Leitartikel

„Grenzen der Meinungsfreiheit“

Grenzen der Meinungsfreiheit

Grenzen der Meinungsfreiheit

Nordschleswig
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Späte Einsicht: Als Kriegsgräberbeauftragter kann man keinen Vergleich zwischen dem Corona-Pass und dem Judenstempel ziehen. Kristian Møller Lauritsen hat daraus die Konsequenzen gezogen. Er hatte aber keine andere Wahl, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die deutsche Minderheit in Nordschleswig ist keine homogene und einheitliche Gruppe, in der alle die gleiche Meinung haben. Es gibt Menschen, die sehen sich politisch ganz rechts, in der Mitte stehen einige mehr, aber auch der linke Flügel hat in der Minderheit seine Sympathisanten. So ist es, und so muss es sein.

Dasselbe gilt für die Corona-Pandemie: Es gibt Impf-Befürworterinnen und Impf-Skeptiker, die, die Maßnahmen der Regierung und Behörden begrüßen und die, die sich von denselben Maßnahmen genötigt fühlen.

Dafür ist in der öffentlichen Debatte – auch in der deutschen Minderheit – Platz. Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sind wichtige Elemente unserer Demokratie.

Aber es gibt Grenzen, und diese hat der Kriegsgräberbeauftragte aus Nordschleswig, Kristian Møller Lauritsen, überschritten. Manchmal passiert es Leuten, dass sie unüberlegt etwas in den sozialen Netzwerken teilen, und es im Nachhinein bereuen.

Lauritsen hatte den Post zweier Lektoren der Copenhagen Business School geteilt, in dem sie den Corona-Pass mit dem Juden-Pass (Judenstempel) aus der NS-Zeit verglichen haben. „Spot on“ kommentierte Kristian Møller Lauritsen. Doch es war eben kein Fauxpas, sondern Lauritsen argumentierte gegenüber dem „Nordschleswiger“, dass der Vergleich angebracht sei.

Ist er aber nicht.

Es ist ein „grotesker Vergleich“, sagt der Historiker Claus Bundgård Christensen, der sich an der Universität in Roskilde auf den Nationalsozialismus und den Holocaust spezialisiert hat. Der „ahistorische Vergleich“ sei „extrem und grob“, sagte er zu „Danmarks Radio": Das eine sei der Versuch einer Regierung, eine Virusinfektion zu unterbinden, während das andere ein ideologischer Feldzug gewesen sei, der zu einem industrialisierten Völkermord von sechs Millionen Juden führte.

Auch der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat solche Vergleiche in der NOZ kritisiert: Die Menschen, die heute diese Vergleiche anstellen, bezeichnen staatliche Maßnahmen als Verfolgung. Das ist schlicht falsch.

In Minderheitenkreisen in Hadersleben kennt man Kristian Møller Lauritsen als engagiertes, umgängliches und diskutierfreudiges Mitglied. Er hat sich in der Minderheit ehrenamtlich eingebracht und war auch bei den Neujahrstagungen des Bundes Deutscher Nordschleswiger in Sankelmark mit dabei. 2021 sagte er lobenswerterweise zu, der Kriegsgräberfürsorge in Nordschleswig zu helfen.

Kristian Møller Lauritsen kann privat seine Meinung über den Umgang mit der Pandemie haben. Aber der Kriegsgräberbeauftragte Kristian Møller Lauritsen kann und darf solche Vergleiche nicht aufstellen. Lauritsen hatte sogar die Chance, seine Aussage zu überdenken und den moralischen Kompass neu auszurichten. Von Einsicht aber keine Spur.

Lauritsen liegt sowohl bei der Einschätzung seiner Aussagen als auch bei den daraus folgenden Konsequenzen falsch. Ob politisch links oder rechts, ob Impf-Gegner oder -Befürworter, für alle gilt ein Mindestmaß an Anständigkeit und Moral – auch wenn es eine gefühlsbetonte Auseinandersetzung ist.

Am Donnerstag hat Kristian Møller Lauritsen nun doch sein Amt zur Verfügung gestellt. Er ist dabei sicherlich einem Rauswurf zuvorgekommen – aber immerhin.

Es bleibt aber festzuhalten: Man kann mit Regierungen oder Maßnahmen unzufrieden sein. Die Handhabung der Corona-Pandemie mit der Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden zu vergleichen, ist aber unvertretbar. Dort sind die Grenzen der Meinungsfreiheit aufgezeichnet.

Es wird in Dänemark 2021 niemand in den Tod gejagt – auch Impf-Gegner nicht.

 

 

 

 

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