Kulturszene

Wie ein Theater am Wald berühmte Schauspielerinnen und Schauspieler hervorbringt

Wie ein Theater am Wald berühmte Schauspielerinnen und Schauspieler hervorbringt

Wie ein Theater am Wald für große Bühnen ausbildet

Gravenstein/Gråsten
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Ole Gaul Nilum war 23 Jahre Vorsitzender des Theatervereins. Foto: Karin Riggelsen

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In einer alten Schule am Waldesrand macht ein Verein seit 1986 Theater. Die Vorstellungen sind gut besucht und das Niveau hoch. Wie betreibt man ein Theater auf dem Land? Der Vorsitzende erzählt.

Sonderburgs Bürgermeister Erik Lauritzen ist Stammgast und Jung-Schauspieler Mikkel Klinge Vandkær Thomsen hat das Theater am Waldesrand als Sprungbrett genutzt und konnte neulich in New York eine Dankesrede halten. „Det Lille Teater“ am Roden Skov bei Gravenstein ist ein faszinierendes Projekt.

Rund 2.500 Gäste im Jahr

Mitten auf dem Land nahe Gravenstein wird hochklassiges Theater gespielt, rund 2.500 Gäste sehen sich pro Jahr eine Vorstellung an – vor Corona. Das Theater hat international erfolgreiche Schauspieler hervorgebracht, beispielsweise Mikkel Klinge Vandkær Thomsen, der vor Kurzem bei den Oniros Film Awards in den USA den ersten Platz in der Kategorie „Best Young Actor“ holte.

Mikkel Klinge Vandkær Thomsen hat bei den Oniros Film Awards in den USA den ersten Platz in der Kategorie „Best Young Actor“ geholt. Hier ist er zurück mit der Statue im Kleinen Theater, wo alles begann. Foto: Privat

Von Gravenstein nach New York. „Das Kleine Theater ist der Ort, an dem ich als Schauspieler geboren wurde“, verrät der 18-Jährige dem „Nordschleswiger“. „Ich kann mich noch genau an das erste Stück erinnern, bei dem ich mitgemacht habe, nachdem ich meinen Vater ununterbrochen in den Ohren gelegen hatte, raus zum Theater zu fahren, um eine Rolle zu erhalten.“

Die Beständigkeit zahlte sich aus: Der zuständige Regisseur schrieb für den kleinen Mikkel eine eigene Rolle.  „Vielleicht die wichtigste Rolle meines Lebens“, so der Jungschauspieler rückblickend.

Schon als Kind zu Besuch im Theater

Schon seine Oma nahm den jungen Mikkel mit ins Theater am Ladegårdskov, um sich ein Theaterstück anzuschauen. „Ich denke, dass gerade bei diesen Stücken ein Funke in mir entzündet wurde. Das Kleine Theater ist der Ort, an dem ich meine Leidenschaft entdeckt und meinen Ehrgeiz entwickelt habe. Jedes Mal, wenn ich dorthin komme, fühlt es sich an, wie nach Hause zu kommen.“

Aktuelle Proben für das Stück „Marie“, das am 11. März Premiere hat. Foto: Karin Riggelsen

Ole Gaul Nilum ist der Vorsitzende des Vereins. Er kommt ursprünglich von Fünen, 1990 zog er nach Nordschleswig. Nachdem seine Frau als Schauspielerin und Vorstandsmitglied im Verein mitgemacht hatte, schloss sich auch Ole Gaul Nilum dem Projekt an und begann 1995, im Vorstand mitzuarbeiten. „Bis dahin hatte ich nichts mit Theaterwesen zu tun“, erinnert sich der 72-Jährige.

Seit 2000 ist er Vorsitzender von „Det Lille Teater“. Er pflegt die Internetseite, übernimmt administrative und organisatorische Arbeiten, verkauft das Theater nach außen hin und legt das Jahresprogramm zurecht. „Es sind täglich rund zwei Stunden, die ich in das Theater investiere“, sagt der Vorsitzende, „mal mehr, mal weniger.“

Zu Hause ist das Theater seit 1986 in einer alten Schule aus dem Jahr 1890, deren Betrieb Ende der 1950er geschlossen wurde. Der Verein „Det Lille Teater Hus“ besitzt die Gebäude, das Theater mietet sich ein. Zuvor war das Theater seit 1972 in Gravenstein beheimatet.

