BDN-Ausflug

Orgelbau: Auch 2019 reine Handarbeit

Orgelbau: Auch 2019 reine Handarbeit

Orgelbau: Auch 2019 reine Handarbeit

Ruth Nielsen
Ruth Nielsen Lokalredakteurin
Apenrade/Aabenraa
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Jahrzehntelang hat Heribert Kremsler für die Orgelbaufirma Marcussen & Søn gearbeitet. Er erzählte anschaulich, informativ und humorvoll über die Arbeit des Orgelbaus. Foto: RN

24 Mitglieder der BDN-Ortsvereine Sonderburg und Fördekreis besichtigten die tradionsreiche Orgelbaufirma Marcussen & Søn in Apenrade.

Zumindest   24 BDN-Mitglieder wissen nun, warum eine Orgel je nach Größe  viele, viele Millionen Kronen kostet. Ein Register ist mit 250.000 Kronen veranschlagt, bei zehn Registern summiert sich das schon auf 2,5 Millionen Kronen. Denn alles im Orgelbau ist Handarbeit, die Orgel im Musikhaus Aalborg z. B. war nach 33.000 Arbeitsstunden fertig. Nur für Zeichnungen werden mal Computer genutzt, aber auch nicht immer. Papier wird weiterhin  vorgezogen.

Die Ausflügler hatten die Einladung  der BDN-Ortsvereine Sonderburg und Fördekreis  angenommen, und  am Sonnabend die traditionsreiche Orgelbaufirma  Marcussen & Søn in der Apenrader Storegade besichtigt. Sie wird heute in der siebenten Generation von Claudia Zachariassen geleitet.

1806 in Wester–Satrup gegründet, zog sie  1830  in das Herz der Stadt, in ein Haus, das viele  verwinkelte Ecken hat und niedrige Räume, die über Treppen zu erreichen sind. Der Besucher sollte daher gut zu Fuß sein. An einen Umzug hat die Geschäftsleitung   nie so richtig gedacht, wie der äußerst kompetente und humorvolle ehemalige Mitarbeiter Heribert Kremsler erzählte.   In Hochzeiten in den 1970-er Jahren wurde ein Hallenbau diskutiert.

Jahrzehntelang hat Heribert Kremsler für die Orgelbaufirma Marcussen & Søn gearbeitet. Er erzählte anschaulich, informativ und humorvoll über die Arbeit des Orgelbaus. Foto: RN

Damals beschäftigte   Marcussen 70 Mitarbeiter, die jedoch nie alle zu selben Zeit im Haus waren. Ein Orgelbauer  ist viel unterwegs. Denn  Einbau und   Stimmen (Intonation)  der Orgel passiert direkt vor Ort. Zwar wird die Orgel in der Firma intoniert, aber wenn die Raumtemperatur in der Kirche oder im  Konzertsaal höher oder niedriger ist, hat das Einfluss auf den Klang.   Auch die Akustik eines Raumes ist entscheidend für die perfekte Klangfülle.

Heute arbeiten um die 30 Mitarbeiter für Marcussen & Søn. „Die Nachfrage ist da, aber  die Konkurrenz ist groß.  Die meisten wollen billig und keine Lieferzeit von fünf Jahren“, so Kremsler freimütig. Ein Raunen ging durch die Besuchergruppe bei der Besichtigung der verhältnismäßig beengten Gießerei. Die Pfeifen sind aus Zinn und Blei, die im Kessel geschmolzen werden, um dann direkt in einen Kasten gegossen zu werden, der langsam über den meterlangen Tisch geschoben wird. Fertig ist  die Metallplatte, die je nach Pfeifengröße  dünner gewalzt wird.  Anfallende Reste werden wieder eingeschmolzen.  

Die Orgel steht zum Verkauf, Hans Ludwigsen schaut sich sie mit Interesse an. Foto: RN

„Da wird man bekloppt“,  sagte Kremsler über die Pfeifenwerkstatt.  Die dünnen Metallplatten werden auf eine  Art Schablone gelegt und mit einem holzähnlichen Schlegel hauchdünn geklopft. Müssen schadhafte alte Pfeifen (Risse und Löcher)  renoviert werden,     muss erstmal die Legierung festgestellt werden. Diese Angabe ist nicht immer auf dem Papier festgehalten.

Tradition wird auch bewahrt in der Intonationswerkstatt. Da werden die Pfeifen mit  einem   hölzernen „Stimmhorn“ gestimmt. Um Zinnfolie, manche sind 0,08 Millimeter dünn,  muss sich Marcussen die kommenden „500 Jahre“, so Kremsler, nicht sorgen.  „Das ist  eine Sonderanfertigung. Daher musst du   ganze Produktion kaufen“, so  Orgelbauer zum  Material  u. a. für die „Zunge“.   

Alte Pfeifen: Anschauen ja, aber nicht anfassen. Foto: RN

Neben Metall besteht die Orgel aus Holz, das in einem großen Raum gelagert wird. Dort sind Eiche, Palisander, Mahagoni, Esche, Ahorn und Kiefer vorrätig, mal Millimeter dünn, mal Zentimeter dick, in verschiedenen Längen.

Ein weiteres Material ist Leder. Das nannte Kremsler  Spaltleder, denn aus einer Haut werden fünf gemacht.  So ist das Leder dünn und sehr weich.  Es wird für u. a. den Balg gebraucht, „denn Holz  arbeitet ja“. Auch Pergamentpapier  wird verarbeitet. Das  wird um  Holzpfeifen herumgeklebt. Die Klaviatur bestand  früher aus Elfenbein. Seit dem  Verbot werden hauptsächlich  Rinderknochen genutzt, die mit Sandpapier   poliert werden, ebenfalls eine Heidenarbeit.  „Du brauchst schon viele Knochen, ehe die Tastatur fertig ist“, meinte   Kremsler.

Er hatte es verstanden, fast zwei Stunden lang die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer einzufangen. BDN-Vorsitzender Jørn Petersen dankte ihm für seine lebhaften  Schilderungen mit einem Präsentkorb. Die Besichtigung endete im Café Butler, bei Kuchen und Kaffee satt.

Die hauchdünne Zinnfolie für die „Zunge“ ist eine Sonderanfertigung. Manche sind nicht dicker als 0,08 Millimeter. Foto: RN
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