Leitartikel

„An der Frauenquote in der Wirtschaft führt kein Weg mehr vorbei“

An der Frauenquote in der Wirtschaft führt kein Weg mehr vorbei

An der Frauenquote in der Wirtschaft führt kein Weg vorbei

Apenrade/Aabenraa
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Die Sydbank-Chefin Karen Frøsig hat nach vielen Jahren auf den Tisch gehauen und fordert eine Frauenquote für Unternehmensvorstände. Richtig so, meint Cornelius von Tiedemann, und regt, ganz unaufdringlich, den Blick nach Deutschland an, wo die Politik die Weichen bereits gestellt hat.

Am deutschen Wesen mag die Welt genesen, schrieb der Lübecker Lyriker Emanuel Geibel 1861. Er ahnte naturgemäß nicht, dass Kaiser Wilhelm II. die ganz anders gemeinten Gedichtverse 20 Jahre später zur Aufforderung umdeuten und zu politischer Propaganda missbrauchen, somit aber auch unsterblich machen würde.  

Dass die Welt in den Jahrzehnten, die folgen sollten, nicht unbedingt am deutschen Wesen genas, jedoch gleich mehrfach von ihm (in der Wilhelm’schen Auslegung) in Brand gesteckt worden ist, ist dem Autor dieser Zeilen schmerzlich bewusst. Dennoch möchte er (also ich) es wagen, den Menschen in Dänemark zu empfehlen, zum Genesungszwecke einen Blick nach Süden, über die bewachte Grenze hinweg nach Deutschland, zu werfen.

Denn Dänemark droht, seine herausragende Ausgangslage für eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer endlich gleichgestellt sind, zu verspielen. Und in einem Punkt könnte es sich hier vom inzwischen seinerseits als vom deutschen (Un-)Wesen einigermaßen genesen geltende Deutschland inspirieren lassen.

Auf dem Weg dorthin kann hier in Apenrade haltgemacht werden, wo die Chefin einer der größten Banken des Landes, Karen Frøsig, kürzlich auf den Tisch gehauen und gesagt hat, dass es nun reicht mit der Freiwilligkeit in Sachen Frauenquote.

Frøsig wollte nie, nur weil sie eine Frau in Führungsposition ist, das Thema Gleichstellung zu ihrem machen. Ihr Thema sei immer die Sydbank gewesen. Doch nun, wo ihre Tochter auf dem Arbeitsmarkt steht und vor denselben Problemen, wie sie selbst es vor 30 Jahren tat, so Frøsig in einem Interview in „Politiken“, reiße ihr der Geduldsfaden.

Sie sieht eine Frauenquote für Vorstände nicht als Allheilmittel oder als Dauerlösung. Aber wie sollte das Problem sonst gelöst werden? Von nichts kommt in diesem Falle tatsächlich nichts, Politik und Wirtschaft haben außer Absichtsbekundungen und unverbindlichen Aufforderungen in der Sache nichts bewirkt.

Und die Chefin der Apenrader Bank hat recht, wenn sie sich über Männer und Frauen empört, die sagen, dass Frauen ja nicht nur deshalb eingestellt werden sollten, weil sie Frauen sind. Das ist herabwürdigend und verschleiert aktiv die altbekannte Tatsache, dass Gleich und Gleich sich gern gesellt. Männer stellen also vorzugsweise Männer ein.

Das geschieht nicht unbedingt vorsätzlich. Doch wie so viele Entscheidungen, so werden auch und gerade wichtige Personalentscheidungen, auch nach eingehenden Prüfungen, letztlich doch aus dem Bauch heraus getroffen. Und der Bauch ist bekanntlich nicht immer der beste Berater.

Das sorgt dafür, dass es Frauen ungerecht schwer gemacht wird, in Führungspositionen zu kommen, in denen sie dann als Einzige oder eine von wenigen noch unter besonderer Beobachtung stehen, als gehörten sie einer anderen Spezies an. Dass sie bei gleicher Qualifikation zugleich weniger verdienen und im Schnitt sogar noch besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen, kommt erschwerend hinzu.

In Deutschland, wohin wir jetzt endlich kommen, hat sich die noch amtierende große Koalition derweil kurz vor dem Sommerurlaub auf eine Frauenquote für Vorstände großer Unternehmen geeinigt. Mit dem Gesetz muss künftig ab vier Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau am Tisch sitzen. Schon 2015 war eine 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte eingeführt worden – mit Erfolg.

Erfolg nicht nur für die Frauen, die dadurch eine faire Chance bekommen, sondern auch für die Unternehmen, die endlich mehr weibliche Vorstände und Aufsichtsräte und somit deren wertvolle Perspektiven bekommen.

Also, um nicht nur zu denken, sondern, wie es sich mir als Deutschem gebietet, auch zu dichten: Magst auch nicht du, Dänemark, am deutschen Wesen genesen – so wär' vielleicht doch, mein Daheim, ein Blick auf die Quoten geboten?

 

 

 

 

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