Bis in die 1950er hinein war das Gebäude in Ladegårdskov eine Schule. Foto: Karin Riggelsen

Die Gebäude sind in den vergangenen Jahren komplett renoviert worden – weitestgehend von den Mitgliedern selbst. Sie haben Wände versetzt und Toiletten eingebaut, der Dachboden wurde zum Garderoben-Archiv. Es gibt ein kleines Café und zwei Theatersäle, rund 2.500 Zuschauerinnen und Zuschauer besuchen pro Jahr die Vorstellungen im Theater.

Smørrebrød und Schauspiel

Für 2022 sind sechs eigene Vorstellungen geplant, derzeit probt das Ensemble für das Stück „Marie“, das am 11. März Premiere hat und in fünf Vorstellungen gezeigt wird. Bei vielen Stücken besteht das Angebot, eine Stunde früher zu kommen und drei Smørrebrød und Getränke im Saal einzunehmen. Eine Eintrittskarte kostet 90 Kronen, „wir wollen, dass sich jeder einen Theaterabend leisten kann“, so der Vorsitzende.

Ab und zu kauft das Theater Gaststücke ein, beispielsweise vom Theater Møllen aus Hadersleben (Haderslev). Die meisten Vorstellungen werden aber von eigenen Schauspielenden und Regieführenden gegeben, also von Mitgliedern des Vereins.

Der Vorsitzende im Dachboden, wo die Garderobe eingerichtet ist. Foto: Karin Riggelsen

Die Akteure und Akteurinnen kommen aus der gesamten Region nach Gravenstein, aus Flensburg, Rothenkrug (Rødekro), Vejle oder Sonderburg (Sønderborg). Das Niveau ist hoch, sagt Ole Gaul Nilum, „die Zuschauer kriegen hier hochklassige Theatervorstellungen. Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, das hohe Schauspiel-Niveau zu halten. Wir sind ja kein kleines Dorftheater, die Schauspielenden kommen zum Teil von weit weg, um hier mitzumachen.“

Der Grund dafür: „Wir haben hier sehr gute und professionelle Rahmenbedingungen. Lichtanlagen, Kostüme, Gebäude und neue Bühnen – das ist alles sehr hochwertig, nicht zuletzt der total renovierte Gebäudekomplex.“

„Die Kommune nimmt Kultur ernst“

Die Kommune Sonderburg unterstützt den Verein über einen Betriebszuschuss. „Die Kommune nimmt Kultur ernst, das können wir merken. Und fast alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Kommune waren und sind Mitglieder im Verein und regelmäßige Besucher“, sagt der Vorsitzende stolz. Bürgermeister Lauritzen sitze fast in jeder Vorstellung, so Ole Gaul Nilum.

Über Stiftungen und Spenden konnte der Verein Geld erhalten und in das Gebäude investieren.

Ingeborg Friis, Bjarne B. Christensen und Jørgen Clausen proben auf der Bühne für das aktuelle Stück. Foto: Karin Riggelsen

Ist es schwer, die nächsten Generationen für das Theater zu begeistern? „Wir versuchen, Kindern und Jugendlichen viel Raum zum Mitspielen zu geben, sodass sie von Kindesbeinen an Freude am Theater finden“, sagt der Vorsitzende.

„Wir wollen eine Jugendgruppe anbieten, aber das ist nicht ganz einfach. Kinder können bei der Sommer- oder Weihnachtsvorführung mitmachen und manchmal auch bei Erwachsenen-Stücken. Wir versuchen, sie mit auf die Bühne zu holen!“

„Wenn ich das Gebäude betrete, bin ich zu Hause“

So wie bei Mikkel Klinge Vandkær Thomsen. Auch die dänischen Schauspieler Lars Thiesgaard, Jette Sievertsen und Christoffer Brodersen haben ihre ersten Schritte im Kleinen Theater gemacht. „Det Lille Teater“ bleibt  seine schauspielerische Heimat, sagt Mikkel Klinge Vandkær Thomsen. „Wenn ich das Gebäude betrete, bin ich zu Hause. Zu Hause bei den Menschen, die von Anfang an dabei waren. Zu Hause im Theater.“

Mehr über „Det Lille Teater“ gibt es hier.

 

Mikkel Klinge Vandkær Thomsen ist am Theater bei Gravenstein groß geworden - auch als Schauspieler. Foto: Privat
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