Leitartikel

„Feiern im Stillen“

Feiern im Stillen

Feiern im Stillen

Nordschleswig/Sønderjylland
Zuletzt aktualisiert um:

Es hätte 2020 so viele Gründe zum Feiern gegeben – auch für die deutsche Minderheit in Nordschleswig. Nun sind auch die letzten Feierlichkeiten dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Ärgerlich, meint Chefredakteur Gwyn Nissen, aber Feiern wir stattdessen im Stillen.

Jetzt steht fest: Auch die deutsche Minderheit wird 2020 keine Jubiläen feiern. Nachdem das Coronavirus den Feierlichkeiten zum Genforeningen, der Wiedereingliederung Nordschleswigs in Dänemark, Anfang des Jahres einen Strich durch die Rechnung machte, fallen nun auch sämtliche Feiern der Minderheit dem Virus zum Opfer: Nach den ausgefallenen Feiern zum 100-jährigen Jubiläum des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig und der gleichaltrigen Schleswigschen Partei, sowie das abgesagte Knivsbergfest zum 100-jährigen Bestehen der Minderheit, fällt nun auch der Deutsche Tag zum 75-jährigen Bestehen des Bundes Deutscher Nordschleswiger komplett aus.

Dabei hatte die deutsche Minderheit lange Zeit noch gehofft, dass die Veranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte vielleicht von Corona unberührt bleiben würden, doch nachdem das Knivsbergfest im Sommer abgesagt worden war, folgten weitere Absagen von Jubiläen des DSSV und der Schleswigschen Partei, und nun ist eben auch der Deutsche Tag auf der langen 2020-Streichliste. 

Ohnehin hatte die Minderheit den Deutschen Tag auf ein Minimum reduziert: 50 Gäste sollten es sein im Haus Nordschleswig, mit traditionellen Grußworten von Politikern aus nah und fern und einer Festrede von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Aber auch daraus wird nichts. Wie so vieles 2020. 

Das Coronavirus wirft sogar seine Schatten auf 2021, denn auch die traditionelle Neujahrstagung der deutschen Minderheit ist jetzt schon abgesagt worden. Auch diese war schon in reduzierter Form von der Akademie Sankelmark auf den Knivsberg verlegt worden, doch vor Corona schützt auch keine Grenze.

Dabei gab es doch 2020 so viele Gründe zum Feiern. Nun müssen wir uns im Stillen über Erreichtes freuen: Über die 100-jährige SP, die nicht nur Politik für die Minderheit macht, sondern zu einer regionalen Partei gereift ist, die sich für Minderheit und Mehrheit einsetzt. Über einen 100-jährigen DSSV, der pädagogisch und strategisch neue Akzente setzt, die in Schulen und Kindergärten umgesetzt werden – mit Rekordzahlen in der neueren Geschichte des DSSV zufolge. Über einen Bund Deutscher Nordschleswiger, der 75 wird und sich traut, neue Wege zu gehen, um so für neue Dynamik zu sorgen. Und dann wollten wir eben auch 100 Jahre deutsche Minderheit, so wie wir sie heute kennen, gemeinsam feiern.

Es hätte eins der größten Knivsbergfeste aller Zeiten werden können und ein Deutscher Tag mit vollen Rängen in der Sporthalle. Doch wir müssen uns gedulden, denn die Feierlichkeiten sind nicht abgesagt – sie sind erst einmal verschoben.

2021 soll so einiges nachgeholt werden, weil diese Meilensteine in unserer Geschichte so wichtig sind. Nicht, um uns zurückzusehen, sondern weil es ein Anlass ist, die gute Arbeit über Jahrzehnte zu würdigen und den Blick nach vorne zu werfen und neue Ziele zu setzen. Für die nächsten 100 Jahre? Warum nicht? Viele glaubten bereits 1920 nicht daran, dass die deutsche Minderheit überleben würde. Es gibt uns noch. Das allein, ist ein Grund zum Feiern – erst einmal im Stillen.

 

Mehr lesen

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“