Deutsche Minderheit

Uwe Jessen: „Ich bin gerne unter Leuten“

Uwe Jessen: „Ich bin gerne unter Leuten“

Uwe Jessen: „Ich bin gerne unter Leuten“

Apenrade/Aabenraa
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Uwe Jessen ist seit fast 13 Jahren Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger. Foto: Karin Riggelsen

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Der Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) vollendet am Donnerstag, 11. November, sein 50. Lebensjahr. Der Spitzenmanager der deutschen Minderheit sieht in seinen Aufgaben einen Traumjob.

Am Donnerstag, 11. November, vollendet der Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Uwe Jessen, sein 50. Lebensjahr. Beim Gesprächstermin im Haus Nordschleswig in Apenrade mit dem „Spitzenmanager“ der deutschen Minderheit gibt es gleich einen Eindruck von den Aufgaben Jessens.

„Wir kommen gerade vom Jahresplanungsgespräch mit dem Bundesinnenministerium in Berlin und den zuständigen Stellen in der Landesregierung in Kiel“, berichtet er beim Wechsel von der gemeinsam mit dem BDN-Hauptvorsitzenden Hinrich Jürgensen organisierten Videokonferenz im Sitzungsraum der „Zentrale“ der deutschen Nordschleswiger zurück in sein Büro. „Es ging um Haushaltsfragen und Bauprojekte“, verrät der Generalsekretär, der seit dem 1. Dezember 2008 diese Funktion bekleidet.

 

Immer mittendrin in der Minderheit

„Es ist wohl mein Traumjob“, antwortet er auf die Frage, ob er sich in jüngeren Jahren vorstellen konnte, ein Spitzenamt in der deutschen Minderheit zu übernehmen. Und er macht auch kein Geheimnis daraus, dass er seit seiner Kindheit in Lügumkloster immer mittendrin in der deutschen Minderheit gelebt hat.

„Ich habe nichts anderes gekannt, als dass meine Eltern irgendwo etwas für Veranstaltungen aufgebaut haben. Ich war beim TSV Lügumkloster als Kind beim Handball, später nach dem Wechsel an die Ludwig-Andresen-Schule in Tondern zum Rudern in Hoyer“, erzählt er. „Ich bin gerne unter Leuten“, betont er und erzählt, dass er mit Freude auch Führungen mit Gruppen auf dem Knivsberg (Knivsbjerg) unternimmt oder Besuchern im Haus Nordschleswig die deutschen Nordschleswiger in Vergangenheit und Gegenwart erläutert.

Geschichte über eigene Familie vermittelt

Und die Geschichte der Minderheit, mit der ist er auch aufgewachsen. „Ich hatte die Eltern meiner Mutter in Lügumkloster, mein Opa war dort Tischlermeister. Und der Großvater väterlicherseits stammte aus Lautrup bei Tingleff. Er entschied sich nach 1920 für die deutsche Staatsbürgerschaft, studierte Theologie in Deutschland und war nach Tätigkeit in Schleswig-Holstein einer der beiden ersten Pastoren der Nordschleswigschen Gemeinde, die nach dem Zweiten Weltkrieg tätig wurden“, so Uwe Jessen über die eigene Familiengeschichte, der er aufgrund der Entscheidung des Großvaters kurz nach der Grenzziehung 1920 seine eigene deutsche Staatsbürgerschaft verdankt, obwohl er immer in Dänemark gelebt hat.       

 

Uwe Jessen lernen viele in seiner offiziellen Funktion im Haus Nordschleswig kennen. In seiner Freizeit ist er als Jäger und Radrennfahrer unterwegs. Foto: Karin Riggelsen

 

Uwe Jessen hat nach dem Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade mit dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft an der Universität Aarhus und während seiner ersten beruflichen Stationen eingehend auch die Welt außerhalb der deutschen Minderheit kennengelernt.

Zusammen mit seiner Frau Hanne, die er in Aarhus kennengelernt hat, ist er bewusst nach Nordschleswig zurückgekehrt, nach Hadersleben, dem Heimatort seiner Frau. In der Ehe sind die Kinder Andreas (21) und Christina (18) aufgewachsen.

„Meine Tochter absolviert nach dem Abitur ein Sabbatjahr, der Sohn studiert an der Universität Kopenhagen das Fach Naturressourcen“, berichtet Uwe Jessen und fügt hinzu, dass sein Sohn, mit dem ihn das gemeinsame Hobby, die Jagd, verbindet, als naturbegeisterter Mensch eine Tätigkeit in der Naturverwaltung anstrebt.

