Minderheitenpolitik

Was Minderheiten für alle bringen

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cvt
Flensburg
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Der Gesprächskreis in Flensburg Foto: Ruth Candussi

Runder Tisch des Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen (ECMI) in Flensburg: Sollen Minderheiten sich stärker profilieren?

Minderheiten haben so einiges zu bieten – auch für die Mehrheitsgesellschaft, in der sie leben. Darüber gab es am Mittwochabend beim „Runden Tisch der Minderheiten“ in der Dänischen Zentralbibliothek in Flensburg keinen Zweifel unter den Gesprächsteilnehmern. Doch wie können und sollen diese Mehrwerte definiert werden? Wie tragen Minderheiten zur regionalen Entwicklung bei? Wie ist regionale Entwicklung überhaupt zu verstehen? Geht es dabei „nur“ um Geld, um Wirtschaftswachstum – oder auch um andere Mehr-Werte?

Eine endgültige Antwort konnte der Gesprächskreisdes Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen (ECMI) naturgemäß nicht liefern – der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des ECMI, Sonja Wolf, jedoch wurden wichtige Impulse für die Abhandlung geliefert, die sie zum Thema derzeit vorbereitet.

„Wir von der Minderheit haben ja als Selbstverständnis, dass wir zur regionalen Entwicklung beisteuern, indem wir mit Kultur und Zweisprachigkeit beitragen“, sagt Ruth Candussi, Parteisekretärin der Schleswigschen Partei (SP). „Unsere deutschen Schulen und Kindergärten können auch von Dänen genutzt werden, unser Kulturangebot ist offen“, sagt sie. „Das könnte durchaus als Standortfaktor betrachtet werden, wenn internationale Unternehmen Fachkräfte herhaben wollen.“

Doch die Kommunen, in denen die Minderheiten aktiv sind, werben „nicht sonderlich proaktiv damit“, beklagt sie. Und auch in offiziellen politischen Strategien wird der Mehrwert, den Minderheiten zu einer Region beisteuern, kaum erwähnt.

Pionierarbeit leisten

Die Minderheitenparteien müssen daher immer wieder Pionierarbeit leisten, wenn es um interkulturelle  und/oder grenzüberschreitende Konzepte geht. Doch sind Minderheitenparteien überhaupt per se progressiv – oder nicht vielmehr auch Entwicklungshemmer, weil sie ein „Überbleibsel“ sind, das nur bewahren will, was ist – oder gar wiederhaben will, was war?

Die Minderheitenparteien, so eine These, die im Gespräch aufkam, hätten sich entwickelt – und falls sie dies noch nicht getan haben, sollten sie es tun.
„Wir haben vor 30, 40 Jahren vielleicht nicht zur regionalen Entwicklung beigetragen, weil wir da eine Politik der Abschottung betrieben haben“, sagt Candussi. „Wir waren eine Art Parallelgesellschaft. Jetzt haben wir uns geöffnet, sind grundsätzlich proeuropäisch und für Zusammenarbeit.“

Die wichtige Frage für sie sei es jetzt, einmal durchzudenken, „wie viel mehr Mehrwert und dadurch regionale Entwicklung könnte es geben, wenn wir uns als Minderheit strategisch ins Spiel bringen als regionaler Entwickler“? Sie nennt das Beispiel des SP-Politikers Stephan Kleinschmidt, der Vizebürgermeister der dänischen Kommune Sonderburg – und zugleich Dezernent  für Projektkoordination, Dialog und Image der Stadt Flensburg ist. „Er ist deutsche Minderheit und ein regionaler Entwickler, denkt immer in allem deutsch-dänische Region“, sagt Candussi, die „sehr gespannt“ auf die Arbeit von Sonja Wolf ist.

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