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Hadersleben: Wenn extremes Wetter normal wird

Hadersleben: Wenn extremes Wetter normal wird

Hadersleben: Wenn extremes Wetter normal wird

Hadersleben/Haderslev
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Der Sommer wollte zum Herbstanfang nicht enden. Im Gegenzug zeigte sich der August von einer herbstlich-herben Seite. Foto: Viggo Hjort Kohberg

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Der September des Jahres war ein Rekordbrecher – mit sommerlichen Temperaturen und Sonne satt. Hobby-Meteorologe Kurt Koch hat in den vergangenen drei bis fünf Jahren eine besorgniserregende Tendenz beobachtet: „Extremes Wetter wird langsam aber sicher normal.“

Der September 2023 im Stadtgebiet war so sommerlich wie nie zuvor seit Erfassung der Wetterdaten. Die Durchschnittstemperatur lag bei 17,6 Grad Celsius und damit fast 3 Grad höher als im Vergleichszeitraum vergangener Jahre, stellt Kurt Koch aus Hadersleben fest.

Seit über 50 Jahren beobachtet der Hobby-Meteorologe das Wetter im Stadtgebiet von Hadersleben.

Sonne pur: Im September gab es einige Tage mit Strandwetter. Foto: Viggo Hjort Kohberg

Schwankungen sind normal, aber ...

„Schwankungen hat es im Laufe der vergangenen Jahre immer wieder mal gegeben“, sagt er. Als besorgniserregend bezeichnet der Haderslebener indes den Umstand, dass extremes Wetter in den vergangenen Jahren zunehmend zur Normalität geworden ist – und zwar nicht nur in Hadersleben, sondern weltweit.

Kein Septembertag ohne Sonne Foto: Viggo Hjort Kohberg

Herbstanfang mit Rekorden

„In den vergangenen drei bis fünf Jahren hat sich diese Tendenz verschärft. Die Zeiträume zwischen den Wetterabweichungen werden kürzer. Extremes Wetter wird langsam aber sicher normal. Das ist ungewöhnlich."

Am Vormonat war nichts normal. Am 9. September ermittelte Kurt Koch mit 28 Grad Celsius die höchste Temperatur des Monats und damit einen neuen Rekord in der Domstadt.

An diesem Tag erreichte die durchschnittliche Tages- und Nachttemperatur sage und schreibe 22 Grad Celsius. Damit ist der vergangene Monat einer der wärmsten Septembermonate in der Wettergeschichte von Hadersleben.

Die niedrigste Maximaltemperatur betrug 17 Grad Celsius, was ein weiterer Rekord ist. Die kälteste Nacht war am 14. September mit 8 Grad Celsius.

An vier Tagen war der Himmel wolkenlos, aber an allen Tagen schien die Sonne. Foto: Viggo Hjort Kohberg

Kaum Regen, viel Sonne

Regen gab es kaum im ersten Monat des Herbstes: Es fielen lediglich 62 Millimeter im Vergleich zu den üblichen 101 Millimetern.

Im Gegensatz zum sonnenarmen August war der September der sonnigste Monat aller Zeiten – zumindest aber seit Erfassung der Wetterbilanz.

Der September lud zum Verweilen an der Küste ein. Foto: Viggo Hjort Kohberg

Die Sonne schien 215 Stunden und damit wesentlich häufiger im Vergleich zu den üblichen 152 Stunden. Es gab keinen Tag ohne Sonnenschein!

„Wir beobachten ein Extrem nach dem anderen“, stellt Kurt Koch fest. Anfang Oktober ermittelte er mit 16 Grad Celsius die bisher wärmste Oktobernacht in Hadersleben.

„Eine Reihe extremer Wettererscheinungen der vergangenen paar Jahre lässt darauf schließen, dass wir es mit Klimaveränderungen zu tun haben. Das ist besorgniserregend. Zumal wir uns als Gesellschaft darauf nicht zeitig genug eingestellt haben. Das macht uns verwundbar."

Die Baumaßnahmen am Jungfernstieg sollen Hadersleben vor den Folgen des Klimawandels schützen. Foto: Ute Levisen

Klimasicherung als Herausforderung

In der Domstadt sind umfangreiche Bauprojekte in Gang, die Hadersleben klimasicher machen sollen. Der Straßenzug Jungfernstieg gilt seit Jahrzehnten als Problemzone, in der bei Wolkenbrüchen oder Starkregen Land unter herrscht.

An diesem breit angelegten Straßenzug, der die Mittelalterstadt mit dem Hafenviertel verbindet, laufen zurzeit die Baumaßnahmen im Rahmen des größten Klima- und Gestaltungsprojektes der Stadtgeschichte.

Der erste Abschnitt des Jungfernstiegs ist fertig. Doch die Baumaßnahmen, etwa die Abflussrinnen entlang des Bürgersteigs, werden erst ihre Wirkung entfalten, wenn der „Rest“ der Trasse fertig ist, stellt Anwohner Lars Hansen fest. Er beobachtet immer wieder, dass das Oberflächenwasser bislang nicht, wie gedacht, abfließen kann. Foto: Ute Levisen

Er sei zwar kein Bauexperte, räumt Koch ein, doch er mag nicht ausschließen, dass die Berechnungen zur Klimasicherung, etwa bei unterirdischen Rohranlagen, angesichts eines sich rasant verändernden Wettergeschehens revidiert werden müssen.

„Ab einer bestimmten Temperatur steigen auch die Wassermassen, die auf uns niederprasseln“, stellt Koch fest. Global deute alles darauf hin, dass Europas Warmwasserheizung, der Golfstrom, seine wohltuende Funktion schneller als erwartet einbüße.

Der Sommer geht in diesem Jahr bis in den Herbst. Foto: Viggo Hjort Kohberg

Obwohl angesichts zunehmender Wetterextreme Anlass zur Sorge bestehe, sollte man bei alldem vor allem in diesen Zeiten auch die lichte Seite nicht außer Acht lassen, meint der Haderslebener Wetterexperte: „Es ist länger warm – und damit sparen wir jede Menge Heizkosten.“

 
 

So berechnet Kurt Koch das Wetter in Hadersleben

Kurt Koch ist ein Hobby-Meteorologe aus Hadersleben, der seit 1969 das Wetter in der Domstadt misst. Im Unterschied zum dänischen Wetterdienst DMI, der die Durchschnittswerte auf der Grundlage von 30 Jahren errechnet, hat Kurt Koch in seinem ersten Messzeitraum die Daten für die Periode von 1969 bis 1999 erhoben und somit das DMI-Prinzip befolgt. Seine jüngsten Wetterstatistiken beziehen sich hingegen auf den Zeitraum von 1990 bis 2023 und basieren auf den daraus errechneten Durchschnittswerten.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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