Leitartikel

„Hilfe für alle, nicht nur für Gaskunden“

Hilfe für alle, nicht nur für Gaskunden

Hilfe für alle, nicht nur für Gaskunden

Apenrade/Aabenraa
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Die je nach Energieform mehr oder weniger stark gestiegenen Energiekosten sollten vom Staat aufgefangen werden. Um dabei keine Klientelpolitik zu betreiben, sollte die Hilfe allen zugutekommen, meint Nils Baum.

In den vergangenen Wochen wurde nicht nur von einer Verdoppelung der Energiepreise, sondern sogar einer Vervielfachung berichtet. Das hat bereits manchem den Angstschweiß auf die Stirn getrieben.

Wie hoch würde beispielsweise die Stromrechnung in diesem Jahr ausfallen? Würde sie für die Besitzer eines Eigenheimes von beispielsweise 9.000 Kronen im Winterquartal 2020 auf jetzt 18.000 oder gar 36.000 Kronen steigen?

Nun, das kommt darauf an. Denn das Wort „Energiekosten“ deckt eine ganze Reihe von Faktoren ab.

Wir alle benötigen Strom, aber nicht alle nutzen Strom zum Heizen. Zwar ist der Strompreis gestiegen, und deshalb fallen auch die Stromrechnungen höher aus. Aber das spüren vor allem diejenigen, die ihr Eigenheim mit einer Wärmepumpe beheizen.

Andere nutzen Öl oder Pellets. Und dann gibt es in Dänemark noch 400.000 Haushalte, die mit Gas heizen. Zudem sind 40.000 Haushalte an Fernwärme angeschlossen, deren Fernwärmekraftwerk zur Wärmeerzeugung ausgerechnet einseitig auf Gas setzt und sich nicht mit einem Energiemix gegen stark steigende Kosten abgesichert hat.

Und damit sind wir bei dem Energieträger gelandet, der derzeit besonders von Preissteigerungen betroffen ist: Gas. Für diesen Rohstoff sind die Liefermengen aus unterschiedlichen Ursachen zurückgegangen.

Nun hat sich die Regierung entschieden, Menschen, die besonders von den stark steigenden Gaskosten betroffen sind, finanziell unter die Arme greifen zu wollen, vorausgesetzt, sie können diese aufgrund eines geringen Einkommens nicht selbst stemmen.

„Ein Betrag, den man merken kann“ solle es sein, verkündete Klima-, Energie- und Versorgungsminister Dan Jørgensen (Soz.) und versprach, dass die Regierung jetzt markant mehr Geld in die Hand nehmen will als die bislang angekündigten 100 Millionen Kronen, um geplagten Gaskunden unter die Arme zu greifen.

Und prompt zeichnet sich ein Streit darüber ab, wie genau der Staat helfen soll. Jedem und jeder? Oder nur denen, die unter besonders hohen Gaspreisen leiden?

Denn alle anderen sollen, unabhängig von der verwendeten Energieform, selbst sehen, wie sie die gestiegenen Kosten begleichen, so die Haltung der Sozialdemokraten.

Die bürgerlichen Parteien hingegen wünschen sich Unterstützung für alle, unabhängig von der Energieform und ihrem Einkommen, um eine verdeckte Subventionierung einzelner Energieformen oder soziale Umverteilungspolitik zu vermeiden.

Und auch der finanzpolitische Sprecher der Einheitsliste, Rune Lund, meint, es reiche nicht aus, lediglich den Gaskunden zu helfen. Auch für die gestiegenen Strompreise müsse es Kompensation geben. Und er schlägt vor, diese über Steuererleichterungen auf den Strompreis zu finanzieren.

Keine schlechte Idee, denn nur ein Teil des Strompreises setzt sich aus den tatsächlichen marktbasierten Kosten zusammen, der Rest sind Steuern und Abgaben. Mit anderen Worten: Bei jeder Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen, kassiert der Staat ordentlich mit.

Der Direktor von Dansk Fjernvarme, Kim Mortensen, findet es hingegen unerhört, dass die bürgerlichen Parteien von Steuererleichterungen für Stromkunden sprechen, während es doch vor allem die Gaskunden seien, die unter explodierenden Rechnungen leiden.

Und die Radikalen schlagen vor, in Zukunft ganz auf Gas zu verzichten. Das ist aus ökologischer Sichtweise sicher sehr begrüßenswert, aber kaum etwas, das von heute auf morgen erreicht werden kann. Die Energiekosten aber sind jetzt hoch.

Indirekte Subventionen für Gas sind zwar nicht erstrebenswert, sie aber in der momentanen Situation auszuschließen, ist politisch unverantwortlich.

Die umfassenden Abgaben auf Elektrizität von der Debatte ausschließen zu wollen, zeugt von Klientelpolitik. Denn so mancher hat bereits seine Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt, und auch wenn seine Stromrechnung nicht so stark steigt wie die des Gaskunden, so leidet auch er unter höheren Energiekosten.

Deswegen ist die Vereinbarung im Rahmen des Reformpaketes „Dänemark kann mehr I“, die Abgaben auf Strom zum 1. Juli zu senken, gut. Noch besser wäre es allerdings, dies sofort zu tun.

Dass auch den Gaskunden geholfen werden muss, sollte außer Frage stehen. Denn eben mal die Heizung austauschen ist nicht realistisch. Aber deswegen den umweltbewussten Haushalt, der bereits mit der Wärmepumpe und damit über Strom heizt, zu bestrafen, indem man ihn auf den gestiegenen Kosten sitzen lässt, ist kurzsichtig.

Denn wer heute nur die Gaskunden unterstützen will, erweist auch allen ökologischen Bekundungen einen Bärendienst. Und dann wird sich so mancher eine möglicherweise bereits geplante Investition in eine Wärmepumpe noch einmal genau überlegen. Was sich wiederum auf die Klimabilanz auswirkt, an der auch den sozialdemokratischen Politikern nach eigenem Bekunden sehr viel gelegen ist.

Am Ende des Tages bleibt dies: Hilfe ist geboten, denn beim Heizen oder Essenzubereiten, sei es mit Gas oder Strom, geht es um ein menschliches Grundbedürfnis, weshalb hier tatsächlich eine gesamtgesellschaftliche – lies „staatliche“ – Verantwortung darin liegt, sicherzustellen, dass alle Menschen in diesem Land sich dies auch leisten können.

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