige nehmen kann, müsse er noch herausfinden. „Vieles wird sich über direkte Kontakte – auch zu den dänischen Stellen auf nationalstaatlicher Ebene in Kopenhagen – ergeben, wo ich bereits gute Gespräche hatte“, so Bollmohr. 

„Das Rezept muss sein, dass man möglichst pragmatische Lösungen im gemeinsamen Einverständnis findet.“ Um Hürden abzubauen, müsse man die existierenden gesetzlichen Rahmen ausnutzen. Die Arbeitsgruppe zum Abbau von grenzüberschreitenden Hindernissen sei da bereits eine gute Lösung. 

Auch in finanziellen Fragen, glaubt Bollmohr, könne er aus Kopenhagen Dinge bewirken. „Lobbyarbeit bleibt weiterhin wichtig, um die Belange der Minderheit bekannt zu machen. Wir werden das in Dänemark über unsere Kanäle unterstützen.“ Des Weiteren habe die Botschaft häufigen Besuch von Delegationen aus Deutschland. „Vielleicht kann man die ein oder anderen Besucher auch ein mal ins Grenzland führen.“ 

Mit Blick auf Deutschland und die schwierigen Haushaltsverhandlungen in Berlin der vergangenen Monate sagt Bollmohr, dass die großen Einschnitte in vielen Bereichen wohl leider auch die deutsche Minderheit treffen werden. Dennoch sehe er die Beziehungen des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) zur Bundesregierung als sehr vertrauensvoll an. 

In den Portland Towers hat die deutsche Botschaft in Kopenhagen Unterschlupf gefunden. Foto: Walter Turnowsky

Ein weiter Weg zu mehr Sichtbarkeit 

Dass die deutsche Minderheit außerhalb von Schleswig-Holstein und Berlin wenig sichtbar ist, das liegt für Bollmohr am fehlenden Forum. So erreiche der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) durch Landtagswahlen und Stefan Seidler im Bundestag mehr Aufmerksamkeit. 

„Minderheitenfragen sind in der deutschen Öffentlichkeit, von einem kleinen interessierten Publikum mal abgesehen, unterbelichtet.“ Lediglich bei Themen wie Antisemitismus und Antiziganismus gebe es Berührungspunkte in der Bevölkerung. „Durch Besuche wie dem der Ministerin (Außenministerin Annalena Baerbock, Anm. d. Red.) in Flensburg wird ein Scheinwerferlicht auf diese Themen gerichtet. Das ist wichtig.“

Es sei aber noch ein weiter Weg. „Umso besser ist es, dass es hier mit so enormem Engagement – auch politisch – gepflegt wird.“ Ein Beispiel sei das Nordschleswig-Gremium, bei dem in dieser Woche im Kieler Landtag Politikerinnen und Politiker mit Vertreterinnen und Vertretern der Minderheiten zusammenkamen. 

„Minderheitenschutz nicht nur als Minderheitenschutz selbst zu betrachten, sondern das zu weiten, das scheint mir hier gut zu funktionieren.“ Das zeige sich daran, dass die Menschen in verschiedenen Bereichen – über Kultur, Sport bis zur Landwirtschaft – aufeinander zugehen. 

Markus Bollmohr
Fährt mit vielen Eindrücken zurück in die Botschaft: Markus Bollmohr. Foto: Gerrit Hencke

Erste Zielsetzungen

Ein erstes Ziel hat er sich auch schon gesetzt. „Der nächste Schritt wird die Verstetigung der Arbeitsgruppe zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sein.“ Darüber hinaus müsse man schauen, wie in Zeiten schwieriger Haushaltslagen die Unterstützung für die deutsche Minderheit aufrechterhalten werden kann. Das Geld komme ja aus vielen Quellen – auch von dänischer Seite. 

Und auch die Sprache will Markus Bollmohr weiter lernen. „Ich habe bereits in Berlin angefangen, mit einer Sprachlehrerin aus Jütland Dänisch zu lernen und werde das jetzt auch in Kopenhagen fortsetzen. Aber ich kämpfe noch mit der Aussprache.“

Nächste Besuche bereits geplant

Sein Chef, Botschafter Pascal Hector, hat seit seinem Amtsantritt im Herbst 2021 die Volksgruppe bereits etliche Male besucht. Berdesinski selbst war ebenfalls mehrfach zu Gast. Und auch Markus Bollmohr betont im Interview, dass er auch nach seinem Antrittsbesuch in dieser Woche in Zukunft regelmäßig nach Nordschleswig kommen will. Im Oktober zum Tag der Deutschen Einheit werde er in Apenrade und zum Deutschen Tag in Tingleff (Tinglev) wieder vor Ort sein. 

Lebenslauf

Markus Bollmohr wurde am 30. Januar 1982 in Landshut geboren.

Abitur 2000 in Pretoria/Südafrika

Studium der Politikwissenschaft in München

2009 bis 2010: Eintritt in den Auswärtigen Dienst und Attachéausbildung

2010 bis 2013: Referent für Kultur sowie für Klima & Energie, Deutsche Botschaft Pretoria, Südafrika

2013 bis 2016: Referent für Energie- und Rohstoffaußenpolitik im Auswärtigen Amt

2016 bis 2020: Stellvertretender Botschafter für Somalia, Deutsche Botschaft Nairobi, Kenia

2020 bis 2024: Stellvertretender Leiter des Referats für afrikapolitische Grundsatzfragen, die Afrikanische Union, das südliche Afrika und die Region der Großen Seen im Auswärtigen Amt

seit Sommer 2024 Botschaft Kopenhagen

Quelle: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

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