Deutsch-dänische Zusammenarbeit

Thema Grenzjubiläum und offene Grenze in Ripen

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Thema Grenzjubiläum und offene Grenze in Ripen

Ripen/Ribe
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Der Präsident des dänischen Folketings, Henrik Dam Kristensen (Sozialdemokraten), sprach zur offiziellen Eröffnung der Großveranstaltung „Folkemødet i Ribe" im Dom der Stadt, die bis zur neuen Grenzziehung 1920 nur wenige Kilometer von der seit 1864 existierenden deutsch-dänischen Grenze lag. Foto: JydskeVestkysten/Lars Fahrendorff

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Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, berichtet über positive Reaktionen auf seine Grußworte bei der Eröffnung des „Folkemødet i Ribe“ anlässlich der 1920-Erinnerungsfeierlichkeiten. Der Folketingspräsident Henrik Dam Kristensen (Soz.) sprach im voll besetzten Dom.

Am Freitag hat der dänische Parlamentspräsident, Henrik Dam Kristensen (Sozialdemokraten), in seiner Rede zur offiziellen Eröffnung des „Ribe Folkemøde“ im Dom der Stadt Ripen darauf hingewiesen, dass die mit der Großveranstaltung gefeierte „Wiedervereinigung“ Nordschleswigs mit Dänemark nach den Volksabstimmungen 1920 und der Neuziehung der deutsch-dänischen Grenze heute auch zeige, wie wichtig die Zusammenarbeit über die Grenze hinweg ist. Im voll besetzten Dom verwies der Präsident des Folketings auf das große Programm des im vergangenen Jahr mehrfach verschobenen und in diesem Jahr nachgeholten „Folkemøde“, bei dem Themen wie Nation, nationale Identität, gemeinsame Geschichte und deutsch-dänische Kulturbeziehungen auf der Tagesordnung standen. So diskutierten unter Leitung von Büchereidirektorin Claudia Knauer, Apenrade (Aabenraa), Knud Romer und  Feridun Zaimoglu.  

 

Grußworte beider Minderheitenspitzen 

Grußworte sprachen anlässlich der „Folkemøde“-Eröffnung neben der Vorsitzenden des Südschleswigschen Vereins (SSF), der Dachorganisation der dänischen Minderheit in Südschleswig, Gitte Hougaard-Werner, auch der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, sowie der stellvertretende Vorsitzende des Regionsrates Süddänemark, Poul-Erik Svendsen (Sozialdemokraten). 

Deutsche Minderheit im Programm vertreten

„Der Bund Deutscher Nordschleswiger gratuliert ,Ribe Folkemøde‘ zu einer fantastischen Woche mit vielen spannenden Vorträgen und Veranstaltungen“, lautete der erste, in deutscher Sprache gesprochene Satz Jürgensens, der seinen Beitrag in dänischer Sprache fortsetzte, wobei er aber auch erwähnte, dass seine Muttersprache „Synnejysk“ sei. „Ein ,Folkemøde‘ ist ein Ort, an dem sich die Menschen zu Vorträgen und Unterhaltung treffen. Wo verschiedene Meinungen vorgebracht und diskutiert werden. Die deutsche Minderheit freut sich darüber, im Programm vertreten zu sein. Wir freuen uns auf spannende Debatten“, so Jürgensen, der an die Zeit vor 200 Jahren erinnerte, als ein Einwohner in Tingleff (Tinglev) wohl kaum hätte darauf antworten können, ob er Dänisch oder Deutsch ist.

Vor 200 Jahren Schleswiger

„Er hätte wohl geantwortet: Ich bin Schleswiger“, meinte Jürgensen und fügte hinzu, dass um 1820 im damaligen Herzogtum Schleswig Dänisch, Deutsch, „Synnejysk“, Plattdeutsch und Friesisch gesprochen wurde. Erst später sei nationales Denken aufgekommen, und die Menschen mussten sich entscheiden, Deutsch oder Dänisch zu sein, was zu den Schleswigschen Kriegen, der Schlacht von Düppel (Dybbøl) und schließlich zum Ersten Weltkrieg führte. „Dann kam die Volksabstimmung 1920, eine Grenzziehung, bei der das Volk bestimmen konnte, wenn auch in zwei Abstimmungszonen mit zwei verschiedenen Abstimmungsmodi“, fügte der BDN-Hauptvorsitzende hinzu.

