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Walter Jacobsen wird 80: Feingeist mit grünem Daumen

Walter Jacobsen wird 80: Feingeist mit grünem Daumen

Walter Jacobsen wird 80: Feingeist mit grünem Daumen

Tingleff/Tinglev
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Walter Jacobsen hat in der Kindheit in unmittelbarer Nachbarschaft des Kopenhagener Dyrehaven gelebt. In Tingleff genießt er nun die Nähe zum örtlichen Stadtwäldchen. Foto: Karin Riggelsen

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Das Lebensmotto des ehemaligen Rechtsanwalts lautet eigentlich: „Der, der still lebt, lebt gut.“ Und doch hat er sich zu einem Geburtstagsinterview überreden lassen. Das Gespräch in seinem schönen Garten in Tingleff brachte einiges Überraschende zutage.

Die meisten Menschen in und außerhalb der deutschen Minderheit in Nordschleswig kennen den Wahl-Tingleffer Walter Jacobsen als ruhigen und besonnenen Mann, der von seiner eigenen Person nicht viel Aufhebens macht. Sein 80. Geburtstag am 8. August soll aber dennoch gefeiert werden. Im engsten Kreis und möglichst im Garten – wenn es das Wetter zulässt. „Ansonsten müssten wir ins Haus“, hat Ehefrau Heike schon einen Plan B am Start.

Dass die Jacobsen 2021 den Hof „Vold“ bei Warnitz (Varnæs) verließen, hatten viele Personen in ihrem Umfeld nicht verstanden und dass sie ausgerechnet nach Tingleff zogen, verstanden viele noch viel weniger.

Die Eheleute waren aber zu der Erkenntnis gekommen, dass der drei Hektar große Garten bei aller Liebe für die Natur auf die Dauer einfach zu groß sein würde. „Es war zwar eine sehr harte Entscheidung. Es war aber richtig so“, sagen beide unisono.

Sind seit 1969 verheiratet: Heike und Walter Jacobsen Foto: Karin Riggelsen

Nicht die erste, aber die richtige Wahl

Walter Jacobsen macht auch keinen Hehl daraus, dass Tingleff nicht unbedingt die erste Wahl war. Sie hatten sich an den schönsten Flecken Nordschleswigs verschiedenste Immobilien angesehen, aber keine erfüllte die Anforderungen der Eheleute, bis – ja, bis der Immobilienmakler ihnen das Haus am Skovfennen offerierte.

Bereut haben sie den Umzug bisher keine Sekunde. Noch sind die Jacobsens mobil und fahren auch selbst Auto. Sollte das irgendwann nicht mehr möglich sein, dann ist der Bahnhof fußläufig entfernt. Von dort fahren Busse und Bahnen in alle vier Himmelsrichtungen.

Das Haus hat die perfekte Größe. Es hat einen überschaubaren Garten. Mit viel Liebe gestalten die Jacobsens diesen in ihr persönliches buntes Paradies. Für Walter Jacobsen war besonders die Tatsache wichtig, dass das Grundstück an einen Wald angrenzt. Der Tingleffer Stadtwald kann zwar maximal als Wäldchen bezeichnet werden, aber er erinnert den bald 80-Jährigen an seine Kindheit.

Fabrikantensohn aus Kopenhagen

Er ist, und das mag vielleicht viele überraschen, die ihn als Anwalt, Nachbar oder durch sein Engagement für die den Volkshochschulverein Nordschleswig kennengelernt haben, in Kopenhagen geboren und aufgewachsen. Sein Vater war dort Fabrikant. Die Familie lebte unmittelbar am Dyrehaven.

Demnächst wollen Opa Walter und Enkel Dines wieder an den Angelsee. Dieses Mal mit dem „richtigen“ Köder. Sie möchten sich nicht erneut einen „Schneidertag“ einhandeln, wie ein Tag ohne Fang in der Anglersprache heißt. Foto: Karin Riggelsen

Die nordschleswigschen Wurzeln

Der Vater stammte allerdings von der nordschleswigschen Westküste. Dessen Vater, also der Opa von Walter Jacobsen, war bis 1920 Lehrer an der Schule ins Süderseiersleff (Sdr. Sejerslev). Quasi mit dem Abstimmungsergebnis wurde ihm gekündigt. Einen deutschen Lehrer wollte man dort nicht mehr. Drei Monate hatte der Großvater Zeit, die Dienstwohnung zu räumen. Neue Stellen hingen zu dem Zeitpunkt für deutsche Lehrkräfte nicht an den Bäumen.

