Geschichte der deutschen Minderheit

„Mythos Schmidt-Wodder wird vom Thron gestoßen“

„Mythos Schmidt-Wodder wird vom Thron gestoßen“

„Mythos Schmidt-Wodder wird vom Thron gestoßen“

Schleswig
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Peter Hopp hat mit seinem Werk über Johannes Schmidt-Wodder den Doktortitel erworben. Foto: Volker Heesch

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Im Landesarchiv Schleswig-Holstein ist Peter Hopps politisch-historische Biographie über den langjährigen Spitzenmann der deutschen Nordschleswiger nach 1920 vorgestellt worden. Der Autor war 1976 als Untermieter auf dem Hof Petersholm auf das Wirken des 1959 verstorbenen Pastors und Folketingsmitglieds gestoßen.

Am Mittwoch ist im Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig im kleinen Rahmen das neu erschienene Buch „Pastor Johannes Schmidt-Wodder (1869-1959)“, basierend auf der Dissertation des Kieler Historikers Dr. Peter Hopp, vorgestellt worden. Das 612 Seiten starke Werk wird herausgegeben von der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, dessen Vorsitzender, Prof. Thomas Steensen, in seiner Einführung auf die historische Bedeutung des Folketingsabgeordneten Schmidt-Wodder in den Jahren 1920 bis 1939 für die deutschen Nordschleswiger hinwies.

 

Professor Thomas Steensen, Dr. Peter Hopp und Prof. Rainer Hering (v. l.) stellten das Buch über Johannes Schmidt-Wodder aus Gründen des Corona-Schutzes im Lieferbereich des Landesarchivs in Schleswig vor. Foto: Volker Heesch

 

Deutsch-völkisch und antidemokratisch

„Mit dem Buch wird der Mythos Schmidt-Wodder vom Thron gestoßen“, so Steensen unter Hinweis auf die jahrzehntelang vorherrschende eher positive Würdigung des Theologen, der vor dem Ersten Weltkrieg mit seinem „Friedensverein“ für eine weniger harte Haltung der preußischen Behörden gegenüber der dänischen Bevölkerung in Schleswig eingetreten war. Peter Hopp habe in seiner Doktorarbeit dokumentiert, dass Schmidt-Wodders Geisteshaltung seit seiner Studienzeit von deutsch-völkischem, antidemokratischen und auch antisemitischen Ideen geprägt war. Im Buch werde auch Schmidt-Wodders Haltung zum Nationalsozialismus beleuchtet, der ihn nach 1933 zwar politisch entmachtet habe, was diesen aber nicht daran gehindert habe, gegen Kriegsende mit erschütternden Durchhalteartikeln dem Hitlerregime den Rücken zu stärken. 

 

Jürgen Ostwald (l.) vertrat das Unternehmen Fielmann AG bei der Buchpräsentaion. Sie hat es finanziell ermöglicht, das Buch Peter Hopps (r.) in neuer Gestaltung der seit 1914 erscheinenden Reihe zur Geschichte Schleswig-Holsteins zu veröffentlichen. Foto: Volker Heesch

 

 „Es ist ein ungewöhnliches Buch“, so Steensen und erinnerte daran, dass das Werk Peter Hopps seit 40 Jahren angekündigt war, Hopp aber erst als Ruheständler, nach dem Ende seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer, in Kiel die Zeit gefunden hatte, die Arbeit zu vollenden. Allerdings habe Hopp jahrzehntelang schon viele wertvolle historische Beiträge vor allem auch zur jüngeren deutsch-dänischen Geschichte verfasst. „Nun im Ruhestand ist die Arbeit vollbracht, mit fast 80 Jahren bei einem deutlich jüngeren Doktorvater Oliver Auge“, so Steensen und unterstrich, dass man sich freue, jenseits von Legenden und Mythen durch die „politisch-historische Biographie“ neue Erkenntnisse über die Geschichte der deutschen Minderheit in Nordschleswig bekommen zu haben. Er dankte dem anwesenden Kunsthistoriker Jürgen Ostwald als Vertreter der Fielmann AG, die die Buchveröffentlichung im Verlag Wachholtz ermöglicht habe. 

