Geschichte

Erinnerungen an die Epoche nach 1945 in Nordschleswig

Erinnerungen an die Epoche nach 1945 in Nordschleswig

Erinnerungen an die Epoche nach 1945 in Nordschleswig

Paul Sehstedt
Kollund
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Ein dicht besetzter Vortragssaal im Haus Quickborn: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe 100 Jahre deutsche Minderheit erinnerten Frank Lubowitz (vorn l.) und Peter Stehr an die Zeit von 1945 bis zur Gegenwart. Foto: Paul Sehstedt

Bei einer Veranstaltung des Sozialdienstes Nordschleswigs zeichnete Frank Lubowitz ein Bild der deutschen Volksgruppe in der Nachkriegszeit. Peter Stehr und Claus Pörksen lieferten Kindheits- und Jugenderinnerungen.

Neuanfang und Wiederaufbau der deutschen Minderheit nach 1945 waren das Thema des fünften Nachmittags im Haus Quickborn, zu dem der Sozialdienst Nordschleswig im Rahmen der Veranstaltungsreihe 100 Jahre deutsche Minderheit am Donnerstag eingeladen hatte. Vor einem dicht besetzten Saal referierte der Leiter des Archivs/Forschungsstelle der Volksgruppe, Frank Lubowitz, über die Epoche von 1945 und bis zur Gegenwart.

Publikum überwiegend Zeitzeugen

Dies war sein dritter Vortrag in der Vortragsreihe, und mit seinem detaillierten Wissen vermittelte er dem Publikum, das größtenteils aus Personen bestand, die als Kinder und Jugendliche diese Zeitspanne miterlebt hatten, ein Bild u. a. von den Volksgruppenpersönlichkeiten, die gewillt waren, nach 1945 den Neuanfang mitzugestalten und mitverantworten.

Kein Interesse an Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

Die Umstände, die zur Gründung des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) führten, beschrieb der Referent ausführlich und auch, dass sich die Gründungsväter nicht mit der politischen Vergangenheit auseinandersetzen wollten, weil zur Reorganisierung alle Minderheitenmitglieder aufgerufen wurden. Das Thema der nationalsozialistischen Verstrickungen wurde innerhalb der Minderheit ungern angesprochen.

Ab 1955 Veränderungen

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955, so Lubowitz, erleichterten mit ihrem Geist und Wortlaut ein Bekenntnis zur Minderheit. Ein Generationswechsel wurde 1975 vollzogen, als Gerhard Schmidt, Jahrgang 1932, Harro Marquardtsen als BDN-Hauptvorsitzender ablöste. Damit verließen jene, die noch vor dem Ersten Weltkrieg geboren waren, allmählich die Bühne. 

Generationswechsel „spürbar“

Auf dänischer Seite fand dieser Generationswechsel zur Nachkriegsgeneration ebenfalls statt, sodass nunmehr neue Personen über neue Aufgaben – gemeinsame Aufgaben – miteinander ins Gespräch kommen konnten: Vom Nebeneinander zum Miteinander – und auf dem Weg zum Füreinander, so hat Gerhard Schmidt die Entwicklung des Grenzlandes mit Blick auf seine langjährige Arbeit als Hauptvorsitzender des BDN charakterisiert“, schloss Frank Lubowitz seinen dritten Vortrag, für den ihm das Publikum viel Beifall zollte.

 

Erinnerungsbilder aus Hoyer hatte Claus Pørksen zusammengetragen und unterhielt das Publikum mit seinen Geschichten. Foto: Paul Sehstedt

Erinnerungen aus Nachkriegszeit in Hoyer

Zweiter Referent des Nachmittags war Steuerberater Claus Pørksen aus Gravenstein, der über die von ihm erforschten und zusammengetragenen Geschehnisse aus dem Flecken Hoyer erzählte. Als Nachkriegskind geboren 1955, hatte er die Aufbruchszeit natürlich nicht selbst miterlebt, dennoch war sein Vortrag eine spannende Zusammenfassung dieser Periode.

Peter Stehr erlebte unmittelbare Nachkriegszeit

Der Dritte im Referententrio war Peter Stehr, Sohn des ersten BDN-Generalsekretärs Rudolf Stehr. Mit einem Taufschein aus dem Jahr 1938 hat er ein Alter, das ihm Kindheits- und Jugenderinnerungen aus der Besatzungszeit bis über den Neuanfang hinweg beschert hat. Er konnte von einer unkomplizierten Schulzeit an der Staatsschule in Apenrade berichten – die deutschen Privatschulen waren 1945 vom dänischen Staat geschlossen und die Gebäude beschlagnahmt worden – obwohl er einer deutschen Familie entstammte. 

Mutter musste Familie durchbringen

Stehr konnte nicht erzählen, wie seine Mutter die Familie ernähren konnte, während Rudolf Stehr viereinhalb Jahre lang eine Haftstrafe verbüßte. „Für mich war das eine friedliche und unbeschwerte Zeit“, sagte Stehr, der humorvoll seine Geschichte vortrug. 

Lebhafte Diskussion

In der Diskussionsrunde meldeten sich Teilnehmer zu Wort, die von ihren eigenen Erlebnissen nach 1945 berichteten. Eine Familie war aufgrund ihrer deutschen Staatsbürgerschaft aus ihrer Mietwohnung gesetzt worden und kam bei Verwandten unter. Andere erinnerten sich an dänischen Jungen, die ihnen auflauerten, um sie zu drangsalieren.

Einige besuchten aus politischen Gründen eine dänische Schule, wurden aber nicht wegen ihrer Minderheitenzugehörigkeit gehänselt. Wie aber die Familien über die finanziellen Hürden hinwegkamen, stand nur in vager Erinnerung.

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