Den Großvater werden sicherlich zu der Zeit Existenzängste geplagt haben. Wie sollte er seine Familie ernähren? Da fuhren eines Tages zwei Männer auf ihren Fahrrädern auf den Hofplatz. „Das waren der Gemeinderatsvorsitzende und der stellvertretende Gemeinderatsvorsitzende von Groß-Emmerschede“, erzählt Walter Jacobsen. Sie boten dem arbeitslosen Lehrer eine Stelle in deren dänischer Schule an. „Aber Sie wissen wohl, dass wir deutsch sind“, soll es spontan aus Lehrer Jacobsen herausgebrochen sein. Ja, das sei ihnen sehr wohl bewusst. „Wichtiger als die Gesinnung des Lehrers ist uns, dass die Kinder etwas lernen“, sollen die beiden Männer gesagt haben. So zog die Familie Jacobsen 1920 von Süderseiersleff nach Groß-Emmerschede (Store Emmerske), wo das Familienoberhaupt fortan im Brorsonschen Gebetshaus die dänischen Kinder unterrichtete. 

Familienbesuch auf Eiderstedt

Walter Jacobsen erinnert sich gerne an die Besuche in Tondern, wo die Großeltern später hinzogen. Dort am Ribe Landevej wohnte bis ins hohe Alter auch seine Tante Eline. Auch dort war er oft und gerne zu Besuch.

Durch die Volksabstimmung 1920 kam es, dass Teile der Familie Jacobsen südlich der neuen Landesgrenze lebten. Bei einem Besuch 1961 bei seinem Onkel auf der Halbinsel Eiderstedt lernte er die damals 16-jährige Heike aus Karting kennen.

Wenn er nicht gerade im Garten wühlt, liest Walter Jacobsen gerne. Momentan liegt Stefan Bollmanns „Der Atem der Welt“ über Goethes (geheimer) Leidenschaft für die Naturforschung immer griffbereit. Foto: Karin Riggelsen

Briefe im Karton

„Ich habe mir gut vorstellen können, irgendwann einen Landwirt zu heiraten und als Bauersfrau glücklich zu werden, doch dann kam Walter …“, sagte sie und lacht. „Walter konnte wunderschöne Gedichte rezitieren. Er schrieb auch tolle Briefe“, erzählt sie und verrät, dass sie diese alle aufbewahrt hat – fein säuberlich in einem Karton verstaut, haben sie sämtliche Umzüge, die die Jacobsens in ihrem Leben unternommen haben, schadlos überstanden. „Oha“, reagiert Walter Jacobsen kopfschüttelnd und vielleicht doch auch geschmeichelt auf das Geständnis seiner Frau.

Unter den Nachbarsjungen und möglichen Hochzeitskandidaten von Eiderstedt war keiner so ein Feingeist. „Das hat mir schon imponiert“, gibt Heike Jacobsen zu. Gleichzeitig war er wohl auch sehr zielstrebig und beharrlich.

Deshalb spricht er Hochdänisch

Mit 18 Jahren bestand er das neusprachliche Abitur und mit 24 Jahren hatte er das Staatsexamen als Volljurist in der Tasche. Er hat ausschließlich dänische Schulen besucht. Die Sankt-Petri-Schule in Kopenhagen kam nicht infrage, weil man dem kleinen Walter den langen Schulweg vom Stadtrand dorthin nicht zumuten wollte. Er ist jedoch deutsch getauft und konfirmiert – in der Petri-Kirche. Bis zu seinem dritten Lebensjahr sprach er ausschließlich Deutsch. Dann kam Dänisch dazu. Und zwar Kopenhagener Hochdänisch. Den nordschleswigschen Dialekt „Synnejysk“ spricht er nicht – versteht ihn aber. „Ich habe ein paar Mal versucht, selbst Sønderjysk zu sprechen, wurde aber immer belächelt und habe es dann aufgegeben“, sagt der bald 80-Jährige und lacht. 

Traumberuf Förster

Das Jurastudium war eigentlich gar nicht seine erste Wahl. „Ich wollte ursprünglich Förster werden“, erzählt er. Die Kindheit und Jugend „im“ Dyrehaven hat ihn offensichtlich geprägt. Als Siebenjähriger ist er allein zum Lyngby Sø zum Brassen- und Rotaugen-Angeln gegangen. Kannte sich mit Pflanzen und Bäumen aus. Später hat er zudem den Jagdschein gemacht und war viele Jahre passionierter Jäger.

