Montagsclub
Hauke Grella über Mythen und Mehrheiten
Hauke Grella über Mythen und Mehrheiten
Hauke Grella über Mythen und Mehrheiten
Haben die Marinesoldaten in Sonderburg 1920 die Volksabstimmung maßgeblich mitbestimmt, und gibt es ein nationales historisches Recht auf Nordschleswig? Museumsleiter Hauke Grella gab im Mariaheim spannende Einblicke in die Geschichte der deutschen Minderheit.
Museumsleiter Hauke Grella besuchte den Montagsclub im Mariaheim und gab den rund 20 Anwesenden einen spannenden Einblick in die Geschichte der deutschen Minderheit in Nordschleswig.
Er zeigte anhand von alten Karten, wie knapp die Volksabstimmung in Flensburg pro Deutschland ausfiel und erläuterte, dass es für Dänemark durchaus schwer gewesen wäre, „die vielen Deutschen zu assimilieren“, wäre Flensburg per Abstimmung nach Dänemark gekommen.
„Es ist so wichtig zu verstehen, wie die Volksabstimmung damals abgelaufen ist, auch und vor allem, um die deutsche Minderheit und ihre Geschichte zu verstehen“, so Grella.
Er zeigte mit einer alten Zeichnung auf, dass das Ergebnis der Volksabstimmung schon im Spätsommer 1919 zu ahnen war: Der Bismarckkopf wird vom Knivsberg abtransportiert, Richtung Rendsburg.
Dass im Frühjahr 1919 knapp 75 Prozent der Menschen in Nordschleswig pro Dänemark und nur 25 Prozent pro Deutschland stimmten, sei keine Überraschung gewesen.
Hauke Grella zeigte auch auf, dass die 75 Prozent nur zusammengerechnet für ganz Nordschleswig standen – und in einzelnen deutschen „Hochburgen“ wie Hoyer oder Sonderburg keineswegs das direkte Abstimmungsergebnis konkret umgesetzt wurde, da in der nördlichen Abstimmungszone als Gesamteinheit abgestimmt wurde, während in der zweiten Abstimmungszone (südlich der heutigen Grenze zu Nordschleswig) Städte und Gemeinden einzeln abstimmen und den Grenzverlauf beeinflussen konnten.
Marinesoldaten hatten kein Stimmrecht
Und stimmt es eigentlich, dass die Mehrheit in Sonderburg deshalb zustande kam, weil die Marinesoldaten mit abstimmen durften? Hauke Grella räumte mit diesem Mythos auf. „Abstimmen durfte nur, wer in der Region geboren war oder wer seit 1900 vor Ort gelebt hatte. Die Kaserne wurde aber erst 1907/08 gebaut, daher hatten die Soldaten gar kein Stimmrecht“, erläuterte Grella.
Anhand von Sonderburg und Alsen kann man ganz deutlich erkennen, was das Herzogtum Schleswig war: Es war schon immer eine Region, in der sich zwei Kulturen und Sprachen trafen und treffen. Daher ist es auch schwer, eine nationale Zuordnung anhand einer historischen Legitimation vorzunehmen.
Hauke Grella, Museumsleiter
Er zeigte Plakate und Filme, mit denen sowohl die deutsche als auch die dänische Seite versuchte, Stimmen der Bevölkerung zu kriegen, berichtete von der „Tondernschen Zeitung“, die kurz vor der Abstimmung aufgekauft wurde und daraufhin vermehrt aus dänischer Sicht berichtete.
Und er hielt fest, dass die Stadt Sonderburg als Verwaltungssitz einen besonderen deutschen Status hatte – während das Umland durchaus dänischsprachig war.
„Anhand von Sonderburg und Alsen kann man ganz deutlich erkennen, was das Herzogtum Schleswig war: Es war schon immer eine Region, in der sich zwei Kulturen und Sprachen trafen und treffen. Daher ist es auch schwer, eine nationale Zuordnung anhand einer historischen Legitimation vorzunehmen. Das ist Geschichtspolitik, und damit sollte man vorsichtig sein.“
Der Museumsleiter zeigte alte zweisprachige Straßenschilder aus Nordschleswig und ging auf die strategische Überlegung der NSDAP Nordschleswig im Jahr 1939 ein, die Grenze vorerst zu belassen, wo sie war, da man so zum einen wenig Widerstand erzeugte und zum anderen vom Großgermanischen Reich träumte, in dem einzelne Landesgrenzen keine Bedeutung mehr gehabt hätten.
Er ging auch darauf ein, dass sich die deutsche Minderheit erst im November 1945 vom Traum der erneuten Grenzverschiebung verabschiedete und der Bund Deutscher Nordschleswiger die Grenze erstmals offiziell anerkannte.
Deutsche Minderheit musste umdenken
„Damals musste man sich neu orientieren. Man musste sich erstmals damit auseinandersetzen, dass man sich in die dänische Gesellschaft einbetten und sich in die Mehrheitsbevölkerung integrieren musste“, so Grella.
Aus gegebenem Anlass hatte er auch Skizzen des neuen deutschen Museums dabei, das am Mittwoch, 8. Januar, sein Richtfest in Sonderburg feiert. Anschließend stellte er sich den Fragen der Gäste, die im Saal des Mariaheims einen spannenden und interessanten Vortragsnachmittag auf Einladung des Sozialdienstes Sonderburg erleben konnten.