Hinrich Jürgensen berichtete in Ripen über die eigene Familiengeschichte, um die Zeit um 1920 zu illustrieren. Foto: Karin Riggelsen

„Heute sprechen wir von einer friedlichen Abstimmung. Aber damals war das auch ein Wahl-Kampf. Familien wurden in dänische und deutsche Zweige geteilt. Meine eigene Familie spaltete sich auf. Mein Urgroßvater hatte zwei Söhne und sechs Töchter. Die Söhne hatten am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Einer ist gefallen, mein Großvater kehrte heim. Der Großvater, der im Krieg dabei war, stimmte für Deutschland. Zwei Drittel meiner Familie wurden Dänisch, und die heißen heute Jørgensen“, so Hinrich Jürgensen. Er erinnerte daran, dass der Begriff „Genforeningen“ (Wiedervereinigung) nach mittlerweile 101 Jahren nach der Grenzziehung in Dänemark die Überschriften beherrsche.

Minderheiten wurden 1920 nicht „wiedervereinigt“

„Aber die deutsche Minderheit, die ja mit der Grenzziehung entstand, kann ebenso wie die dänische Minderheit keine Wiedervereinigung feiern. Aus guten Gründen, denn wir sind nicht wiedervereint worden“, so Jürgensen und erinnerte an die Diskussion, ob der Begriff Wiedervereinigung überhaupt für das Geschehen 1920 passe. „Historiker und Forscher sind sich nicht einig“, meinte der BDN-Hauptvorsitzende.

Zitat aus Staatsminister Neergaards Rede 1920

Und er zitierte aus der Rede des dänischen Staatsministers und Historikers Niels Neergaard (Venstre) bei den dänischen Feierlichkeiten auf der Düppeler Höhe  nach der staatsrechtlichen Abtretung Nordschleswigs an Dänemark am 11. Juli 1920. „Zum ersten Mal in Dänemarks 1.000-jähriger Geschichte ist ,Sønderjylland‘ ein Teil Dänemarks“, zitierte Jürgensen aus der historischen Rede und fügte hinzu: „Ich will mich nicht in die Diskussionen einmischen, aber ich will doch sagen, man kann sich darauf einigen, dass es für diejenigen, die dänisch gestimmt haben, eine volkliche (folkelig) Wiedervereinigung gewesen ist.“ 

https://danmarkshistorien.dk/leksikon-og-kilder/vis/materiale/statsminister-niels-neergaards-v-genforeningstale-paa-dybboel-1920/

Deutsche Minderheit feiert ihren Geburtstag

Und Jürgensen sagte anschließend: „Wir, die deutsche Minderheit, feiern unseren 100. Geburtstag. Und wir haben eine friedliche Grenzziehung bekommen, die auch in schweren Zeiten Bestand hatte. Wir haben dies damit gewürdigt, dass Ihre Majestät die Königin und der Bundespräsident am 13. Juni dieses Jahres zwei Nationalbäume vor dem neuen Deutschen Museum in Sonderburg gepflanzt haben, die dänische Buche und die deutsche Eiche. Ich hoffe, die Kronen der Bäume werden in 100 Jahren zusammengewachsen sein, um ein Symbol des guten Verhältnisses zwischen Dänemark und Deutschland zu sein.“  

Im Dom zu Ripen fand die Eröffnung des „Folkemøde i Ribe" statt. Foto: Volker Heesch

 

Der BDN-Hauptvorsitzende berichtete über den gemeinsamen Antrag Dänemarks und Deutschlands sowie der Minderheiten im Grenzland, das Zusammenleben von Dänen und Deutschen in der Grenzregion als immaterielles Kulturerbe in die Liste der Unesco aufnehmen zu lassen.

 

Deutsch-dänisches Geschichtsbuch

Und er wiederholte seinen Vorschlag, dass deutsche, dänische und internationale Forscher gemeinsam ein Geschichtsbuch für die Grenzregion schreiben. Hinrich Jürgensen berichtete gegenüber dem „Nordschleswiger“, dass er auf seine Ansprache und den Vorschlag, ein dänisch-deutsches Geschichtsbuch zu verfassen, viele positive Reaktionen bekommen habe. „Das wurde auch beim Seminar ,Der Nationalstaat und die Herausforderungen der Zukunft‘ angesprochen, wo Professor Steen Bo Frandsen einen Vortrag gehalten hat“, so Jürgensen. Bei der Diskussion während der Veranstaltung, die Bischöfin Marianne Christiansen eröffnet , gab es auch kritische Beiträge zum Nationalstaatsverständnis und Grenzziehungen. „Die Idee eines deutsch-dänischen Geschichtsbuches fand auch dort Interesse“, so der BDN-Hauptvorsitzende.    

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