Abschied

„Kein Mensch soll alleine sterben“

„Kein Mensch soll alleine sterben“

„Kein Mensch soll alleine sterben“

Apenrade/Aabenraa
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Anne Marie Juhl liest gern – auch wenn sie bei einem Einsatz ist, verbringt sie so zum Teil die Zeit. Das hilft ihr, die Gedanken zu ordnen. Foto: Karin Riggelsen

Jeder Mensch wird diesen letzten Weg gehen müssen. Gut, wenn jemand da ist. Anne Marie Juhl begleitet seit Jahren Menschen in ihrem letzten Stunden. Es ist für sie eine Selbstverständlichkeit.

Sterben ist ein Teil unseres Lebens, der unumgänglich ist. Diese Feststellung hat Anne Marie Juhl, wie viele andere Menschen auch,  gemacht. Das Sterben ist bei vielen ein Prozess, der Stunden, Tage, manchmal auch Wochen oder Monate dauern kann. So beschreibt es die Medizin.  Menschen haben von Natur aus einen starken Lebenswillen, und die Gedanken an das Sterben machen vielen Angst.

„Beim Sterben  sollte keiner allein sein“, fand deshalb Anne Marie Juhl vor Jahren und schloss sich den „Vågekonerne“ an: Das sind Freiwillige, die andere Menschen beim Sterben begleiten. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war ein Todesfall, bei dem ein Bekannter der Apenraderin einsam in seinem Bett starb. Das rüttelte an dem  Selbstverständnis von Anne Marie Juhl – und auch an ihrem Verständnis  von Menschlichkeit.

Als Sterbebegleiter zur Seite stehen

Die freiwilligen Sterbebegleiter des Roten Kreuzes werden von Pflegeheimen und den Krankenhäusern in Anspruch genommen. Sie werden gerufen, wenn ein Mensch im Sterben liegt und absehbar ist, dass es keine Freunde oder Angehörige gibt, die dem Menschen zur Seite stehen können.

Vier Stunden sitzen die Sterbebegleiter dann bei den Menschen am Bett, sind da, um die Hand zu halten, eine Haarsträhne  aus dem Gesicht zu streichen oder einfach nur, um in der Nähe zu sein. „Das gibt ihnen Sicherheit – und eine ganz große Ruhe“, berichtet Anne Marie Juhl. Oftmals singt sie auch für die Menschen, die im Sterbebett liegen.

So berichtet sie von einem Fall, bei dem einer der wenigen männlichen „Vågekone“, die Hände einer Sterbenden in seine mit Schwielen übersäten Hände nahm. Die Frau, die eine große Unruhe befallen hatte, die voller Schmerzen   den Kopf hin und her warf,  wurde schlagartig ruhig und lächelte sogar. Wie sich später herausstellte, war ihr Gatte ein Handwerker und hatte ebenso wie der Begleiter Schwielen an seinen Händen.

„Wir merken immer eine Veränderung, wenn wir bei den Menschen sind. Auch wenn sie kaum ansprechbar sind und die Umgebung scheinbar nicht wahrnehmen, so entspannen sich die Gesichtszüge, einige lächeln dann  sogar“, erzählt die Vorsitzende der „Vågekonerne“.

„Ich finde darin eine Ruhe in mir selbst."

Für sie sei es eine Ehre, Menschen beim Sterben zu begleiten, meint Anne Marie Juhl. Für sie ist eine selbstverständliche Sache, die ihr viel gibt, wie sie findet. „Ich finde darin eine Ruhe in mir selbst. Gedanken kommen und gehen dabei“, erklärt sie ihre Empfindungen.

In den Zeiten, in denen sie am Sterbebett anderer Menschen saß, hätte sie viel über sich und ihr eigenes Leben nachgedacht – und dabei die Dinge  darin an den rechten Platz gerückt, erzählt sie. Sie ist es auch, die die Koordination der Sterbebegleiter übernimmt. Bei ihr landen die Anrufe aus Pflegeheimen und dem Krankenhaus. Innerhalb weniger Minuten hat sie meist jemanden gefunden, der sich auf den Weg machen kann.

Als Vorbereitung auf die Arbeit als „Vågekone“ gibt es Schulungen von speziell ausgebildeten Krankenschwestern sowie Mitarbeitern des Roten Kreuzes. „Dort bekommen wir Werkzeuge an die Hand, um die Arbeit zu machen“, berichtet die frühere Pädagogin.

Zweimal im Monat treffen sich die 25 Sterbebegleiter in Apenrade, um sich über Erfahrungen auszutauschen, Probleme zu besprechen und zu planen.  Sie sind im Alter von 25 bis 78 Jahre.

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