Nachruf

Musikalische, reiselustige Architektin war eine Kämpfernatur

Musikalische, reiselustige Architektin war eine Kämpfernatur

Musikalische, reiselustige Architektin war eine Kämpfernatur

Hadersleben/Haderslev
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Im Alter von 89 Jahren ist Gisela Jürgensen nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt in Sonderburg verstorben. Foto: Privat

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Sie war eine Frau mit vielen Talenten: Nach einem langen und erfüllten Leben ist Gisela Jürgensen am Donnerstag, 11. März, im Beisein ihrer Familie friedlich entschlafen.

Gisela Jürgensen wurde am 12. Januar 1932 in Breslau als Gisela Rüsing geboren. Über Umwege floh die Familie später aus Niederschlesien nach Hannover, wo Gisela die Schule beendete und ein Studium der Architektur absolvierte. Im Studium lernte sie ihren späteren Mann Peter Jürgensen kennen und lieben, und nach ihrem Abschluss zog es die beiden im Jahr 1957 in seine nordschleswigsche Heimat nach Hadersleben.

Viele Eisen im Feuer

Anfangs habe sie sich in Hadersleben noch als Fremde gefühlt, doch die offene und wenig auf Hierarchien bedachte Art der Nordschleswiger habe es ihr leicht gemacht, sich in ihrer neuen Heimat einzuleben.

Als Selbstständige jonglierte Gisela Jürgensen in den Folgejahren neben dem Architekturbüro auch die wachsende Kinderschar und baute 1968 gemeinsam mit ihrem Mann das Haus auf dem Rugager, wo ihre Kinder eine unbeschwerte Kindheit genießen konnten und Gisela Jürgensen selbst bis zu ihrem Tod lebte.

Architektin mit Leib und Seele

Neben der Familie stand für Gisela Jürgensen die Architektur an oberster Stelle. Jürgensen war Architektin mit Leib und Seele und definierte sich auch lange nach ihrer Pensionierung noch als solche. Für sie war die Architektur nicht nur Beruf, sondern Teil ihrer Identität.

Zusammen mit ihrem Mann hat sie wichtige Bauwerke der Minderheit mitgestaltet und ihnen ihre architektonische Handschrift verliehen, darunter auch das Haus Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa), das Gebäude auf dem Knivsberg, die deutsche Schule Hadersleben sowie der Bürgerverein in Hadersleben.

Musikalische Leidenschaft

Neben ihren offiziellen Tätigkeiten für die Minderheit – Gisela Jürgensen war unter anderem abgeordnetes Mitglied der Schleswigschen Partei in der Oberschätzkommission (dänisch: Overtaksationskommission) – war Gisela Jürgensen auch privat sehr engagiert in der deutschen Minderheit. Sie war jahrelanges Mitglied im Chor der Musikvereinigung Nordschleswig, für deren Proben sie auch im stolzen Alter von 88 Jahren noch mit ihrem Elektroroller nach Süderwilstrup fuhr, bis die Corona-Pandemie dem gemeinsamen Singen einen Riegel vorschob.

Überhaupt spielten Musik und Kreativität eine wichtige Rolle im Leben von Gisela Jürgensen. Bereits als Kind bekam sie Geigenunterricht und bestand auch darauf, dass ihre Kinder ein Instrument erlernten. Nach ihrer Pensionierung nahm Jürgensen das Geigenspiel wieder auf und spielte noch etliche Jahre im Sønderjyllands Amatør Symfoniorkester mit.

Reiselust auch im hohen Alter

Neben der Musik gehörte auch das Reisen in ferne Länder zu ihren großen Leidenschaften. Als Kind hatte Gisela Jürgensen an einem Austauschprogramm nach England teilgenommen und gelernt, anderen Kulturen mit Offenheit zu begegnen – ein Credo, das sie auf ihrer Lebensreise nicht nur selbst beherzigte, sondern auch an ihre Kinder weitergab.

Auch im hohen Alter packte Gisela Jürgensen, die immer auf Achse war und einen großen Freiheits-Drang verspürte, noch die Reiselust, und so scheute sie auch mit 85 nicht vor einer Reise ins afrikanische Uganda zurück.

Kämpfernatur mit hohem Anspruch an sich selbst

Als Kämpfernatur, die sich auch von Schicksalsschlägen wie dem viel zu frühen Tod ihres Sohnes Andreas im Jahr 2003 und dem Tod ihres Mannes Peter im Jahr 2015 nicht unterkriegen ließ, stellte Gisela Jürgensen immer hohe Anforderungen an sich selbst und war besonders stolz auf ihre Unabhängigkeit, die sie sich bis zu ihrem Tod bewahrte.

Trauerfeier in kleinem Kreis

Gisela Jürgensen hinterlässt ihre drei Kinder Carsten, Nanna und Inger, die Schwiegerkinder Elisabeth, Anders, Michael und Claudia sowie elf Enkelkinder. Coronabedingt findet die Trauerfeier am Sonnabend, 20. März, in kleinem Kreis von der Kirche zu Alt Hadersleben aus statt.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Orbáns Schatten reicht bis zu uns ins Grenzland“