 

Uwe Jessen (ganz links) hat in diesem Jahr ein Team Rynkeby Flensburg Hohes C mit auf Touren gebracht. Foto: Team Rynkeby

 

Seine Frau ist wie er selbst außerhalb Haderslebens beruflich tätig. „Sie ist Sekretariatsleiterin bei der Kommune Apenrade im Bereich Kinder und Schulen mit Arbeitsplatz in Tingleff“, berichtet er.

Zu seinem zweiten Hobby, dem Rennradfahren, ist Uwe Jessen vor rund vier Jahren gekommen. „Nach zwölf Jahren im Stadtrat von Hadersleben  hatte ich mich entschlossen, mich aus der Kommunalpolitik zurückzuziehen. Bevor sich der Kalender gleich wieder gefüllt hat, bin ich beim Team Rynkeby eingestiegen“, berichtet er über seine Beteiligung an dem inzwischen über die Grenzen Dänemarks hinausreichenden Fahrradevents für wohltätige Zwecke. Am bekanntesten sind die Radtouren nach Paris.

Eine Kollegin im Haus Nordschleswig hatte ihn für diese Form des Radsports interessiert, die viel Training erfordert. So war es auch klar, dass Uwe Jessen mit dem Team Nordschleswig anlässlich des Grenzjubiläums mit nach Berlin und Kopenhagen geradelt ist.

Viele Herausforderungen

„Ich habe keinen Job von acht bis vier Uhr“, beschreibt Uwe Jessen seine nun fast 13-jährige Tätigkeit für die deutsche Minderheit. Er erwähnt, dass er anfangs große Unterstützung durch seinen Vorgänger Peter Iver Johannsen bekommen hat. „Es gab schon während meiner ersten Jahre große Herausforderungen“, erinnert er sich und verweist auf die harten Sparauflagen für die deutsche Minderheit in den Jahren 2011/2012, die allen Einrichtungen und Verbänden der Minderheit viel abverlangt hat.

Stolz ist er darauf, dass es anschließend gelungen ist, die Partner in Berlin und Kiel für die Förderung dringend nötiger Investitionen in Nordschleswig zu gewinnen.

Harte Nuss Vergangenheitsbewältigung

„Eine harte Nuss ist auch das Thema Vergangenheitsbewältigung“, stellt Uwe Jessen fest und freut sich, dass in diesem Bereich alle Verbände und Organisationen der Minderheit mitziehen und Lernprozesse durchlaufen haben, parallel zum sichtbaren Akt, den Ehrenhain auf dem Knivsberg in Gedenkstätte umzubenennen.  „Das zahlt sich inzwischen in dem großen Vertrauen zwischen der Minderheit und der Mehrheitsbevölkerung aus“, unterstreicht er und erwähnt, dass er sich beispielsweise freue, als Redner einer deutsch-dänischen Gedenkveranstaltung der dänischen Militärorganisationen am 11. November in Sonderburg eingeladen zu sein. Dort wird des Waffenstillstands vor 103 Jahren gedacht, der das Blutvergießen des Ersten Weltkriegs beendete.

Stolz sei er auch mit der ganzen Minderheit auf das neugestaltete Deutsche Museum Nordschleswig in Sonderburg. Dessen Eröffnung hatte ebenso wie die Besuche der dänischen Königin, des deutschen Bundespräsidenten und der dänischen Staatsministerin in Nordschleswig zu den Höhepunkten des Jubiläums der mit der Grenzziehung 1920 entstandenen deutschen Minderheit gezählt. „Da hatten wir viele tolle Erlebnisse“, schwärmt Uwe Jessen, der auch erwartungsvoll einer Anerkennung des deutsch-dänischen Grenzlandmodells als immaterielles Unesco-Welterbe entgegenblickt.
 

Uwe Jessen hat laufend Kontakte mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus Nordschleswig, wo er sich als Mitglied eines guten Teams betrachtet. Rechts neben Jessen der Hauptgeschäftsführer der deutschen Minderheit, Bernd Søndergaard, und Benjamin Holder vom Deutschen Schul- und Sprachverein. Foto: Karin Riggelsen

 

Der BDN-Generalsekretär betont im Gespräch, dass in der deutschen Minderheit die Finanzierung der Einrichtungen und Mitarbeiter unter anderem in der schulischen, sozialen und sportlichen Arbeit wichtig sei. „Im Mittelpunkt steht aber oft auch der ehrenamtliche Einsatz. Ich folge dem Grundsatz, dass wir die Mittel vor allem für Aktivitäten einsetzen, möglichst wenig zum Verwalten“, erläutert er und sieht deshalb auch kaum Spielraum, weniger zu zentralisieren. „Wir wollen im Haus Nordschleswig in erster Linie Katalysator sein.“

Basisarbeit im Zentrum

„Die Basisarbeit muss vor Ort geleistet werden“, meint er und erwähnt mitunter geäußerte Kritik, Apenrade und das Haus Nordschleswig bestimmten zu viel. „Das Geld für die Minderheit fällt nicht vom Himmel“, umschreibt er die immer neuen Herausforderungen, wie zuletzt die Corona-Pandemie.

