Leitartikel

„Radikaler Wendepunkt“

Radikaler Wendepunkt

Radikaler Wendepunkt

Nordschleswig/Kopenhagen
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Die Parteichefin der Radikalen Venstre, Sofie Carsten Nielsen, sieht Alternativen zu Mette Frederiksen als Staatsministerin. Wohin sich die Radikalen diesmal wenden, weiß Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die Radikale Venstre ändert den Kurs. Schon wieder, mögen einige denken, denn der politische Insiderwitz der vergangenen Jahrzehnte überhaupt ist, dass sich die sozialliberale Partei immer wieder von links nach rechts dreht und umgekehrt. Windsack eben, so die Kritiker.

Parteichefin Sofie Carsten Nielsen, die vor 15 Monaten nach Morten Østergaard und dem internen Me-Too-Skandal aufräumen musste, hat angekündigt, nicht mehr eine Ein-Parteien-Regierung der Sozialdemokraten zu unterstützen.

Das heißt, Staatsministerin Mette Frederiksen muss sich jetzt schon um mögliche Bündnispartner nach der nächsten Wahl (spätestens 2023) kümmern. Dabei hat sie sogar die jetzigen politischen Freunde durch das oft eigenmächtige Handeln der Regierung vergrault. Gegner und Freunde werden sich diesmal ihre politische Unterstützung wesentlich mehr kosten lassen als 2019. 

Sofie Carsten Nielsen wendet sich nicht direkt von den Sozialdemokraten ab, aber Mette Frederiksen sei für sie nicht die einzige Staatsminister-Kandidatin: Venstre-Mann Jakob Ellemann-Jensen und der Konservative Søren Pape Poulsen kämen ebenfalls für sie infrage. Nielsen hält noch alles offen.

Die Radikale Venstre sei für eine Regierung zu haben, Sofie Carsten Nielsen für den Staatsministerposten dagegen nicht. Die Parteichefin will aber eine neue Richtung in der dänischen Politik, und sie blickt dafür über die Grenze nach Deutschland, wo sie sich von der neuen Ampel mit den Sozialdemokraten, der FDP und den Grünen hat inspirieren lassen: weg vom Block-Denken und hin zu einer Politik über die Mitte hinweg.

Dabei erwähnt Nielsen nicht nur Venstre und Sozialdemokraten als mögliche Bündnispartner, sondern sieht sogar die Möglichkeit einer größeren politischen Spanne von den Konservativen bis hin zu den Volkssozialisten von SF.

In einem anderen Bereich müssen die Radikalen dagegen selbst eine Kröte schlucken. So wie die politische Landschaft in Dänemark aussieht, ist an der strammen Ausländerpolitik nichts zu ändern, meint Sofie Carsten Nielsen. Die Radikalen wollen sich zwar nicht den anderen Parteien – von links bis rechts – anschließen, geben in der Sache aber klein bei. Bleibt zu hoffen, dass die Partei zumindest ein wenig Anstand hat, um sich für die Schwächsten unserer Welt und in Dänemark einzusetzen.

Die Rolle als Blockbrecher haben die Radikalen übrigens nicht für sich allein erfunden. In der politischen Mitte müssen sie sich den Moderaten von Ex-Staatsminister Lars Løkke Rasmussen stellen. Das könnte ein ungleicher Kampf werden, bei dem eine der ältesten Parteien in der dänischen Politik von der neuesten Partei ins Nichts verdrängt wird.

Nach zwei hektischen Jahren in der dänischen Politik scheint es auch in den kommenden zwei Jahren auf Christiansborg nicht minder spannend und dramatisch zu werden.

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