Grenzland

„Wir hängen alle am selben Strang und sollten auch gemeinsam ziehen“

„Ein guter Ausgangspunkt, um noch besser zu werden“

„Ein guter Ausgangspunkt, um noch besser zu werden“

Florian Schaaf
Florian Schaaf
Apenrade/Aabenraa
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In einem Zelt vor der Alten Schule Niehuus findet die Jubiläumsveranstaltung statt. Foto: Luisa Wenkel

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Bei der Podiumsdiskussion zum grenzüberschreitenden Miteinander des ADS-Grenzfriedensbundes kamen diverse Stimmen zu Wort. Es gab viel Lob, aber auch Forderungen. Das Potenzial zumindest schien groß.

Unter dem Motto „100+2 Jahre Grenzziehung/Wiedervereinigung und 70+2 Jahre ADS-Grenzfriedensbund e. V.“ feierte der ADS-Grenzfriedensbund (Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig) am Mittwoch in der Alten Schule Niehuus in Form einer Mitgliederversammlung.

Neben Vorstellung des neuen Markendesigns des Vereins sowie den obligatorischen Grußworten und weiteren Programmpunkten fand vor der eigentlichen Mitgliederversammlung auch eine Podiumsdiskussion mit „Statements zum grenzüberschreitenden Miteinander“ statt. Die Diskutierenden wurden immer in Zweiergruppen auf die Bühne gebeten, wobei das Dargebotene eher eine kurze Stellungnahme zu gestellten Fragen darstellte als eine wirkliche Diskussion – Statements eben.

ADS-Grenzfriedensbund

Der ADS-Grenzfriedensbund e. V., Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig ist ein gemeinnütziger Verein im nördlichen Schleswig-Holstein in Deutschland, der seit 1950 soziale, kulturelle und pädagogische Angebote in der Region organisiert. Darunter fallen unter anderem 36 Kindertagesstätten, fünf Schullandheime, drei Jugendtreffs und das Haus der Familie. Darüber hinaus engagiert er sich mit der Herausgabe seiner Grenzfriedenshefte für den deutsch-dänischen Dialog und das Geschichtsbewusstsein der Region.

 

Progressive Zusammenarbeit und fehlende politische Power

Zunächst standen sich Generalkonsul Kim Andersen aus Flensburg und Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), der Dachorganisation der deutschen Minderheit, gegenüber.

Kim Andersen betonte, wie gut es sei, wieder über Landesgrenzen hinweg miteinander sprechen zu können und drückte seine Trauer darüber aus, dies mit Blick auf die russische Invasion in der Ukraine sagen zu müssen.

„Wir haben es geschafft, ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen den Behörden in Deutschland und Dänemark aufzubauen, das ist nicht immer so gewesen“, erzählte er und lobte die deutsch-dänische Zusammenarbeit als sehr „progressiv“.

„Dies ist ein guter Ausgangspunkt, um noch besser zu werden.“

Darüber hinaus freute Kim Andersen sich über den Kontakt der Minderheiten im Grenzgebiet und dass sie sich gegenseitig aushelfen.

Besonders wichtig sei hier, auch einen informellen Zugang zueinander zu haben. Zuletzt erwähnte er noch die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Ländern und hob die Kooperation zwischen der deutschen Industrie- und Handelskammer und der „Dansk Industri“ sowie die deutsch-dänischen Berufsausbildungen hervor.

Hinrich Jürgensen (l.) und Kim Andersen mit Moderator Dr. Fabian Geyer Foto: Luisa Wenkel

„Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagte Hinrich Jürgensen vom BDN zu Beginn seiner Stellungnahme.

„Wir waren immer hier, die Grenze ist nur umgezogen.“

Auch er empfindet die politische Zusammenarbeit der Länder als „so gut wie nie“, unterstrich aber auch die Herausforderungen und Barrieren. Diese bestünden nach wie vor und ließen sich besonders praktisch im Alltag erkennen, etwa im sozialen oder im Steuerbereich.

„Uns fehlt die politische Power“, beklagte er und forderte die Gründung einer „Grenzbarrierenkommission“ mit politischen Vertreterinnen und Vertretern Deutschlands, Dänemarks und der Grenzregionen, um die Barrieren zügig aus dem Weg zu räumen.

Kim Andersen vom dänischen Generalkonsulat räumte ein, dass Institutionen oft träge seien, entgegnete allerdings, dass der Wille ja da sei. Man müsse die Probleme auch nicht größer machen als sie sind.

Behördliche Zusammenarbeit, gemeinsame Aktivitäten und die Bedeutung des ADS

Als Zweites wurden Heinz Petersen, der Bürgervorsteher und Martin Ellermann, der Bürgermeister der Gemeinde Harrislee, auf die Bühne gebeten.

Bürgervorsteher Heinz Petersen wünschte sich vor allem eine engere Zusammenarbeit mit der Kommune Apenrade. Die Zusammenarbeit sei zwar nicht schlecht, mit Flensburg sei sie aktuell jedoch deutlich enger. Ein Aufweichen der kulturellen Grenze sei allerdings durch Aktivitäten wie einen gemeinsamen Kirchengang mit anschließendem Kaffee schon gut gelungen. „Die kleinen Dinge sind da wichtiger als die großen“, sagte er.

Martin Ellermann und Heinz Petersen mit Moderator Dr. Fabian Geyer Foto: Luisa Wenkel

Bürgermeister Martin Ellermann lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Harrislee und Apenrade. Dankbarkeit zeigte er auch gegenüber dem dänischen Generalkonsulat in Flensburg.

