Die Woche am Alsensund

„Mein Kümmerlicher Küchengarten“

Mein Kümmerlicher Küchengarten

Mein Kümmerlicher Küchengarten

Sonderburg/Sønderborg
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Journalistin Sara Eskildsen hat über diese Woche am Alsensund nachgedacht. Foto: Karin Riggelsen

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Gute Weltenbürger bauen sich ihr Gemüse selbst an – oder? Beim Gang durch den Königlichen Küchengarten fiel der Kolumnistin Sara Eskildsen auf, dass sie Tomaten ausschließlich auf den Augen hat.

In dieser Woche am Alsensund stand die Saisoneröffnung des Königlichen Küchengartens auf dem Programm. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Frühling in der Kommune Sonderburg offiziell eingeläutet ist. Fußläufig zum Gravensteiner Schloss gelegen, hat sich der Küchengarten zu einem Touristenmagneten entwickelt.

Königin Margrethe war im Sommer 2020 die Erste, die zur Einweihung über die Kieswege schritt, Zehntausende sollten folgen. Was zur Folge hatte, dass die Wege zwischen Beeten und Rasen bereits nach zwei Jahren derart hinüber waren, dass sie renoviert werden mussten.

Der Name Küchengarten ist in meinen Augen eine gehörige Untertreibung. Küchenpark trifft es schon eher. Ein Park zum Flanieren, Schnuppern und Probieren. Mit Orangerie, nachhaltig gedämmten Reetdachhäuschen für die Gärtner und einem kleinen Laden, in dem man Apfelkuchen oder verkupferte Rosenblüten kaufen kann.

Wie so oft im Leben ist der richtige Zeitpunkt entscheidend

Ein Ort, an den man stolz Besucher aus nah und fern hinschleppt, um ihnen eine royale Rubus idaeus in den Mund zu schieben. Eine hochadelige Himbeere für jeden Stadtmenschen, und der Vorführeffekt ist gebongt.

Ein Ort, an dem man beim Blick in die beiden Brunnen unbewusst nach einem sprechenden Frosch Ausschau hält und an dem die Gärtner mit Körben voller Gemüse und Obst in Richtung Schloss spazieren, um der Königlichen Familie das Abendessen zu liefern.

Ein Ort, an dem die Seele aufatmen und im Takt mit dem Lavendel im Hochbeet hin und her baumeln kann.

Es sei denn, man kommt an einem Sonnabend im Juli. Dann schiebt sich Gürteltasche an Gürteltasche eng gedrängt an den Staudenbeeten vorbei, die Gürteltaschenträger treten sich am Kräuterbeet gegenseitig auf die Birkenstöcke und man schiebt sich an der Kuchenausgabe des Cafés beim Umdrehen den Apfelkuchen vom Teller. Wie so oft im Leben ist der richtige Zeitpunkt entscheidend, das gilt auch für einen Besuch im Königlichen Küchenpark.

Königin Margrethe hatte bei ihrem Besuch zur Einweihung 2020 verraten, dass sie zusammen mit ihrer Schwester Benedikte den Küchengarten vor oder nach den offiziellen Öffnungszeiten besuchen wird, wenn sie auf Schloss Gravenstein wohnt. Auch sie hat im Juli keine Lust auf Stress am Staudenbeet und kommt am frühen Morgen oder am Abend in den Garten, um sich umzusehen. Ob sie auch von den Himbeeren nascht, ist mir nicht bekannt.

Der Garten ist 2020 eröffnet worden. Am Brunnen fragt man sich insgeheim, wann der sprechende Frosch aus dem Märchen erscheint … Foto: Sara Eskildsen

Bei mir zu Hause ist das Thema Küchengarten ad acta gelegt. Nachdem ich zwei Jahre lang versucht habe, Tomaten, Gurken und Kräuter in kleinen Beeten zu züchten, sehe ich einem beetfreien Sommer entgegen.

Denn ich habe keinen grünen Daumen, soviel steht fest. Meine Gurken waren hässliche kleine Würmer, die auf halbem Wege zu schimmeln begannen. Tomaten gab es entweder gar nicht oder überreif in Kilomengen. Meine eine Zucchini wurde von Schnecken gefressen, noch ehe sie die Größe einer Erdnuss annehmen konnte. Dafür trat ich andauernd in aufgeplatzte Tomaten oder schleimige Nacktschnecken, die meinen kümmerlichen Kräutergarten als Selbstbedienungsbüfett nutzten.

Ich verbrachte meine Abende mit Schneckensammeln und Biogift ausstreuen, und als Dank für meinen Einsatz durfte ich merkwürdig orangenfarbene Tomaten ernten, die mir überhaupt nicht schmeckten.

„Das schmeckt mir nicht“

„Das schmeckt mir nicht“ – diesen geflügelten Satz pflegt meine Freundin Domi aus Berlin zu sagen, wenn ihr etwas nicht passt. Im Gegensatz zu mir ist sie einer der Menschen, die kein Problem mit Problemen haben. Sie spricht ungefiltert aus, wenn ihr etwas nicht passt. Bei mir dauert das manchmal etwas länger. In diesem Fall brauchte ich zwei Jahre, um zu erkennen, dass mir meine selbst gezüchteten Grünsachen in mehrfacher Hinsicht überhaupt nicht schmecken.

Manchmal hat man eben Tomaten auf den Augen, wenn es darum geht, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Ich habe für mich beschlossen: Mein Gemüse kommt aus dem Supermarkt. Mein Kümmerlicher Küchengarten wird in diesem Jahr nicht wieder eröffnet. In den Küchengarten gehe ich nur noch, wenn ich in Gravenstein bin.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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