Walter Jacobsen mit „seinen“ drei Mädels (v. l.): Christina, Marianne und Ehefrau Heike. Foto: Karin Riggelsen

Noch heute greift er gerne zur Angel. Erst kürzlich war er mit seinem zehnjährigen Enkel Dines an einem Angelsee in der Nähe. „Wir haben nichts gefangen“, ärgert er sich ein wenig. Vor allem seinem Enkel hätte er den Erfolg gegönnt. Wie es seine Art ist, hat er sich jedoch inzwischen schlau gemacht und weiß jetzt beziehungsweise vermutet jetzt zu wissen, welche Köder Angelseeforellen bevorzugen. Das soll demnächst ausgetestet werden.

Die traurige Aussicht als Förster nicht wirklich im Wald arbeiten zu können, weil damals der Hälfte aller ausgebildeten Forstwarte maximal eine Anstellung als Schreibtischhengst in irgendeinem Amt oder irgendeiner Behörde erwartete, entschied er sich für ein Jurastudium.

Umzug nach Warnitz

Anschließend leistete er noch seinen Wehrdienst ab, war erst in Hadersleben (Haderslev) und später in Viborg stationiert. Inzwischen waren die Eltern – seine Mutter stammte aus Bad Sachsa im Harz – in die nordschleswigsche Heimat des Vaters gezogen. Den Hof „Vold“ direkt an der Apenrader Förde gelegen, hatte der Unternehmer schon Jahre vorher als Alterswohnsitz erstanden. Doch erst als er in den Ruhestand wechselte, zogen die Eltern nach Warnitz. 

1969 heiratete er seine Heike in Tönning. Sie blieben nicht lange zu zweit. Die Familie wurde um zwei Töchter – Marianne und Christina – bereichert. Inzwischen gehören auch Schwiegersöhne und Enkelkinder zur „Sippe“ Jacobsen. 

Erste Anstellung beim Amt Nordschleswig

1970 entstand durch die Kommunalreform das Amt Nordschleswig. Walter, gerade einmal Mitte 20, wurde als Sekretär des Amtskommunaldirektors eingestellt. Da sein Ziel aber eigentlich immer eine eigene Anwaltskanzlei gewesen war, kündigte er nach drei Jahren, um dann in der Kanzlei Rosenstand & Bygballe in Apenrade zunächst als Bevollmächtigter zu arbeiten. Erst dann konnte er seine eigene Kanzlei gründen.

Walter Jacobsens Lebensmotto lautet: „Der, der still lebt, lebt gut.“ Foto: Karin Riggelsen

Sein Spezialgebiet lag bei Nachlässen und Generationswechseln. „Strafrecht war nicht so mein Ding. Ich habe zwar auch einige Klienten bei strafrechtlichen Angelegenheiten vertreten, aber das war nicht sehr häufig“, sagt Walter Jacobsen. Zu seinen Klientinnen und Klienten zählten viele Mitglieder der Minderheit.

Engagement im Volkshochschulverein

So wirklich weiß er es nicht mehr, wer ihn in den 1980er-Jahren „beschnackt“ hatte, als Vorstandsmitglied des Volkshochschulvereins in Tingleff zu kandidieren. Er selbst hatte nie eine Schule der Minderheit besucht. Walter Jacobsen vermutet, dass es Nis Peter Hansen oder Peter Iver Johannsen gewesen sein könnten. 

Er wurde auf jeden Fall gewählt und war anschließend acht Jahre lang Vorsitzender des Vereins, der damals unter anderem Trägerverein der Deutschen Nachschule Tingleff war. In dieser Funktion hatte er 1986 die Ehre, Königin Margrethe II. bei ihrem Besuch bei der deutschen Minderheit durch die Einrichtung zu führen. 

Seine Frau Heike war für Prinz Henrik „zuständig“. Sie hat den Prinzgemahlen als „äußerst charmant“ in bester Erinnerung. An den Besuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1989 erinnert er sich auch noch gerne zurück. „Damals hatte ich jedoch keine Aufgaben“, betont Jacobsen.

„Vold“ als Altersruhesitz

2004 hat er seine Kanzlei verkauft. Obwohl ihnen das Haus schon im Jahr 2000 vom Vater vermacht wurde, zogen er und Heike erst vier Jahre später nach Warnitz. „Er wollte – wie damals sein Vater – erst dorthin ziehen, wenn er im Ruhestand war“, erläutert die Ehefrau die Hintergründe. 

Wie eingangs erwähnt, wird der 80. Geburtstag im „engsten“ Kreise gefeiert. Beide Töchter sind mit ihren Partnern bereits angereist. Alle leiblichen und angeheirateten Enkel werden kommen. Dazu noch einige liebe Menschen aus dem Freundeskreis. Und so kommt dann doch eine 50-köpfige Schar zusammen. 

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