„Wir haben hier einen starken Partner“, betonte er auch mit Blick auf die Koordination der Geflüchteten aus der Ukraine.

Mit Blick auf den ADS hob er noch einmal hervor, wie wichtig die Organisation für die Region sei. 38 Prozent der Kinder unter drei Jahren gingen in Kindergärten des ADS, bei den über Dreijährigen sogar 48 Prozent.

Schülerbotschafterinnen und -botschafter für den Weltfrieden

Das dritte Paar waren Katharina Hinrichsen Kley, Schülerbotschafterin und Vorsitzende der Jungen Spitzen, sowie Frauke Tengler, Vorsitzende des ADS.

Katharina Kley berichtete vom Schülerbotschafterprojekt, das vom ADS und der dänischen „Grænseforening“ koordiniert werde, und an dem inzwischen auch die deutsche Minderheit in Nordschleswig beteiligt ist.

Innerhalb des Projekts würden Schülerinnen und Schüler der 1G-Klassen an Gymnasien zu sogenannten Schülerbotschafterinnen und -botschaftern ausgebildet. In den Ausbildungsseminaren lernen sie unter anderem über ihre eigene Identität in der Minderheit und die Kommunikation dieser.

Frauke Tengler und Katharina Kley (r.) mit Moderator Dr. Fabian Geyer Foto: Luisa Wenkel

Nach ihrer Ausbildung besuchten die Schülerbotschafterinnen und -botschafter aus Nordschleswig dann Mehrheitsschulen in Schleswig-Holstein und ganz Dänemark, um über das Leben in der Minderheit zu berichten.

„Mir hat es persönlich sehr viel gebracht, mich mit meiner eigenen Identität auseinanderzusetzen und zu lernen, was es bedeutet, in einer Minderheit zu leben“, erzählt Kley. „Was ist gleich, was ist anders als in der Mehrheit?“, „Welche Vorurteile gibt es?“ und „Wie kann man sie abbauen?“ seien Fragen, die im Projekt behandelt werden.

Frauke Tengler vom ADS zeigte sich sehr angetan von dem Projekt, es sei ihr eine Herzensangelegenheit. Sie wählte starke Worte, als sie erzählte, dass sie 2019 mit Schülerbotschafterinnen und -botschaftern in Berlin gewesen sei und dort gelernt habe, dass die Schülerbotschaft „die einzige Möglichkeit“ sei, Grenzregionen zu befrieden.

„Es geht um die jungen Leute“, sagt sie. „Die wollen feiern, es gut haben und in Frieden leben.“ Das Schülerbotschaftsprojekt schaffe die Möglichkeit, Brücken zu bauen. „Ich brenne für das Projekt“, meinte sie abschließend.

Sport und Finanzen zwischen Deutschland und Dänemark

Zuletzt waren der frühere Handballer Holger Glandorf, Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt, und Frank Baasch aus dem Vorstand der Union-Bank an der Reihe.

„Wir leben unsere Leidenschaft grenzenlos“, sagte Holger Glandorf über seinen Handball-Verein. „Wir haben zahllose Spieler aus Skandinavien und Dänemark.“

Und dies gelte nicht nur für die Spielerinnen und Spieler. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer aus Dänemark kämen regelmäßig zu den Spielen, und es gebe auch Kooperationen mit mehreren dänischen Partnerinnen und Partnern.

„Wir leben zusammen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Das kann auch Vorbild für andere Projekte sein“, sagte er.

Holger Glandorf und Frank Baasch mit Moderator Dr. Fabian Geyer Foto: Luisa Wenkel

 

Die Union-Bank sei die einzige existierende deutsch-dänische Bank, erzählte Frank Baasch im Anschluss. Grenzgeschäfte gehörten schon immer zum Kerngeschäftsmodell der Bank. „Wir sind Experten für die Systeme beider Länder.“

Aktuell kämen häufig Anfragen von Deutschen, die gerne nach Dänemark auswandern würden. Während den deutschen Banken das Wissen über den dänischen Immobilienmarkt fehle und die deutsche Meldeadresse bei den dänischen Banken zum Problem werde, könne die Union-Bank mit beidem helfen.

Weitere Anfragen kämen häufig von dänischen Unternehmen, die mit der deutschen Bürokratie überfordert seien und zum Beispiel nicht verständen, warum es etwa vier bis fünf Identifikationsnummern brauche, während in Dänemark alles mit einer funktioniere.

Abschließende Worte und gemeinsames Abendessen

Zum Abschluss lobte Claus Christian Claussen, Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein, die vorbildliche Zusammenarbeit in der Region und hob auch das Verdienst des ADS hervor. Das sei wichtig für die Zusammenarbeit in ganz Europa.

Moderator Dr. Fabian Geyer fügte zusammenfassend hinzu: „Die Schnittmengen sind größer als wir denken.“

Zwar gebe es unterschiedliche Sichtweisen und Interessen, aber eben auch viele Gemeinsamkeiten und engagierte Organisationen wie den ADS.

„Wir hängen alle am selben Strang und sollten auch gemeinsam ziehen“, schloss er. Wichtig sei es, ins Handeln zu kommen.

Mit einem Verzug von etwas mehr als einer halben Stunde kam die Veranstaltung zu ihrem Ende. Bevor die Mitglieder in die eigentliche Mitgliederversammlung starteten, gab es noch ein kleines Abendessen – ganz „traditionell“ deutsch-dänisch mit Hot Dog und Currywurst.

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