Milde Temperaturen

Hoffen auf frostige Zeiten

Hoffen auf frostige Zeiten

Hoffen auf frostige Zeiten

Karina Dreyer
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Im Garten von Anke Christensen treiben schon die Blumenzwiebeln aus. Foto: Karina Dreyer

Väterchen Frost lässt derzeit auf sich warten, die milden Temperaturen sorgen eher für Regen als für Schnee. Das Wetter im Januar spielt verrückt. In manchen Gärten sprießt sogar schon, was eigentlich noch kräftig Kälte bedürfte. Auch auf die Tierwelt hat das zu warme Wetter Auswirkungen.

Der dauerhafte Regen schlägt nicht nur auf das menschliche Gemüt, auch der Boden hat damit zu kämpfen. So machen sich momentan riesige Wasserlachen auf den Ackerflächen breit, deren Böden aber dringend hohe Minusgrade bräuchten. „Durch den Frost dehnt sich das Wasser in der Tiefe aus und lockert den Boden“, erklärt Pflanzenbauberater Claus Erichsen vom Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschleswig (LHN). Diese Auflockerung sei notwendig, damit der vom Regen und von schweren landwirtschaftlichen Maschinen zusammengedrückte Boden später besser Wasser aufnehmen könne. Auch die Bewirtschaftung der Äcker im Frühjahr seien dadurch leichter. Gut, sagt Erichsen, wären Temperaturen bis zu minus 10 Grad, die den Boden auch tagsüber und tiefer als 20 bis 25 Zentimeter frieren lassen. Später im Frühjahr gebe es nur noch Nachtfrost. 

Auf einem Acker bei Røllum hat sich Regenwasser angesammelt.
Auf einem Acker bei Røllum hat sich Regenwasser angesammelt. Foto: Karina Dreyer

Die Natur kann vieles richten

Auf einen bereits milden Dezember folgte nun ein warmer Januar. „Wir haben ungewöhnlich viele Niederschläge, der Boden ist gesättigt. Dadurch können die Wurzeln der Wintersaat ertränkt werden“, sagt Erichsen. Schon im vergangenen Winter habe es keine winterlichen Temperaturen gegeben. Dennoch blickt er gelassen in Richtung Frühjahr. Er ist sicher, dass die Natur vieles richten wird. „In den nächsten zwei Monaten kann noch einiges passieren.“ Und dann käme es auch darauf an, dass die Landwirte den richtigen Zeitpunkt für die Bewirtschaftung finden. 

Wie die Ackersaat, so reagiert auch die Pflanzenwelt im Garten auf die wärmeren Temperaturen und das Licht. „Aber im Garten gibt es andere Verhältnisse, die Pflanzen sind insgesamt geschützter“, sagt er. 

Hortensien bilden erste Triebe

Anke Christensen beobachtet die Pflanzenwelt in ihrem großen Garten in Bollersleben/Bolderslev gerade mit etwas Sorge. „Viele Knospen sind bei den warmen Temperaturen schon aufgesprungen“, sagt die 60-Jährige. Etliche Blumenzwiebeln haben sich bereits ihren Weg nach oben gebahnt, obwohl sie vor dem ersten Frost noch im Boden sitzen sollten. Sogar ihre Hortensien haben erste Triebe gebildet. „Wenn es jetzt friert, sterben sie ab. Die werden bestimmt wieder neu schießen, aber ob sie auch blühen werden, da bin ich mir nicht sicher“, sagt sie. 

Noch ist nicht ihre Zeit, aber bei den milden Temperaturen im Januar treibt es die Zwiebelblumen schon in die Höhe. Foto: Karina Dreyer

Anke Christensen verarbeitet ihre eigene Weide zu Kunstwerken. „Mit dem Schneiden der Zweige habe ich normalerweise bis Mitte April Zeit, nun sind schon Knospen zu entdecken.“ Sie muss schnell handeln. „Es ist alles sehr merkwürdig in diesem Jahr.“

Im Gebüsch raschelt es in dieser Zeit häufiger als sonst, Igel sind unterwegs. Eigentlich verfallen sie von November bis März in den Winterschlaf, für den sie sich eine ordentliche Fettschicht angefuttert haben. Kältere Temperaturen und kürzer werdende Tage signalisieren ihnen die Schlafenszeit. Schwanken die Temperaturen, wird es wärmer und heller, kommt der Igel nicht zur Ruhe, wacht er häufiger auf und verbraucht so vorzeitig seine Fettreserven. „Sie leiden besonders unter dem milden Winter, da sie keine Nahrung wie Regenwürmer und Insekten finden“, sagt Uwe Lindholdt vom Danmarks Naturfredningsforening. Auch Amphibien und Reptilien könnten früher erwachen und laufen Gefahr zu erfrieren. Laut Naturschutzbund (Nabu) droht auch Schmetterlingen wie dem Tagpfauenauge und Kleinen Fuchs der Hungertod, wenn sie zu früh starten.  

Auch die Pollensaison hat bereits begonnen, südlich der Grenze in Schleswig-Holstein warnt die Pollenflugvorhersage des Deutschen Wetterdienstes Allergiker vor ersten Haselnuss- und Erlenpollen.

Bei Temperaturen um die zehn Grad sitzen Schmetterlinge wie das Tagpfauenauge in den Startlöchern, doch es gibt keine Nahrung für sie. Foto: Karina Dreyer

Exotische Tiere aus dem Atlantik verirren sich in den Norden

Die wärmeren Luft- und Wassertemperaturen verwirren nicht nur die einheimischen Tiere, auch manch Exot verirrt sich in fremde Gewässer. Jüngst landeten an den Stränden der dänischen Insel Röm/Rømø Meeresschildkröten, die eigentlich in wärmeren Gewässern des Mittelmeeres oder des Atlantiks beheimatet sind. Ähnlich ist es mit dem Klumpfisch/Mondfisch, der vor Kurzem auf der Insel Poel (Spiegel Wissenschaft) entdeckt wurde. „Diese Tiere gehören nicht hierher“, sagt Lindholdt. 

Für die einheimischen Wildtiere bedeutet ein milder Winter mehr Nahrung. „Das erhöht zwar die Überlebenschancen für schwache Tiere, schwächt damit aber den gesamten Bestand“, erklärt Aksel Bek, Vorsitzender der Tinglev Jagtforening. Und so muss der Jäger eingreifen und regulieren. „Wir versuchen, die schwachen Tiere zu erlegen, dürfen das aber nur in der Zeit zwischen Sonnenaufgang und -untergang“, sagt er. 

Bei milderen Temperaturen finden die Wildtiere mehr Nahrung. Das steigert auch die Überlebenschancen für schwaches Wild. Foto: Karina Dreyer
Wildschweine finden momentan reichlich Futter. Foto: Karina Dreyer

Stark zugenommen habe der Bestand der Marderhunde, der immer reguliert werden dürfe. Sie gefährden vor allem die Vögel, die ihre Nester auf dem Boden haben. Ebenso nimmt bei milden Wintertemperaturen die Zahl des Schwarzwildes, der Wildschweine, zu. „Sie sind aufgrund der großen Nahrungsgrundlage gut im Speck“, so Aksel Bek. 

Laut Wetter-Experte Jörg Kachelmann liegt die „Mitteltemperatur deutlich über dem Klimamittel“. Wenn das Wetter so bleibt, könne der Winter der mildeste seit 1881 werden. Hoffnungsvoll blicken viele auf den Februar, denn bis Ende Januar ist laut Meteorologen kein markanter Kälteeinbruch in Sicht. Schnee gibt es nur in den höchsten Mittelgebirgslagen sowie in den Alpen.

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