„Wir sind realtiv gut durch die Corona-Krise gekommen“, stellt Jessen fest und fügt hinzu, dass das nicht nur aus finanzieller Sicht gelte, sondern vor allem auch im Hinblick auf den Einsatz in Schulen und Vereinen, wo viel improvisiert wurde und erfreulicherweise wenig Nutzerinnen und Nutzer oder Mitglieder abgesprungen sind.

 

Uwe Jessen wünscht sich, dass die deutsche Minderheit in ganz Nordschleswig präsent bleibt. Das erfordere^ vor allem Einsatz von Ehrenamtlichen mit Unterstützung des BDN. Foto: Karin Riggelsen.

 

„Wir wünschen uns, dass die Minderheit überall in Nordschleswig präsent bleibt“, erklärt der BDN-Generalsekretär, erwartet aber auch, dass die Menschen eines verstehen: „Wir sind kein Fitnesscenter, in das man einfach mal eintritt und sich wieder abmeldet.“ Deshalb hofft er, dass auch an der Basis für Beteiligung und Mitarbeit geworben wird, damit die vielen Angebote der Minderheit, die Nordschleswig bereichern, dauerhaft bestehen können. „Wir müssen immer wieder Überzeugungsarbeit leisten, in Berlin, Kiel, Kopenhagen, aber vor allem auch vor Ort in Nordschleswig“, so sein Grundsatz. „Das Ehrenamt muss weiter gestärkt werden“, so sein Appell zum Ende des Gesprächs, während seine nächsten Besucher bereits vor der Bürotür warten, um mit ihm über Themen aus dem Bereich Schulen und Kindergärten der Minderheit zu konferieren. 

 

Uwe Jessen

Am 11. 11. 1971 geboren in Tondern und aufgewachsen in Lügumkloster. Seine Mutter war dort Leiterin des örtlichen deutschen Kindergartens, sein Vater Leiter der Deutschen Schule Lügumkloster. Nach Besuch der genannten Einrichtungen ging es ab der 8. Klasse in die deutsche Ludwig-Andresen-Schule in Tondern, anschließend an das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade. Nach dem Abitur 1991 studierte Uwe Jessen Betriebs- und Volkswirtschaft an der Universität Aarhus. Mit seiner Frau Hanne, die aus Hadersleben stammt, beide haben sich in Aarhus kennengelernt, entschloss sich Uwe Jessen nach dem Studium zur Rückkehr nach Nordschleswig, seitdem lebt die Familie in Hadersleben. Bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Sønderjyllands Erhversråd“ übernahm Uwe Jessen die Leitung eines Projektes „Kultur, Sprache Minderheiten“ anlässlich der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover. Es schloss sich eine Tätigkeit bei der früheren Kommune Rödding an, wo er als Vizeökonomiechef unter anderem Bereiche wie die Altenpflege in kommunaler Regie hatte. Vor dem Wechsel ins Amt des Generalsekretärs des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) in Apenrade Ende 2008 arbeitete Uwe Jessen für die Erwachsenenbildungseinrichtung VUC Sønderjylland an einem Projekt zur Förderung der Kennnisse in den Nachbarsprachen im deutsch-dänischen Grenzland. In der Familie sind die Kinder Andreas (21) und Christina (18) aufgewachsen. Bis 2017 war Uwe Jessen Mitglied des Kommunalparlaments der Kommune Hadersleben für die Schleswigsche Partei. Auf eigenen Wunsch hat er sich aus der Kommunalpolitik zurückgezogen, unter anderem, weil er als Generalsekretär Im Haus Nordschleswig zusätzliche Aufgaben übernommen hat.           

 

Der BDN veranstaltet zu Ehren Uwe Jessens am Freitag, 12. November, in der Zeit von 12.30 bis 15 Uhr zu einem Empfang ins Haus Nordschleswig in Apenrade.  

 

 

 

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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