Leitartikel

„Kommunalwahl: Provozieren, allen gefallen – oder beides?“

Kommunalwahl: Provozieren, allen gefallen – oder beides?

Kommunalwahl: Provozieren, allen gefallen – oder beides?

Apenrade/Aabenraa
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Minderheitenpolitik ist immer ein Balanceakt. Im Wahlkampf werden da ganz unterschiedliche Wege gewählt, um auch Stimmen aus der Mehrheit zu holen. Welchen Weg auch immer man geht: Wichtig ist, dass sich alle klarmachen, was passiert, wenn sie nicht wählen gehen, meint Cornelius von Tiedemann.

Noch ein Monat, dann wird in den Kommunen und in der Region wieder gewählt. Für die deutsche Minderheit ist es immer besonders spannend: Wie stark wird sie durch die Schleswigsche Partei (SP) in den Stadträten vertreten sein? Wird sie auch in den kommenden Jahren Politik mitgestalten können – oder muss sie zusehen und hoffen, dass andere an sie denken?

Analysen zu den Ausgangslagen haben wir im „Nordschleswiger“ in den vergangenen Wochen bereits gebracht. Beruhigen konnten sie kaum, denn die Ungewissheit ist bei Wahlen immer groß. Vor allem in kleineren Gebieten können Stimmungen schnell schwanken – und dort kann es entscheidend sein, wer überhaupt wählen geht und wer nicht.

Von den möglichen Bürgermeisterposten in Tondern und Sonderburg bis zur Wahlschlappe ist also alles drin.

Vielleicht agiert die SP mit ihrem Spitzenkandidaten Stephan Kleinschmidt in Sonderburg deshalb so vorsichtig. Er setzt statt auf markige (oder witzige) Sprüche darauf, sich in Anzeigen fast schon staatsmännisch zu präsentieren. So soll er möglichst allen gefallen – um sich im Kampf Blau gegen Rot letztlich als makelloser Kandidat der Mitte eine gute Ausgangslage im Gerangel um den Bürgermeisterposten zu sichern.

Wer seine Wochenblatt-Anzeigen, komplett auf Dänisch und ohne jeden Hinweis auf Minderheit, deutsche Herkunft oder Grenzland-Herausforderungen, sieht und allgemein zur Garstigkeit neigt, der könnte sich dazu provoziert fühlen, von Selbstverleugnung um des Gefallens willen zu sprechen.

Ganz anders offensiv zog da doch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) in den Bundestagswahlkampf, mit Wikingern und dem Versprechen einer wie auch immer gearteten skandinavischen Politik.

Doch eine Horde Germanen und der Slogan, dass Dänemark am deutschen Wesen genesen solle auf den SP-Plakaten? Das würde umgekehrt sicherlich für Aufmerksamkeit, aber kaum für Stimmen sorgen – selbst bei der ansonsten als politisch tolerant geltenden deutschen Minderheit.

Vielleicht geht Kleinschmidt also den klügeren Weg, wenn er mit seiner Minderheiten-Identität nicht hausieren geht, weil alle anderen ohnehin schon genug darauf hinweisen?

Wir werden sehen. Was wir in Nordschleswig derzeit leider nicht sehen können, ist eine Initiative der Medien- und Journalistenhochschule DMJX. Dort sollten die Studierenden Wege finden, junge Menschen zum Wählen zu animieren und ihnen das Gefühl zu nehmen, dass es ja ohnehin nur die Alten sind, die bestimmen.

Eine besonders interessante Idee der Studierenden: Sie gründeten eine fiktive Partei und plakatierten mit Sprüchen wie „Räumt den Volkspark und macht Platz für ein neues Einkaufszentrum“ oder „Für ein Skate-freies Nørrebro“ und „Doppelte Strafen auf Nørrebro“.

Die Message: Wenn du deine Stimme nicht nutzt, haben die, die gegen deine Interessen handeln, schon gewonnen. Das provoziert und regt zum Nachdenken an – auch darüber, weshalb es vielleicht doch eine gute Idee wäre, zur Kommunalwahl zu gehen.

Was auf Nørrebro gilt, ist auch in Nordschleswig wichtig. Gerade, wer jung ist und der deutschen Minderheit angehört oder von ihren Netzwerken und Einrichtungen, den Schulen, Büchereien, dem Sozialdienst und so weiter und so fort profitiert, darf sich gerne mal dem provozierenden Gedanken hingeben, was Stadträte ohne Minderheit für sie bedeuten würden.

 

 

 

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