Einst Untermieter auf Hof Petersholm

Lob für das Werk kam auch vom Leiter des Landesarchivs, Prof.  Rainer Hering, der als Mitglied der Promotionskommission die Arbeit Peter Hopps kennengelernt hat. Er berichtete, dass im Landesarchiv auch ein Teil des Nachlasses von Schmidt-Wodder verwahrt werde. Peter Hopp, dessen Vater aus Eckernförde stammte und dessen Mutter auf Fünen beheimatet war, berichtete dem „Nordschleswiger“, dass er nach der Studienzeit während seines Referendariats am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade in den Jahren 1976 und 1977 auf die Person Schmidt-Wodder und dessen Wirken aufmerksam geworden sei. „Ich war Untermieter auf dem Hof Petersholm bei Gravenstein, den Schmidt-Wodder für seine Familie gekauft hatte. Der BDN-Hauptvorsitzende Gerhard Schmidt hatte mir das Zimmer vermietet.

Ich durfte bei dessen Eltern Friedrich und Anna Schmidt erstmals Briefe von Schmidt-Wodder studieren“, so Peter Hopp, der in den folgenden Jahren wegen seines deutsch-dänischen Hintergrundes unter anderem zusammen mit dem Geschichtslehrer am Deutschen Gymnasium in Apenrade, Immo Doege, Unterrichtsmaterial mit kritischem Blick auf die Geschichte der deutschen Nordschleswiger seit 1920 erarbeitet und veröffentlicht hat. Hopp berichtet, dass es vor 40 Jahren sehr aufwändig war, ein Thema wie Johannes Schmidt-Wodder zu bearbeiten. „Alles musste nachgesehen und abgeschrieben werden“, berichtet er und fügt hinzu, dass er bei dem jahrzehntelangen Vorarbeiten für seine Doktorarbeit nicht nur jede Menge Dokumente gewälzt, sondern auch viele Menschen, die ihn unterstützt hätten, kennengelernt habe.

 

Ein Portrait Johannes Schmidt-Wodders von A. P. Weber ziert den Buchtitel. Peter Hopp berichtete, dass Schmidt-Wodder das Bild nicht mochte, er habe darauf zu alt ausgesehen. Foto: Volker Heesch

 

Peter Hopp weist darauf hin, dass in seinem umfangreichen Werk die Beziehungen Schmidt-Wodders zum europäischen Norden viel Raum einnehme, weil darauf die Dissertation ausgerichtet wurde. Hopp erklärte, dass Schmidt-Wodder zeitlebens auf der Suche nach einer „standhaften deutschen Volksgemeinschaft“ gewesen sei.

Idealistisch und realitätsfern

Er habe „durchaus idealistisch, aber realitätsfern von einem vereinten Norden, eng verbunden mit einem Hegemonie beanspruchenden Deutschland“ geträumt. Schmidt-Wodder hat seit seiner Wahl in das dänische Folketing als Vertreter der deutschen Minderheit die Grenzziehung von 1920 abgelehnt und auf eine Revision hingearbeitet.

Minderheit nach 1945 belastet

Peter Hopp hat auch auf die Belastung der seit 1945 auf Loyalität zum dänischen Königreich, Anerkennung der Grenze und demokratische Prinzipien basierenden deutschen Minderheit seit Gründung des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) durch Schmidt-Wodders Verharmlosung der nationalistischen Untaten hingewiesen. Dazu beigetragen habe ebenfalls seine Rolle als Hauptzeuge beim „Rostock-Mythos“, der auf widerlegte Behauptungen fußte, 1940 habe der damalige dänische Außenminister Munch einige Tage vor der Besetzung Dänemarks durch Hitlerdeutschland am 9. April 1940 mit NS-Machthabern eine friedliche Einnahme des Landes durch Deutschland ausgehandelt. Den Rostock-Mythos hätten dänische Kollaborateure ebenso wie deutsch-nordschleswigsche Faarshus-Insassen propagiert, um das eigene Handeln zugunsten der Besatzungsmacht zu relativieren. Eine ausführliche Besprechung des Buches folgt Das Buch ist zum Preis von 49,90 Euro im Buchhandel erhältlich. 

 

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